Die Abmahnung im Arbeitsrecht – wichtige Fragen und Antworten

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Die Abmahnung im Arbeitsrecht

1. Was ist unter einer Abmahnung zu verstehen?

Eine Abmahnung stellt den Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, soweit das kritisierte Verhalten zukünftig nicht geändert wird, dar.

Da sich die Rechte und Pflichten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nicht nur auf den Arbeitnehmer, sondern auch auf den Arbeitgeber beziehen, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnt. Trotzdem erfolgt die Abmahnung in der Regel im umgekehrten Verhältnis.

Abzugrenzen ist die Abmahnung von Ratschlag, Belehrung, Ermahnung, Verwarnung, Verweis und Betriebsbuße. Diesen ist gemeinsam, dass durch sie ein bestimmtes Verhalten missbilligt wird, in ihnen im Gegensatz zur Abmahnung jedoch keine Kündigungsandrohung enthalten ist.

2. Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Abmahnung?

Rechtsgrundlage der Abmahnung stellt der arbeitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Bei der Kündigung handelt es sich um das letzte Mittel, sodass bei verhaltensbedingten Kündigungen zunächst eine Abmahnung auszusprechen ist. Das Fehlverhalten muss jedoch ein gewisses Gewicht erreichen, kleinste Verfehlungen können nicht abgemahnt werden, da die erforderliche Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist.

Die Abmahnung für die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung ist in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich geregelt. Der dahinterstehende Rechtsgedanke ist dabei auch auf die ordentliche Kündigung übertragbar.

3. Welche Funktionen kommen einer Abmahnung zu?

Eine Abmahnung hat 3 Funktionen: Eine Hinweis-/Rügefunktion, eine Warnfunktion sowie eine Dokumentationsfunktion.

Die Abmahnung dient im Wesentlichen dazu, den Arbeitnehmer auf ein arbeitsvertragswidriges Verhalten hinzuweise, dieses zu rügen und zu einem künftig vertragsgemäßen Verhalten aufzufordern (Hinweis-/Rügefunktion).

Dabei wird der Arbeitgeber durch die Abmahnung gleichzeitig gewarnt, da ihm für den Fall der Wiederholung des Fehlverhaltens aufgezeigt wird, dass er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffen, rechnen muss.

Da vom Arbeitgeber gefordert wird, das abzumahnende Verhalten genau zu bezeichnen, kommt der Abmahnung auch eine Dokumentationsfunktion zu.

4. Welchen Inhalt muss eine Abmahnung haben?

Die Abmahnung dient dazu, ein bestimmtes arbeitsvertragswidriges Verhalten zu missbilligen. Deshalb ist es erforderlich, dass das zu beanstandende Verhalten genau und zweifelsfrei bezeichnet wird (was hat sich wann, wie und wo ereignet). Das Fehlverhalten muss für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar sein, damit er sich zukünftig vertragsgerecht verhalten kann.

Pauschal gehaltene Angaben und Ausführungen wie z. B. Störung des Betriebsfriedens, mangelnde Arbeitsleistung, inakzeptables Verhalten, Unzuverlässigkeit etc. sind dabei nicht ausreichend. In diesen Fällen ist eine Abmahnung unwirksam.

Weiterhin muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnen und ihn auffordern, das konkret dargelegte Fehlverhalten zukünftig zu ändern bzw. einzustellen und ihm zudem deutlich machen, dass bei einem wiederholten Vertragsverstoß der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, dass ein weiteres Fehlverhalten den Ausspruch der Kündigung zur Folge hat.

Es kann nur ein arbeitsvertragswidriges Verhalten abgemahnt werden. Eine Abmahnung wegen der Wahrnehmung und Ausübung von Rechten ist hingegen unwirksam. So ist z. B. eine Abmahnung eines Mitgliedes des Betriebsrats wegen berechtigter Ausübung der Betriebsratstätigkeit nicht möglich.

5. Welche Form ist bei einer Abmahnung zu wahren?

Eine Abmahnung kann grundsätzlich formfrei erfolgen, somit kann sie auch mündlich ausgesprochen werden. Nichtsdestotrotz sollte die Abmahnung aus Beweisgründen stets schriftlich erfolgen.

Zur Abmahnung berechtigt ist eine gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugte Person, in der Regel der fachlich und disziplinarisch Vorgesetzte. Eine der Abmahnung vorausgehende Anhörung des Arbeitnehmers ist zwar nicht zwingend notwendig, ist jedoch zu empfehlen.

Hat sich ein Arbeitnehmer mehrfach vertragswidrig verhalten, so sollte jeder Verstoß gesondert in einem separaten Schreiben abgemahnt werden. Grund dafür ist, dass die gesamte Abmahnung bereits dann unwirksam ist, wenn nur eine Teilabmahnung fehlerhaft ist. Bei separaten Schreiben hängt die Wirksamkeit der einzelnen Abmahnungen hingegen nicht voneinander ab.

Eine Beteiligung eines möglicherweise vorhandenen Betriebsrates vor Ausspruch einer Abmahnung ist nicht erforderlich.

6. Welche Fristen gelten für eine Abmahnung?

Grundsätzlich sind keine Fristen beim Ausspruch einer Abmahnung zu beachten. So können auch Vorfälle, die bereits einige Zeit zurückliegen, den Gegenstand einer Abmahnung darstellen. Dennoch ist es empfehlenswert, dass eine Abmahnung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem zu missbilligenden arbeitsvertragswidrigen Verhalten ausgesprochen wird.

Auch durch die regelmäßig in Tarif- und Arbeitsverträgen enthaltenen Ausschlussfristen wird die Möglichkeit, eine Abmahnung auszusprechen, in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt. Das arbeitsvertragswidrige Verhalten entspricht einem Dauerverstoß, sodass kein Verfall nach den Ausschlussfristen gegeben ist.

Ganz ohne zeitliche Befristung kann eine Abmahnung aber auch nicht ausgesprochen werden. Vielmehr kann das Recht, ein Fehlverhalten abzumahnen, verwirkt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass seit dem zu missbilligenden Verhalten ein langer Zeitraum verstrichen ist und weitere Umstände hinzukommen, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, dass keine Abmahnung ausgesprochen werde. Starre zeitliche Grenzen existieren jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr der jeweilige Einzelfall.

7. In welchem Verhältnis steht eine Abmahnung zur Kündigung?

Die Abmahnung ist die Vorstufe zur Kündigung. Wenn ein Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens bereits abgemahnt wurde, so kann bei einem weiteren, gleichartigen arbeitsvertragswidrigen Verhalten eine verhaltensbedingte Kündigung begründet sein. Eine Kündigung kann der Arbeitgeber jedoch nicht auf den Sachverhalt stützen, den er bereits ausdrücklich abgemahnt hat. Durch den Ausspruch der Abmahnung ist der Sachverhalt „verbraucht“, sodass es für eine Kündigung eines neuen Fehlverhaltens bedarf.

Es ist erforderlich, dass das abgemahnte Fehlverhalten und der Kündigungsgrund gleichartig sind und somit ein innerer Zusammenhang besteht.

8. Wie oft muss ein Fehlverhalten vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt werden?

Eine genaue Vorgabe, wie oft ein Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung abgemahnt werden muss, gibt es nicht. Vielmehr ist der Einzelfall entscheidend. Abhängig von der Schwere des Verstoßes kann unter Umständen bereits eine einschlägige Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung ausreichen. Bei weniger schwerwiegenden Verstößen kann vom Arbeitgeber unter Umständen gefordert werden, den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung mehrfach abzumahnen. Dabei ist stets zu berücksichtigen, wie lange der bereits abgemahnt Vorfall zurückliegt.

9. Wie lange „wirkt“ eine Abmahnung?

Eine Abmahnung, die zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs berechtigt war, verliert ihre Wirkung, wenn ein abgemahnter Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt. Für den Zeitraum der Wirkungsdauer einer Abmahnung bestehen keine festen Grenzen. Auch an dieser Stelle ist der Einzelfall entscheidend. Eine Abmahnung kann somit über einen Zeitraum von einigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren „wirken“.

Es ist allerdings zu beachten, dass ein Fehlverhalten nicht zu oft abgemahnt werden sollte, bevor die Kündigung ausgesprochen wird. Durch zu häufige Abmahnungen wird die Wirkung der einzelnen Abmahnungen geschwächt, sodass der Arbeitnehmer die Abmahnung irgendwann nicht mehr ernst nimmt. Trifft ein Arbeitgeber die Entscheidung, ein vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers abzumahnen, so empfiehlt es sich, bei einem gleichartigen Fehlverhalten schnell zu handeln und die Kündigung auszusprechen.

10. Was geschieht mit der Abmahnung nach deren Ausspruch?

Eine ausgesprochene Abmahnung ist in die Personalakte des betroffenen Arbeitnehmers aufzunehmen, gleiches gilt für eine etwaige Gegendarstellung des Arbeitnehmers.

11. Wann ist eine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen?

Im Hinblick auf die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte muss zwischen einer rechtswidrigen und einer rechtmäßigen Abmahnung unterschieden werden. Eine Abmahnung, die inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder das angemahnte Verhalten des Arbeitnehmers rechtlich unzutreffend bewertet, ist rechtswidrig. Eine solche Abmahnung ist unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen.

In welchen Fällen eine rechtmäßige Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden muss, hängt nach der Rechtsprechung des BAG vom Einzelfall ab. Es bestehen keine festen Fristen für die Entfernung. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Dokumentation des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens hat. Dies soll dann bejaht werden, wenn es um die Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung oder um die Entscheidung über eine Beförderung oder Versetzung geht. Eine Entfernung der Abmahnung kann daher der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn das missbilligte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht ohne Bedeutung geworden ist. Hierbei zu berücksichtigen sind unter anderem die Schwere des Verstoßes und die vergangene Zeit.

12. Wann ist eine Abmahnung erforderlich bzw. entbehrlich?

Die vorausgegangene Abmahnung stellt bei Kündigungen wegen Pflichtverletzungen im Verhaltens- oder Leistungsbereich eine Wirksamkeitsvoraussetzung dar. Dies gilt, soweit der Vertrauensbereich berührt ist oder es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und die Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Entbehrlich ist eine vorherige Abmahnung nur in Ausnahmefällen.

Eine Abmahnung in grundsätzlich in den folgenden Beispielfällen erforderlich

  • Verstoß gegen betriebliches Rauch-/Alkoholverbot
  • unerlaubte Nebentätigkeit
  • nicht oder nicht rechtzeitige Anzeige bzw. Nachweis der Arbeitsunfähigkeit
  • Führen privater Telefonate/private Internetnutzung während der Arbeitszeit, soweit dies in eingeschränktem Umfang geduldet wurde
  • unentschuldigtes Fehlen
  • „Bagatellverstöße“
  • wiederholte Unpünktlichkeit
  • unerlaubtes Verlassen des Arbeitsplatzes
  • Erledigung privater Angelegenheiten während der Arbeitszeit

Entbehrlich ist eine Abmahnung hingegen in den folgenden Beispielfällen

  • der Arbeitnehmer ist erkennbar nicht willens, sich vertragstreu zu verhalten
  • bei fortgesetzter uneinsichtiger Pflichtverletzung in Kenntnis der Vertragswidrigkeit des Verhaltens
  • bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist (z. B. eigenmächtiger Urlaubsantritt trotz Hinweis des Arbeitgebers auf arbeitsrechtliche Konsequenzen)
  • die Abmahnung verspricht keinen Erfolg
  • bei einer ordentlichen, fristgemäßen Kündigung, soweit noch kein Kündigungsschutz besteht
  • wenn unmittelbar der Vertrauensbereich betroffen ist (Straftaten wie Diebstahl, Betrug, Unterschlagung oder Tätlichkeiten gegenüber oder grobe Beleidigung von Vorgesetzten bzw. des Arbeitgebers, die Ausübung eine Konkurrenztätigkeit, der Verrat von Betriebsgeheimnissen, die Ankündigung einer Erkrankung, etc.)

13. Wie kann der Arbeitnehmer auf eine Abmahnung reagieren?

Der abgemahnte Arbeitnehmer ist nicht gehalten, gegen die Abmahnung vorzugehen. Entscheidet sich der Arbeitnehmer dazu, die Abmahnung zu akzeptieren, erleidet er hierdurch keine Nachteile. Mit der Hinnahme der Abmahnung ist insbesondere kein Anerkenntnis verbunden.

Soweit der Arbeitnehmer hingegen mit der Abmahnung nicht einverstanden ist, sollte er eine schriftliche Gegendarstellung fertigen und dem Arbeitgeber zukommen lassen. Beide Dokumente sind daraufhin zusammen zur Personalakte zu nehmen.

Ferner besteht die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, eine Abmahnung im Rahmen einer gerichtlichen Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen. Im Rahmen eines solchen Klageverfahrens überprüft das Gericht, ob der Sachverhalt, auf den die Abmahnung gestützt wird, ein tauglicher Abmahnungsgegenstand sein kann. Darüber hinaus wird geprüft, ob die Abmahnung inhaltlich bestimmt genug ist.

Die Wirksamkeit einer Abmahnung kann nicht nur durch eine isolierte Klage überprüft werden, sondern auch im Rahmen einer Kündigungsschutzklage, mit der die Kündigung, die sich auf ein bereits abgemahntes, gleichartiges Fehlverhalten stützt, angegriffen werden.


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