Die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten im Baurecht

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In der Baupraxis wird immer wieder danach gefragt, wann Kosten für Privatgutachten erstattungsfähig sind, wenn der Auftraggeber ein solches Privatgutachten vorgerichtlich in Auftrag gegeben hat. Berechtigterweise fragt der Auftragnehmer immer, ob er diese außergerichtlichen Kosten zu ersetzen hat. Anhand der Rechtslage der obergerichtlichen Rechtsprechung sollen die einzelnen Fallgestaltungen dargelegt und voneinander abgegrenzt werden.

Eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten, die durch ein Privatgutachten angefallen sind, liegt dann nicht vor, wenn der Auftraggeber lediglich vorbeugend einen Sachverständigen beauftragt, ein Werk auf Mangelfreiheit und Vollständigkeit zu untersuchen, ohne dass ihm bereits Mängel bekannt sind. Diese Kosten für den Sachverständigen muss der Auftraggeber selbst übernehmen. Dies wird von einigen Auftraggebern in der Baupraxis gerne versucht. Dies sollte man als Auftragnehmer auf jeden Fall abwehren.

Gleiches gilt für den Fall, wenn der Auftragnehmer die Mängel beseitigt hat. In dem Fall muss der Auftragnehmer die Kosten für die nachfolgende Kontrolle durch einen Sachverständigen nicht erstatten. Nach der obergerichtlichen Entscheidung des OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2012 – 22 U 58/12 – dient die abschließende Begutachtung von Mängelbeseitigungsarbeiten durch einen Sachverständigen nicht der Durchführung der Mängelbeseitigung, sondern lediglich der nachfolgenden Kontrolle auf eventuell noch vorhandene Mängel. Dies gilt selbst dann, wenn der Auftragnehmer in der Vergangenheit mangelhaft gearbeitet hat. Eine Ausnahme hiervon ist lediglich dann zu machen, wenn konkrete Umstände dafür vorliegen, die vermuten lassen, dass auch die Mängelbeseitigung fehlgeschlagen ist. Denn in dem Fall handelt es sich bei den Kosten für die Begutachtung auch um Kosten zur Beseitigung des Mangels.

Mithin kann festgestellt werden, dass der Auftraggeber weder vorbeugend einen Sachverständigen auf Kosten des Auftragnehmers noch nachträglich einen Sachverständigen auf Kosten des Auftragnehmers beauftragen kann, wenn die Nachbesserungsarbeiten mängelfrei sind. Nun fragt sich, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber die Erstattung von vorgerichtlichen Sachverständigenkosten von dem Auftragnehmer verlangen kann. Ein solches Verlangen stellt einen Anspruch dar. Ein solcher materiell-rechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung von Privatgutachten erfolgt grundsätzlich aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, dass Gutachterkosten grundsätzlich Mangelfolgeschäden darstellen.

Rechtlich ist ein solcher Erstattungsanspruch bei Bestehen eines Bauvertrages eindeutig als Schadensersatzanspruch einzuordnen. Entscheidende Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass dem Auftragnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine Pflichtverletzung liegt bereits dann vor, wenn der Auftragnehmer die Leistung nicht vollständig oder schlecht erfüllt hat. Schlechterfüllung meint in diesem Zusammenhang, dass der Auftragnehmer eine Mängelverantwortlichkeit trifft. Eine Fristsetzung, die grundsätzlich im Werkvertragsrecht notwendig ist, ist hierbei nicht erforderlich. Als weitere Voraussetzung wird regelmäßig verlangt, dass die Beauftragung des Privatgutachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Auftrags bei objektiver, verständiger Sicht erforderlich erscheinen durfte. Die Rechtsprechung hat als Korrektiv das Element der Erforderlichkeit eingebaut. Die Einholung eines Privatgutachtens ist grundsätzlich erst erforderlich, wenn der Auftraggeber die Mangelerscheinungen gerügt hat und der Unternehmer das Vorhandensein eines Mangels bzw. seine Verantwortlichkeit für diesen Mangel geleugnet oder auf die Rüge nicht reagiert hat.

Also nur dann, wenn der Auftragnehmer den Mangel ignoriert, darf der Auftraggeber einen Sachverständigen einschalten. Dies korrespondiert auch grundsätzlich mit der Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Denn grundsätzlich ist der Auftraggeber nach der Symptomrechtsprechung nur gehalten, die Mangelerscheinungen zu bezeichnen. Dazu bedarf es grundsätzlich keiner Sachverständigenhilfe. Eine Ursachenermittlung muss der Auftraggeber nach der Symptomrechtsprechung nicht leisten. Deshalb sind in der Vergangenheit einzelne Gerichte, wie das Oberlandesgericht Koblenz dazu übergegangen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten verneint wird, da durch den Auftraggeber nur die Mangelerscheinungen zu rügen waren.

Auf diese Rechtsprechung sollte sich der Auftragnehmer jedoch nicht verlassen, da die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung ganz klar davon ausgeht, dass die Einholung eins Sachverständigengutachtens erforderlich ist, wenn der Auftragnehmer die Mängelrüge des Auftraggebers ignoriert. Dies ist der Maßstab, den die Rechtsprechung für den Ersatz von Gutachterkosten ansetzt.

Hinzu kommt eine weitere Hürde für den Auftraggeber, die jedoch nicht zu hoch anzusetzen ist. Bei Mängeln von untergeordneter Bedeutung ist es dem Auftraggeber aus Schadensminderungsgesichtspunkten wiederum verwehrt, Sachverständigengutachten auf Kosten des Auftragnehmers einzuholen. Deshalb müssen die Mängel schon von erheblicher Bedeutung sein.

Somit kann man zusammenfassend die Rechtsprechung dahingehend feststellen, dass eine Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens immer dann bejaht wird, wenn ein Mangel festgestellt wird, dieser Mangel nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist und der Auftragnehmer diesen Mangel ignoriert. In dem Fall wird der Auftragnehmer immer zur Erstattung der vorgerichtlichen Sachverständigenkosten verpflichtet sein.

Weiter fragt sich in dem Zusammenhang natürlich auch, ob der Auftragnehmer seinerseits berechtigt ist, einen Sachverständigen im vorgerichtlichen Stadium einzuschalten, wenn es darum geht, einen Mängelvorwurf abzuwehren und sich tatsächlich herausstellt, dass dieser Mängelvorwurf durch den Auftraggeber unberechtigt war. In diesem Fall müsste damit ebenfalls eine Anspruchslage im Verhältnis des Auftragnehmers zum Auftraggeber vorhanden sein. Eine solche Anspruchsgrundlage findet sich im Zivilrecht jedoch nicht. Weder das BGB noch die VOB kennt einen solchen Anspruch. Das heißt, dass der Auftragnehmer grundsätzlich auf seinen vorgerichtlich verauslagten Sachverständigenkosten, die er zu seiner Entlastung aufgebracht hat, sitzen bleibt, es sei denn, es gibt eine Vereinbarung über die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten mit dem Auftraggeber.

Die einzige Möglichkeit für den Auftragnehmer besteht darin, darauf hinzuwirken, dass die in einem gerichtlichen Verfahren angefallenen Privatgutachterkosten hinterher bei der Kostenfestsetzung erstattungsfähig anzusetzen sind. Nur in einem gerichtlichen Verfahren kann der Auftragnehmer die Erstattungsfähigkeit dieser außergerichtlich entstandenen Sachverständigenkosten herbeiführen, wenn sich herausstellt, dass die Mängel nicht bestehen und der Auftraggeber deshalb die Klage verliert. So sind nach OLG Köln Beschluss vom 06.03.2009 – 17 W 18/09 – die Kosten für den Privatsachverständigen, die der Auftragnehmer eingeschaltet hat, dann zu ersetzen, wenn der Privatsachverständige durch den Auftragnehmer zu seiner Unterstützung anlässlich der Erläuterung des gerichtlich bestellten Sachverständigengutachtens in der mündlichen Anhörung herangezogen wird. Derartige Kosten sind nach der Entscheidung des OLG Köln immer dann erstattungsfähig, wenn eine Partei auf andere Weise nicht in der Lage war, die Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erschüttern.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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