Die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung im Werkrecht und Kaufrecht

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Die Unterscheidung zwischen Kauf- und Werkvertrag spielt insbesondere mit Blick auf die dem Werkbesteller bzw. Käufer im Falle einer mangelhaften Vertragsleistung zustehenden Gewährleistungsrechte eine herausragende Rolle. 

Während im Werkvertragsrecht durch § § 634 Nr. 2 i.V.m. § 637 BGB eine eindeutige explizite Regelung zur Selbstvornahme durch den Besteller geschaffen wurde, gehört die Frage, ob der Käufer bei Vorliegen eines Mangels diesen im Wege der eigenmächtigen Selbstvornahme beseitigen und die dadurch entstandenen Vermögensaufwendungen ersetzt verlangen kann, zu den meist diskutierten Problemen der Schuldrechtsmodernisierung und ist Gegenstand dieses Beitrags. 

Unterscheidung Werk- und Kaufvertragsrecht  

Der Werkvertrag ist gem. § 631 Abs. 1 BGB durch die Pflicht des Werkunternehmers gekennzeichnet, das dem Besteller versprochene Werk herzustellen und der des Bestellers, die vereinbarte Vergütung zu entrichten. Das Vorliegen eines Kaufvertrags ist hingegen anzunehmen, wenn der Verkäufer zur Übergabe und Eigentumsverschaffung einer bereits bestehenden Sache und der Käufer zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises sowie zur Abnahme der gekauften Sache verpflichtet ist, vgl. § 433 BGB.

Selbstvornahme im Werkvertragsrecht 

Gem. § 634 Nr. 2 i.V.m. § 637 BGB kann der Werkbesteller bei Mangelhaftigkeit des bestellten Werkes den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn eine durch den Besteller dem Unternehmer gesetzte Frist zur Nacherfüllung erfolglos abläuft oder eine Fristsetzung nach Maßgabe des § 637 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich ist. 

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Werkbesteller den Mangel selbst beseitigen, bzw. (durch ein Drittunternehmen) beseitigen lassen und von dem Werkunternehmer den Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen und darüber hinaus bereits im Voraus einen Vorschuss verlangen, vgl. § 637 Abs. 3 BGB. Der Anspruch ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Werkunternehmer bereits die Nacherfüllung zurecht verweigert, vgl. § 637 Abs. 1 BGB. 

Selbstvornahme im Kaufvertrag 

Erbringt der Verkäufer eine i.S.d. § 434 BGB mangelhafte Leistung, dann ist er gegenüber dem Käufer gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Mangel nach dessen Wahl  zu beseitigen oder eine mangelfreie Sache zu liefern. Nimmt der Käufer die Mängelbeseitigung nun aber eigens vor, so stellt sich die Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen dem Käufer ein Ersatzanspruch gegenüber dem Verkäufer zusteht. Anders als im Werkvertragsrecht (vgl. § 634 Nr. 2 BGB i.V.m. § 637 BGB) ist im Kaufrecht bei Selbstvornahme ausdrücklich kein Ersatzanspruch für gemachte Aufwendungen vorgesehen. Einen solchen könnte der Käufer jedoch gegebenenfalls über bestehende kaufrechtliche Vorschriften herleiten. 

Aufwendungsersatz aus § 439 Abs. 2 BGB 

Eine solche Herleitung könnte über § 439 Abs. 2 BGB erfolgen, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, tragen muss. Ein solcher Anspruch scheidet jedoch bereits nach dem bloßen Gesetzeswortlaut aus, da es sich bei der Selbstvornahme nicht um Kosten handelt, die im Wege der Nacherfüllung entstehen, da diese ein Recht des Käufers gegen den Verkäufer ist und somit zumindest durch eben jenen veranlasst werden muss. § 439 Abs. 2 BGB kommt somit nur dann als eigenständiger Anspruch zum Tragen, wenn der Käufer nach Rücksprache mit dem Verkäufer einzelne der Nacherfüllung dienende Handlungen vornimmt. 

Schadensersatz statt der Leistung 

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch könnte sich als Schadensersatz statt der Leistung aus § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 281 BGB ergeben, wenn die Voraussetzungen der genannten Vorschriften gegeben sind. Die erfolgreiche Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs setzt jedoch das erfolglose Verstreichen einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus. Nimmt der Käufer die Mängelbeseitigung selbst vor, so tut er dies ohne den Verkäufer überhaupt zur Leistung aufgefordert zu haben. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen nicht erbrachter Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 3 i.Vm. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB scheidet jedenfalls deshalb aus, da auch im Rahmen des § 283 BGB den Schuldner eine Ersatzpflicht nur dann trifft, wenn er die Pflichtverletzung - objektive Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Nachbesserung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB - zu vertreten hat. Die sog. Zweckerreichung fällt jedoch aufgrund eigenmächtiger Selbstvornahme in den Verantwortungsbereich des Käufers. Ein Anspruch wegen Schadensersatz statt der Leistung ist folglich in jedem Fall zu verneinen. 

Minderung 

Eine weitere Möglichkeit wäre einen Teil des bereits gezahlten Kaufpreises durch Minderung gem. § 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB i.V.m. § 441 Abs. 1, 4 BGB zurückzufordern und somit einen Ausgleich für die auf Käuferseite getätigten Aufwendungen zu schaffen. Eine Minderung des Kaufpreises kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dem Käufer ein mangelbedingtes Rücktrittsrecht zusteht. Mangels einer für den Rücktritt erforderlichen Nachfristsetzung, vgl. § 323 Abs. 1 Alt. 2 BGB, scheidet ein Minderungsrecht des Käufers jedoch aus. Auch lässt sich der Rücktritt und somit die Minderung nicht auf § 326 Abs. 5 BGB stützen, da der Käufer für die Umstände, die zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung geführt haben, selbst verantwortlich ist (§ 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB). 

§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB analog 

Fraglich ist die analoge Anwendbarkeit der Selbstvornahmevorschriften des Werkvertragsrechts. Neben dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke bedürfte es hierzu einer vergleichbaren Interessenlagen. Aus den Gesetzesmaterialien geht indes hervor, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen ein Selbstvornahmerecht des Käufers entschieden hat. Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften scheidet somit bereits mangels planwidriger Regelungslücke aus. 

Anspruch aus §§ 326 Abs. 2 S. 2, 326 Abs. 4, 346 ff. BGB analog 

Stark diskutiert wird die Herleitung eines Ausgleichsanspruchs über die §§ 326 Abs. 2 S. 2, 326 Abs. 4, 346 ff. BGB. Gem. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB behält der Schuldner (Verkäufer) entgegen § 326 Abs. 1 BGB unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch auf die Gegenleistung auch dann, wenn die ihm obliegende Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB entfallen ist. Gem. § 326 Abs. 2 S. 2 BGB muss er sich allerdings dasjenige anrechnen lassen, was er durch die Leistungsbefreiung erspart. Hieraus ließe sich ein Anspruch des Käufers herleiten, der dem Verkäufer durch die Selbstvornahme der erforderlichen Nacherfüllungshandlung die eigentlich ihm obliegenden Aufwendungen erspart. Insbesondere im Schrifttum wird für die Heranziehung des § 326 Abs. 2 S. 2 BGB plädiert. Dem hinter der Vorschrift stehenden Rechtsgedanken sei ein Gebot der Gerechtigkeit zu entnehmen, da die Selbstvornahme dem Verkäufer nicht zum unverdienten Vorteil gereichen soll. Dem steht jedoch die Abschlussfunktion der in §§ 437 ff. BGB geregelten Rechtsbehelfe entgegen. Der Rückgriff auf allgemeine Vorschriften ist somit versperrt. Überdies bedeutete eine Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 2 BGB eine Honorierung der eigenmächtigen Selbstvornahme ohne dass der Käufer, wie im Kaufrecht allgemein geltend, eine Frist zur Nacherfüllung setzen müsste. Dies bedeutete eine Missachtung des nicht zu unterlaufenden Rechts des Verkäufers auf zweite Andienung. Eine Herleitung des Ausgleichsanspruchs über §§ 326 Abs. 2 S. 2, 326 Abs. 4, 346 ff. BGB ist somit zu verneinen. 

Fazit

Ob bei Vorliegen eines Kaufvertrages der Käufer im Wege der Selbstvornahme bestehende Mängel selbst beseitigen und den dafür aufgewendeten Betrag ersetzt verlangen kann, ist nach wie vor sehr umstritten. Der Blick sollte indes besonders auf die gesetzliche Systematik gerichtet werden. Räumte man dem Käufer ohne Rücksicht auf das Fristsetzungserfordernis ein Selbstvornahmerecht ein, würden die §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB weitgehend leer laufen. 

Foto(s): ©Adobe Stock/volkovslava

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