Die Haftung des Aufsichtsrats (Teil 2)

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II. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates

1. Überwachung des Vorstands

Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Er hat dabei zunächst die vom Vorstand bereits durchgeführte Tätigkeit zu kontrollieren.

Wesentliche Bedeutung ist dabei der Prüfung des Jahresabschlusses bzw. Lageberichts beizumessen. Zudem muss der Aufsichtsrat erklären, ob der Vorstand seiner Pflicht zur Compliance-Organisation nachkommt. Konkret bedeutet dies, dass der Aufsichtsrat sich vergewissern muss, dass sich sämtliche Vorstandsmitglieder regelgerecht verhalten und für den Aufbau einer Compliance-Organisation gesorgt haben.

Im Zentrum der System- und Planüberwachung steht regelmäßig ein „Soll-Ist-Vergleich“, mithin die Prüfung, welche selbstgesteckten oder aufgetragenen Ziele der Vorstand erreicht bzw. nicht erreicht hat. Üblich ist in diesem Zusammenhang neben dem Gesamtjahres- auch ein quartalsmäßiger Rückblick.

Der Aufsichtsrat hat insoweit die Arbeit der Geschäftsleitung unter verschiedenen Gesichtspunkten zu würdigen, insbesondere unter dem Aspekt der

  • Rechtmäßigkeit (hält sich der Vorstand an Gesetz und Satzung?),
  • Ordnungsmäßigkeit (wird die Gesellschaft nach betriebswirtschaftlich anerkannten Erkenntnissen und Erfahrungen geleitet?),
  • Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (ist die Liquidität der Gesellschaft gesichert? Ist das Unternehmen angemessen finanziert? Ist die Ertragskraft ausreichend?).

Die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat stößt dabei an Grenzen. Der Aufsichtsrat ist auf die Überwachung der Unternehmensleitung durch den Vorstand beschränkt. Er ist nicht berechtigt, direkt in Geschäftsführungsmaßnahmen einzugreifen oder diese selbst auszuführen. Der Aufsichtsrat hat infolgedessen keine Überwachungs- und Einwirkungskompetenz im Hinblick auf das operative Geschäft. Die Kontrolle wird im Übrigen nur gegenüber dem Vorstand ausgeübt, nicht gegenüber dem diesen nachrangigen Personen.

Insgesamt muss der Aufsichtsrat das breite unternehmerische Ermessen des Vorstands bei der Leitung des Unternehmens berücksichtigen.

Der Aufsichtsrat muss nicht im Unternehmen selbst körperlich aktiv überwachen und prüfen. Sein Mandat ist nebenberuflich ausgestaltet. Er erfüllt seine Aufgaben im Wesentlichen dadurch, dass er die regelmäßigen Berichte der Unternehmensleitung und die sonstigen Vorlagen (vgl. § 90 AktG) auf die genannten Überwachungsaspekte hin studiert. Der Aufsichtsrat darf zudem die Überwachungsintensität an die jeweilige Lage der Gesellschaft anpassen. Gewöhnlich genügt für die Ausübung seiner Überwachungsaufgabe eine Orientierung an der regelmäßigen oder Ad-hoc-Berichterstattung durch den Vorstand und das sorgfältige Studium der Berichte nebst anschließender Erörterung im Aufsichtsrat.

Natürlich müssen sich die Mitglieder des Aufsichtsrats selbst auch regelgerecht verhalten. Soweit sich Pflichtwidrigkeiten des Vorstands ergeben, hat der Aufsichtsrat Ersatzansprüche gegen den Vorstand zu prüfen und ggf. über die Anspruchsverfolgung zu entscheiden.

Im Übrigen ist die Kontrolle des Aufsichtsrats durchaus auch präventiv angelegt. Vor diesem Hintergrund muss er sich auch in die Planung der künftigen Geschäftsentwicklung einbringen.

2. Zustimmungspflichtige Geschäfte

§ 111 Abs. 4 AktG stellt klar, dass dem Aufsichtsrat Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden können. Der Aufsichtsrat ist allerdings gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet, zustimmungspflichtige Geschäfte festzulegen. Er kann sich also ein Vetorecht einräumen, durch welches er unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung des Vorstands nimmt. Die Regelung soll sicherstellen, dass der Aufsichtsrat bei wesentlichen Maßnahmen in die Willensbildung eingebunden wird. Gedacht ist hierbei beispielsweise an Maßnahmen, die grundlegende Veränderungen der Vermögenslage der Gesellschaft mit sich bringen. Eine vom Aufsichtsrat verweigerte Zustimmung kann von der Hauptversammlung gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG ersetzt werden.

3. Berichte an den Aufsichtsrat

Nach § 90 AktG muss der Vorstand dem Aufsichtsrat regelmäßig über die Geschäfte, die beabsichtigte Geschäftspolitik, die Rentabilität der Gesellschaft und die generelle Umsatzlage berichten. Dabei bedürfen die Berichte grundsätzlich der Textform, wobei eine klare Gliederung, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit (selbstverständlich auch sachliche Richtigkeit) zu fordern ist. Die Berichte des Vorstands sind über den Aufsichtsratsvorsitzenden an die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats zu verteilen. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann vom Vorstand zusätzliche Berichte an den Aufsichtsrat verlangen. Hiermit wird deutlich, dass der Aufsichtsrat selbst dafür verantwortlich ist, die erforderlichen Informationen vom Vorstand zu erhalten. § 90 AktG normiert hierdurch also nicht nur ein Informationsrecht, sondern auch eine Informationspflicht!

4. Vertragsschluss mit Vorstandsmitgliedern

Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und handelt mit diesem die Vorstandsverträge aus (§§ 84, 87 AktG). Der Aufsichtsrat hat dabei dafür zu sorgen, dass die Gesamtvergütung angemessen ist.

5. Sonstige Aufgaben und Pflichten

Aus dem Aktiengesetz ergeben sich weitere Pflichten, so etwa die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses (§ 171 Abs. 1 AktG), das Recht (die Pflicht) zur Einberufung der Hauptversammlung, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert, die Kontrolle des Risiko-Überwachungs-System des Vorstands sowie die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht.


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