Der Europäische Gerichtshof verwirft deutsches Kündigungsrecht

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Die deutsche Regelung, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden, verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und ist ab sofort von Deutschen Gerichten nicht weiter anzuwenden. So urteilt im Wesentlichen der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am 19.01.2010 veröffentlichten Urteil und verändert damit die Regelungen über Kündigungsfristen in Deutschland nicht unerheblich.

Der EuGH hatte den Fall der Klägerin Seda Kücükdeveci zu entscheiden. Diese hatte seit ihrem 18. Lebensjahr in einem Essener Laminierbetrieb gearbeitet, der Präsentationsunterlagen herstellt. Die Frau war nach zehn Jahren entlassen worden. Dabei wurde ihr nur eine Beschäftigungsdauer von drei Jahren (seit dem 25. Geburtstag) und damit eine Kündigungsfrist von einem Monat zugestanden. Bei zehn Jahren Beschäftigungsdauer - gerechnet nach dem tatsächlichen Beginn ihrer Tätigkeit - hätte sie Anspruch auf vier Monate gehabt.

Der EuGH kam nun zu dem Ergebnis, dass die deutsche Kündigungsregelung eine Ungleichbehandlung enthalte. Die Regelung sehe eine weniger günstige Behandlung für Arbeitnehmer vor, die ihre Beschäftigung bei dem Arbeitgeber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs aufgenommen haben. Sie behandelt damit Personen, die die gleiche Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen, unterschiedlich, je nachdem, in welchem Alter sie in den Betrieb eingetreten sind.

Konsequenzen:

  • Die Alterseinschränkung nach § 622 Abs. 5 BGB ist ab sofort nicht mehr anzuwenden. Jeder kann sich von nun an auf Ungleichbehandlung berufen, selbst wenn der Gesetzgeber das Gesetz noch nicht angepasst hat.
  • Eine Vielzahl von Tarifverträgen verstößt gegen diese Rechtsprechung. Insbesondere Branchen wie z.B. Gastronomie und Systemgastronomie, Gebäudereinigung, Groß- und Außenhandel, Einzelhandel, Druckindustrie und Bau haben somit zum Teil unwirksame Tarifverträge.
  • Arbeitsvertragliche Regelungen, in denen entweder auf gesetzliche oder tarifliche Kündigungsregelungen verwiesen wird bzw. in denen diese Regelungen aufgenommen sind, werden unwirksam. Sie entfallen zwar nicht in Gänze, allein die fragliche Regelung zur Fristberechnung wird unwirksam.
  • Bei Kündigungen führt diese Rechtsprechung selbstverständlich nicht zu deren Unwirksamkeit, sondern nur zur Unwirksamkeit der Fristberechnung. Die Kündigung wird jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wirksam und verursacht somit auch höhere Kosten im Kündigungsschutzverfahren.

Insofern empfiehlt es sich die jeweils anzuwendenden Tarif- und Arbeitsverträge auf ihren Inhalt hinsichtlich der Kündigungsfrist zu überprüfen und anzupassen.


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