Der Diebstahl im Selbstbedienungsladen

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Sie sind beim Ladendiebstahl erwischt worden, und wollen nun wissen, was man Ihnen im strafrechtlichen Sinne konkret vorwirft?

Eigentlich dürfte man annehmen, dass es einfach ist einen Diebstahl zu erkennen. Nimmt man sich zum Beispiel eine Schachtel Pralinen im Supermarkt, ohne sie zu bezahlen mit nach Hause, so liegt natürlich ein Diebstahl vor.

In der Praxis ist es allerdings nicht immer so einfach. Denn wann genau ist der Diebstahl in einem sogenannten Selbstbedienungsladen eigentlich vollendet? Schon dann, wenn ich mir im Supermarkt eine Packung Kaugummis in die Jackentasche stecke? Ist also das Einstecken einer Sache schon strafbar oder kommt es darauf an, dass ich den Supermarkt mit ihr verlasse oder wenigstens den Kassenbereich durchquere? Und wie wird die Situation bewertet, in der es sich beispielsweise um zwei Flaschen teuren Wein handelt, die ich nicht in meiner Jackentasche verstauen kann?

Dies alles sind Fragen, die sich um ein bestimmtes Merkmal des Diebstahls drehen - die Wegnahme. Denn wegen Diebstahls nach § 242 StGB macht sich strafbar,

wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.

Die Wegnahme ist, wie schon aufgezeigt, ein alles andere als unkompliziertes Tatbestandsmerkmal. Immer wieder kommt es zu Urteilen, in denen Gerichte einen vollendeten Diebstahl annehmen, obwohl noch keine Wegnahme vorgelegen hat. Dies ist prekär, weil die Feststellung, ob ein Diebstahl vollendet oder mangels Wegnahme doch nur versucht ist, entscheidend für die Strafzumessung ist.

Was versteht man unter einer Wegnahme?

Die Wegnahme wird definiert als der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams an der Sache. Man muss sich also beim Diebstahl immer fragen, ob schon neuer Gewahrsam an der Sache begründet wurde. In der Regel wird diese Frage mit der herrschenden sogenannten Apprehensionstheorie entschieden, nach der schon das Ergreifen einer fremden Sache ausreicht.

Im Selbstbedienungsladen stößt diese Theorie jedoch an ihre Grenzen, da es in solchen Läden Sinn und Zweck ist, Sachen zu ergreifen, um sie dann an der Kasse zu bezahlen. Zu dem Ergreifen der Sache muss der Täter also die Herrschaft über diese derart erlangt haben, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits ohne Beseitigung der Verfügungsgewalt nicht mehr über die Sache verfügen kann. Dies ist der Fall, wenn die Wegschaffung der Sache unter normalen Umständen keinem Hindernis mehr entgegensteht. Der Täter darf demnach nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sein, dass er von einem Dritten an der Wegschaffung der Beute gehindert wird.

Die Größe des Gegenstands:

In der Praxis bedeuten dies, dass ein Diebstahl regelmäßig vollendet ist, wenn die Sache in der Jackentasche oder dem Rucksack versteckt wird, da der bisherige Gewahrsamsinhaber nun nicht mehr ohne Weiteres über sie verfügen kann. Wird die Ware jedoch lediglich im Einkaufswagen versteckt, so kommt es ganz entscheidend darauf an, ob der Kassenbereich passiert wurde oder nicht. Befindet man sich noch vor dem Kassenbereich, so wird in diesen Fällen regelmäßig nur ein versuchter, während nach dem Passieren der Kasse ein vollendeter Diebstahl angenommen wird.

Ob man eine Sache im Selbstbedienungsladen in seine Kleidung stecken kann, hängt natürlich maßgeblich von der Größe der Sache ab.

Handelt es sich um sehr unauffällige Sachen wie Geldscheine oder Schmuck, die leicht beweglich sind, so ist es ausreichend diese zu ergreifen und festzuhalten. Ist die Sache hingegen etwas größer, aber trotzdem noch von geringem Umfang, wie beispielsweise eine Packung Zigaretten, so ist es für die Annahme eines vollendeten Diebstahls ausreichend, wenn diese in die Kleidung oder in die Handtasche gepackt wird. Denn in diesen Fällen müsste der bisherige Gewahrsamsinhaber in die höchstpersönliche Sphäre des Kunden eindringen, um erneut auf die Sache zugreifen zu können.

Handelt es sich hingegen um sperrige oder sonst schwer bewegliche Gegenstände, so ist ein neuer Gewahrsam erst begründet, wenn die Sache aus dem fremden Machtbereich gebracht, in der Regel also der Kassenbereich passiert wird.

Die Versuchsstrafbarkeit:

Ist das Merkmal der Wegnahme nicht erfüllt, so kommt eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls in Betracht, die das Gesetz in § 242 Abs. 2 StGB anordnet. Diese ist nur dann gegeben, wenn zum Bruch fremden Gewahrsams unmittelbar angesetzt wurde. Man muss also, wie es juristisch so schön heißt, die Schwelle zum „jetzt geht's los" überschritten haben und zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt haben. Ergreift man demnach beispielsweise in einem Supermarkt zwei teure Flaschen Wein, um mit diesen unauffällig den Kassenbereich zu passieren, ohne zu bezahlen, so ist in dem Ergreifen der Flaschen der Versuchsbeginn zu sehen. Hat man dagegen die Packung Zigaretten schon in der Jackentasche versteckt, so handelt es sich nicht mehr um einen versuchten, sondern einen vollendeten Diebstahl, das das Merkmal der Wegnahme bereits erfüllt wurde.

Der Rücktritt vom Versuch:

Das Gesetz sieht für den Fall des Versuchs die Möglichkeit vor, von diesem Abstand zu nehmen und dadurch Straffreiheit zu erlangen. Dieser sogenannte Rücktritt vom Versuch ist in § 24 StGB geregelt. Die wohl am häufigsten auftretende Variante ist der Rücktritt vom unbeendeten Versuch, der in § 24 Abs. 1 S. 1 geregelt ist und nach dem nicht bestraft wird, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Dabei ist entscheidend, dass man sich aus eigenem Antrieb zur Aufgabe der Tat entschließt. Stellt man also beispielsweise die beiden Weinflaschen wieder ins Regal zurück, weil man Gewissensbisse hat, seinen Plan bereut oder sich dafür schämt, so liegt ein strafbefreiender Rücktritt vom Diebstahlsversuch vor. Nicht freiwillig ist der Rücktritt hingegen, wenn eine äußere Zwangslage besteht. Stellt man also die Flaschen wieder ins Regal, weil immer mehr Leute den Supermarkt betreten oder man vom Detektiv beobachtet wird, so ist dies kein freiwilliger Rücktritt.

Entscheidend für die Frage des Rücktritts ist außerdem, dass die Tat noch nicht vollendet ist. Hat man also die Sache schon in die Hosentasche gesteckt, so wurde hiermit neuer Gewahrsam begründet. Ein strafbefreiender Rücktritt ist in diesen Fällen nicht mehr möglich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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