Die schlafende Ehefrau als Opfer eines sexuellen Missbrauchs

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Das neue Sexualstrafrecht

Über das neue Sexualstrafrecht ist seit dem Inkrafttreten im November 2016 viel diskutiert und geschrieben worden. Mit den neuen Regelungen sollte der Grundsatz „Nein heißt Nein“ eine rechtliche Stütze bekommen. So stellt § 177 StGB nun einen einheitlichen Straftatbestand da, der die Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und den sexuellen Übergriff umfasst.

Die Rechtsprechung seit Inkrafttreten der Regelungen sollte zeigen, ob die vielfach umstrittene neue Struktur der Straftatbestände die Erwartungen erfüllen und tatsächlich eine Strafschärfung nach sich zieht.

§ 177 StGB schützt noch immer die sexuelle Selbstbestimmung. Gemäß der neuen Fassung des § 177 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahre bestraft, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt.

Gegen den Willen einer Person

Grundgedanke dieser neuen Gesetzesfassung ist es, dass die sexuelle Selbstbestimmung im Unterschied zur alten Fassung des Sexualstrafrechts nicht nur bei eingeschränkter körperlicher Abwehrfähigkeit oder Willensmängeln, sondern bei jeder sexuellen Handlung geschützt werden muss, soweit diese gegen den Willen einer Person erfolgt.

Der damals in § 179 StGB geregelte sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wird nun ebenfalls durch den Tatbestand des § 177 StGB geregelt. Die Widerstandsunfähigkeit wurde durch die „Unfähigkeit, einen entgegenstehenden Willen zu äußern oder zu bilden“ ersetzt.

Strafbar ist daher jede sexuelle Handlung an einer anderen Person, wenn diese nicht einwilligt.

Dies wirft vielerlei Fragen auf, insbesondere hinsichtlich sexueller Handlungen im Alkoholrausch. Mit der fehlenden Einwilligung oder der Fähigkeit, einen Willen zu bilden, beschäftigt sich § 177 Abs. 2 StGB.

Dort heißt es, dass auch strafbar ist, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt und ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern oder aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist. Erfasst werden hiervon Zustände der Bewusstlosigkeit, des Schlafes oder eines schweren Drogen- oder Alkoholrausches. Anders verhält sich dies jedoch, wenn sich der Beschuldigte der Zustimmung der Person versichert. 

Die Entscheidung

Eine solche Zustimmung hatte der Beschuldigte in dem zugrundeliegenden Sachverhalt des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2013 – 5 StR – 613/12 bei seiner schlafenden Sexualpartnerin angenommen. Die Lebenspartnerin hatte ihren Verlobten wegen vorsätzlicher Ausnutzung ihrer Widerstandsunfähigkeit im Schlaf angezeigt.

Das Ergebnis des Bundesgerichtshofs

Nach alter Fassung der Straftatbestände hat der Bundesgerichtshof in diesem Fall ein Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit verneint.

Hintergrund dessen war das ambivalente Verhalten der Lebenspartnerin. Die Beziehung war einerseits von demütigendem und gewalttätigem Verhalten geprägt, die letztlich zur Festnahme des Beschuldigten aufgrund der Anzeige seiner Lebenspartnerin geführt hatte.

Anderseits, und dies hatte sogar der Bundesgerichtshof angemerkt, hatte sich die Lebenspartnerin immerzu widersprüchlich verhalten, da sie trotz mehrfacher unerwünschter sexueller Handlungen an der Beziehung festhielt. Zumal hatte sich die Lebenspartnerin des Beschuldigten trotz eigener Wohnung fortlaufend bewusst durch gemeinsames Zubettgehen in die Tatausgangsituation begeben.

So konnte das fehlende Einverständnis und insbesondere das vorsätzliche Ausnutzen der Lage in diesem Fall nach alter Rechtsprechung nicht belegt werden. Vielmehr führte der Bundesgerichtshof zum damaligen Zeitpunkt an, dass es an der vorsätzlichen Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit einer Person fehlt, wenn der Täter die Einwilligung einer schlafenden Person angenommen hat.

Die Neufassung des § 177 StGB 

Dagegen ist angesichts der Neufassung des § 177 Abs. 2 StGB und der damit einhergehenden Strafschärfung zu berücksichtigen, dass dieser Sachverhalt heute möglicherweise anders zu werten wäre.

Insbesondere wirft hier auch das Merkmal des § 177 Abs. 2 Nr.2 StGB, die Versicherung der Zustimmung durch den Sexualpartner, vielerlei Fragen auf.

Dies ergibt sich insbesondere aus der zusätzlichen Einschränkung durch den § 177 Abs. 2 Nr.2 StGB, in dem es heißt: „es sei denn der Täter hat sich der Zustimmung dieser Person versichert“. Der schlafende Zustand der Lebenspartnerin wäre daher unter Umständen als Unfähigkeit, einen entgegenstehenden Willen zu äußern oder zu bilden, anzusehen. 

Strafbar macht sich also derjenige, der sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person vornimmt. Gleichermaßen macht sich jedoch derjenige strafbar, der an einer äußerungsunfähigen Person, wie etwa an einer schlafenden Person, sexuelle Handlungen vornimmt, selbst wenn diese mit deren Willen vorgenommen werden.

Nach der Neufassung von § 177 Abs. 2 StGB wird es somit schwieriger, von einer Einwilligung in sexuelle Handlungen auszugehen.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht 

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren als Strafverteidiger im Bereich des Sexualstrafrechts deutschlandweit auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich im Zusammenhang mit Sexualstrafrecht strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.

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