„Dashcam“-Aufnahmen können zur Verfolgung schwerwiegender Ordnungswidrigkeiten verwertet werden

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Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden und damit die Rechtsprechung des LG Landshut (LG Landshut, Beschluss vom 01.12.2015 – 12 S 2603/15), des AG Nürnberg (AG Nürnberg, DAR 2015, S. 472 ff.), des AG München (AG München, NJW-RR 2014, S. 413/415) sowie die hier meist mehrfach vertretene Rechtsauffassung (https://www.anwalt.de/rechtstipps/zur-verwertbarkeit-einer-dashcam-oder-onboardkamera-aufzeichnung-im-zivilverfahren_080105.html) und (https://www.anwalt.de/rechtstipps/dashcam-armaturenbrettkamera-ist-zulaessig-und-kann-idr-im-zivil-und-strafverfahren-verwertet-werden_066989.html) bestätigt.

Der 4. Senat für Bußgeldsachen des OLG Stuttgart hat es in seinem Beschluss als grundsätzlich zulässig erachtet, in einem Bußgeldverfahren eine Videoaufnahme als Beweismittel zu verwerten, die ein anderer Autofahrer mit einer „Dashcam“ (Armaturenbrettkamera) aufgenommen hat. Dies gelte jedenfalls bei der Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten wie z.B. einem Rotlichtverstoß an einer mindestens seit sechs Sekunden rot zeigenden Ampel.

Das Amtsgericht Reutlingen hatte zuvor gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Ampel eine Geldbuße von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Den Tatnachweis konnte das Amtsgericht allein aufgrund eines Videos führen, das ein anderer Verkehrsteilnehmer zunächst anlasslos mit einer „Dashcam“ aufgenommen hatte. Dieser (ein sogenannter „Hilfssheriff“, auch genannt „Petze“) hatte diese Aufnahme sodann der Polizei übermittelt. Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil nun bestätigt.

Dabei hat das OLG allerdings offen gelassen, ob die Nutzung einer „Dashcam“ durch einen Verkehrsteilnehmer überhaupt gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstoßen könnte, denn jedenfalls enthalte § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren. Somit folge aus einem (möglichen) Verstoß gegen diese Vorschrift ohnehin nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme. Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits gegenüber der Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsfindung und Verfolgung von Verkehrsverstößen abzuwägen.

Bei dieser Abwägung sei zu beachten, so das OLG, das Videoaufnahmen von Verkehrsvorgängen zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingriffen. Die Intensität und Reichweite des Eingriffs sei im konkreten Fall jedoch gering. Insbesondere betreffe ein Video, das lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs ermögliche, nicht den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seine engere Privat- oder gar Intimsphäre. Im Rahmen der Abwägung seien zudem die hohe Bedeutung der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall zu berücksichtigen.

Das OLG wies zudem darauf hin, dass die Bußgeldbehörden bereits bei Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen zu prüfen und u. a. die Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen hätten. Aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes (vgl. § 47 OWiG) stehe es den Bußgeldbehörden dabei frei, ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels „Dashcam“ beruhendes Verfahren nicht weiter zu verfolgen. Hiermit wollte das OLG offenbar vorbeugend klarstellen, dass mit dieser Entscheidung keine selbsternannten sogenannten „Hilfssheriffs“ zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten animiert werden sollen.

(OLG Stuttgart: Beschluss vom 4. Mai 2016 – 4 Ss 543/15)



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