Der Kampf um Quadratmeter: Größenbegrenzung bei Eigenbedarfskündigung

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Muss die Mieterfamilie die über 100 qm große Wohnung räumen, wenn sie der Vermieter für sein 18-jähriges Kind beansprucht? Diese Frage stellt sich nicht selten in Räumungsprozessen wegen Eigenbedarfs.

Nach dem Gesetz darf der Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung für sich oder für seine Familienangehörigen „benötigt“, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Wie der Begriff des „Benötigens“ zu verstehen ist, hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich definiert: Der Vermieter muss vernünftige und billigenswerte Gründe für die gewünschte Nutzung haben.

Nicht vernünftig und nicht billigenswert ist es, wenn der Vermieter einen „weit überhöhten Wohnbedarf“ geltend macht.

Wer legt fest, welcher Wohnbedarf angemessen, welcher Bedarf weit überhöht ist? Im Streitfall eben das Gericht. Das soll nicht seine eigenen Maßstäbe (wie wohnt der Richter selbst?) anlegen, sondern die Vorstellungen des Vermieters und dessen Lebensplanung respektieren. Wo aber willkürlich Grenzen gezogen werden müssen, kann es nur auf den Einzelfall ankommen.

Einen solchen Fall hatte vor kurzem das Amtsgericht Köpenick (Urteil vom 17.09.2013 – 14 C 16/13) zu entscheiden. Eheleute hatten ein 6-Familienhaus gekauft. Anschließend kündigten sie das Mietverhältnis über die 102 qm große Erdgeschosswohnung wegen Eigenbedarfs für die 18-jährige Tochter. Die Wahl sei deshalb auf diese Wohnung gefallen, weil die Tochter Terrasse und Garten benötige. Die andere Wohnung im Erdgeschoss sei mit 60 qm zu klein. Die Tochter habe gerade das Abitur absolviert und wolle nun einen Arbeitsplatz in Berlin suchen. Dafür benötige sie die Wohnung.

Die Mieter setzten sich gegen die Kündigung zur Wehr. Sie bezweifeln das Erlangungsinteresse. Wahrer Grund für die Kündigung des seit 1986 bestehenden Mietverhältnisses sei, dass die Eigentümer mit der geringen Miete unzufrieden seien, die Wohnung sanieren und dann viel teurer erneut vermieten wollten.

Das Gericht weiste die Räumungsklage ab: Die erst 18-jährige Tochter benötige keine 102 qm große Wohnung. Sie habe weder einen Studien- noch einen Ausbildungsplatz noch verfüge sie über eigenes Einkommen. Eine so junge Person ohne Einkommen benötige keine 102 qm große Wohnung. Sie habe auch keine Verpflichtungen, die eine so große Wohnung erforderten.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Köpenick ist falsch. Bei der Prüfung der Frage, ob der Wohnbedarf überhöht ist, darf kein kleinlicher Maßstab angelegt werden. Es gibt keinen Grundsatz, dass eine Einzelperson sich mit einer Wohnfläche von 50 qm zufrieden geben muss. Nur dann aber läge ein „weit überhöhter“ Wohnbedarf vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor 15 Jahren (BVerfG, WuM 1990, 479) gebilligt, dass die studierende Tochter in eine 107 qm große Wohnung einziehen darf. Bei Erwachsenen sind die Gericht signifikant großzügiger: Ein alleinstehender Lehrer darf eine 4-Zimmer-Wohnung für sich beanspruchen, ein Chemiker hat begründeten Bedarf an einer 5-Zimmer-Wohnung, wenn er die Räume zur Unterbringung seiner Antiquitäten benötigt.

Kritisch zu prüfen ist in solchen Fällen, ob ein Eigenbedarf nur vorgeschoben wird. Das hatten die Mieter hier behauptet. Diese Frage muss das Gericht dann aber prüfen und darf es sich nicht mit dem Argument bequem machen, es liege ein „weit überhöhter Wohnbedarf“ vor.

Die Amtsgerichte zeigen die Tendenz, für alleinstehende volljährige Kinder in Ausbildung die Grenze bei 100 qm zu setzen. Auch wenn es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, muss diese Rechtsprechung als „law in action“ berücksichtigt werden. Wichtig ist es in solchen Fällen, das Erlangungsinteresse sehr sorgfältig zu begründen, am besten mit fachanwaltlicher Unterstützung und Hilfe.

Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.


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