Der Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers

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Allgemeines zum Zeugnisanspruch

Arbeitszeugnisse haben seit jeher sowohl für Arbeitgeber als auch Bewerber eine große Bedeutung: Dienen sie für letztere als persönliche Visitenkarte, stellen sie für erstere oft eine zentrale Entscheidungsgrundlage bei der Auswahl dar. Wenig überraschend kommt es – gerade bei konfliktbeladenen Beendigungen des vorherigen Arbeitsverhältnisses – oft zu Auseinandersetzungen bezüglich der Ausstellung und des Inhalts von Zeugnissen. Nicht selten fühlen sich Betroffene ungerecht beurteilt oder wittern eine negative Bewertung in einer „Geheimsprache“. Der vorliegende Artikel versucht, einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen in Sachen Arbeitszeugnisse zu geben.

Hat man als Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis? 

Ja. Nach § 109 der Gewerbeordnung (GewO) kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches Arbeitszeugnis verlangt werden. Dies gilt unabhängig davon, wie lange das Arbeitsverhältnis gedauert hat, ob der Arbeitnehmer voll- oder teilzeitbeschäftigt war oder sich noch in der Probezeit befand.

Welche Arten von Zeugnissen gibt es? 

Das Gesetz unterscheidet zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Arbeitszeugnis. Während das einfache Zeugnis „mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit“ enthalten muss (§ 109 I 2 GewO), erstreckt sich das qualifizierte Zeugnis auch auf „Leistung und Verhalten“ (§ 109 I 3 GewO).

Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht zwischen den beiden Zeugnisarten. Nach nicht unumstrittener, aber überwiegender Ansicht kann nach Erteilung eines einfachen zusätzlich ein qualifiziertes Zeugnis verlangt werden, sofern ein berechtigtes Interesse daran besteht; umgekehrt soll dies aber nicht gelten.

Wann entsteht der Zeugnisanspruch?

„Bei Beendigung“ meint den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bzw. des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages. Hintergrund ist, dass der Arbeitnehmer das Zeugnis regelmäßig für die Arbeitssuche benötigt. Wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch geltend macht, steht dem Arbeitgeber eine angemessene Bearbeitungsfrist zu, die je nach den betrieblichen Umständen und Art des Zeugnisses von einigen Tagen bis zu wenigen Wochen reichen kann.

Nach überwiegender Meinung darf der Arbeitgeber ein vor tatsächlicher Beendigung des Arbeits-verhältnisses ausgestelltes Zeugnis als „Zwischenzeugnis“ oder „vorläufiges Zeugnis“ kennzeichnen, um sich gegen eine Verschlechterung der Arbeitsleistung im Laufe der Kündigungsfrist abzusichern. Bei außerordentlichen Kündigungen muss dagegen sofort ein endgültiges Zeugnis erteilt werden.

Wer muss das Zeugnis erteilen? 

Der Anspruch aus der GewO richtet sich gegen den Arbeitgeber. Dieser kann sich dabei eines betriebsinternen, dem Arbeitnehmer übergeordneten Vertreters (Betriebsleiter, Abteilungsleiter, Prokurist, Vorgesetzter etc.) bedienen, wenn (nur) dieser die Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers tatsächlich beurteilen kann. Unzulässig ist dagegen die Übertragung an einen außenstehenden Dritten.

Wann hat man Anspruch auf ein Zwischenzeugnis? 

Einen gesetzlichen Anspruch auf ein Zeugnis im ungekündigten, laufenden Arbeitsverhältnis gibt es nicht. In Rechtsprechung und Lehre ist aber anerkannt, dass sich ein solcher Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben kann. Ausdrückliche Regelungen sind zudem in vielen Tarifverträgen enthalten. 

Der Anspruch besteht dann, wenn der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse bzw. einen triftigen Grund vorweisen kann. Typische Konstellationen sind die Erforderlichkeit des Zeugnisses etwa für Fortbildungen oder zur Vorlage bei Behörden, Versetzungen sowie Inhaberwechsel (Betriebsübergang).

Inhaltlich gibt es keine Unterschiede zwischen einen Zwischen- und Endzeugnis.

Welchen äußeren/formalen Vorgaben muss ein Arbeitszeugnis entsprechen?

Das Gesetz sieht die Schriftform (vgl. § 126 BGB) vor, sodass das Zeugnis vom Aussteller eigenhändig zu unterschreiben ist. Verwendet der Arbeitgeber für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenpapier, muss auch das Zeugnis darauf abgefasst sein. Selbstverständlich sind Mängel in Rechtschreibung und Grammatik nicht hinzunehmen, außerdem ist das Zeugnis in der dritten Person zu formulieren. Darüber hinaus gibt es keine Ansprüche in Bezug auf die Ästhetik (Papier, Schriftart, Format).

Was hat es mit der „Rückdatierung“ von Arbeitszeugnissen auf sich? 

Als Datum eines Arbeitszeugnisses ist an sich das Ausstellungsdatum anzugeben. Wird das Zeugnis aber erst einige Zeit (mehr als zwei Monate) nach der tatsächlichen Beendigung ausgestellt, muss das Zeugnis in der Regel auf das Datum der Beendigung „rückdatiert“ werden. Grund dafür ist, dass aus einer späteren Datierung möglicherweise (zu Unrecht) negative Schlüsse gezogen werden könnten. Hierin liegt kein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht, da diese nur für den Zeugnisinhalt gilt.

Was gehört (nicht) in ein einfaches Arbeitszeugnis? 

Das „einfache“ Arbeitszeugnis muss neben Namen und Berufsbezeichnung chronologisch alle Aufgaben und Tätigkeiten aufführen, die ein Urteil über Kenntnisse und Leistungsfähigkeit ermöglichen.

Dies umschließt etwa auch Sonderaufgaben, jedoch keine in alle Einzelheiten gehende Beschreibung. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut („Dauer“) geht hervor, dass der Beendigungsgrund allenfalls auf Wunsch des Arbeitnehmers anzuführen ist. Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses etwa wegen Krankheit bleiben unerwähnt, sofern sie nicht von außergewöhnlicher Dauer waren.

Im Grundsatz geht es also um eine reine Dokumentation von Fakten, die keinen Raum für Bewertungen durch den Arbeitgeber lässt.

Was gehört (nicht) in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis? 

Das qualifizierte Arbeitszeugnis soll ein Gesamtbild über Leistung und Verhalten eines Arbeitnehmers vermitteln. Dafür gelten die Grundsätze der Einheitlichkeit, der Vollständigkeit und der Wahrheit.

 

Unter Leistung versteht man hier die berufliche Einsetzbarkeit eines Arbeitnehmers, dazu gehört neben Arbeitsbefähigung (Können) und Arbeitsbereitschaft (Wollen) insbesondere auch die Arbeitsweise (Einsatz) und das Arbeitsergebnis (Erfolg). In der Regel wird außerdem eine Gesamtbewertung der Arbeitsleistung vorgenommen.

Die Bewertung des Verhaltens darf sich nur auf das dienstliche Verhalten beziehen und soll eine Zusammenfassung der wesentlichen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsbezüge darstellen. Typisches Beispiel hierfür ist die Kooperations- und Kompromissfähigkeit gegenüber Kollegen, Vorgesetzen oder Kunden. Straftaten während der Arbeitszeit dürfen nur erwähnt werden, sofern sie nachweisbar sind und sich der Arbeitnehmer nicht bereits wieder als nicht vorbestraft bezeichnen darf.

Der Beendigungsgrund ist (nur) dann in das qualifizierte Zeugnis aufzunehmen, wenn er für die Beurteilung von Leistung und Verhalten wesentlich ist. Insbesondere bei einer krankheitsbedingten Kündigung kann eine Erwähnung umgekehrt sogar im Interesse des Arbeitnehmers liegen.

Bei den einzelnen Beurteilungen und Formulierungen hat der Arbeitgeber einen relativ breiten Gestaltungsspielraum. Gegen die Wahrheitspflicht wird jedenfalls dann verstoßen, wenn bloße Behauptungen, Annahmen oder Verdächtigungen wiedergegeben werden. Außerdem dürfen keine „Codes“ (vgl. § 109 II 2 GewO) verwendet werden, darunter fällt etwa die Benutzung eines Stempels, Unter-streichungen oder die Verwendung mehrdeutiger Begriffe. Die Verwendung der in der Praxis verbreiteten „Zeugnissprache“ als Ausdruck einer (in der Regel fünfstufigen) Notenskala ist grundsätzlich zulässig, sofern der Leser nicht irregeführt wird Hier gibt es eine umfassende Rechtsprechung zu vielen Einzelfällen.

Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht liegt auch bei Auslassungen vor, sofern das Fehlen bedeutet, dass der Beurteilte für den Beruf nicht geeignet ist (Beispiele: Ehrlichkeit beim Umgang mit Vermögenswerten). Wann ein solches zu erwähnendes „berufsspezifisches Merkmal“ vorliegt, richtet sich nach den Gepflogenheiten in der jeweiligen Branche.

Überdies ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung gehalten, bei der Abfassung „den wohlwollenden Maßstab eines verständigen Arbeitgebers“ anzulegen, dem Arbeitnehmer mit anderen Worten also die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nicht unnötig zu erschweren. Dieser Grundsatz tritt aber hinter der Wahrheitspflicht zurück, sodass daraus nicht folgt, dass negative Anmerkungen prinzipiell unzulässig sind. Der Arbeitnehmer hat insbesondere keinen Anspruch auf eine bestimmte (Gesamt-)Beurteilung, sofern die zugrundeliegenden Tatsachen zutreffen.

Das qualifizierte Zeugnis endet typischerweise mit einer Dankes- und Schlussformel, wozu der Arbeitgeber indes nicht verpflichtet ist. Das Weglassen stellt folglich auch keine unzulässige Auslassung dar.

Wie kann man sich gegen ein unzutreffendes Arbeitszeugnis wehren? 

Genügt das ausgestellte (Zwischen-)Zeugnis nicht den oben genannten Anforderungen, ist der gesetzliche Anspruch nicht erfüllt und der Arbeitnehmer kann Berichtigung durch Ausstellung eines neuen Zeugnisses verlangen. Nicht- und Schlechterfüllung sind hier also gleich zu behandeln. Weigert sich der Arbeitgeber, kann der Zeugnisanspruch auch vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

Zu beachten ist dabei die von den Gerichten entwickelte Darlegungs- und Beweislast. Sofern dem Arbeitnehmer insgesamt eine „durchschnittliche“ Leistung bescheinigt wird, muss der Beurteilte Tatsachen vortragen und beweisen, aus denen sich eine bessere Beurteilung ergeben soll. Nur bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung liegt die Beweislast beim Arbeitgeber.


 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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