Earn out - variabler Kaufpreis für Unternehmensverkäufe

  • 5 Minuten Lesezeit

1. Earn out als Kompromisslösung

Unter einem klassischen Earn-out versteht man einen variablen Kaufpreis im Rahmen einer Unternehmenstransaktion, der vom Erreichen bestimmter Meilensteine abhängt, insbesondere vom Vorliegen künftiger Finanzkennzahlen des Zielunternehmens.

Tritt ein Finanzinvestor als Käufer auf, werden nicht selten Earn-outs eingesetzt, die nicht auf künftige Finanzkennzahlen des Zielunternehmens abstellen, sondern auf den Veräußerungserlös, den der Käufer bei Weiterveräußerung des Zielunternehmens erzielt und zu einem Teil an den Verkäufer abführen muss.

Earn outs kommen insbesondere in folgenden Situationen zum Einsatz:

  1. Unterschiedliche Vorstellungen über den Wert des Unternehmens: wenn zwar der Verkäufer verkaufen will, aber der Käufer nicht das volle Risiko einer günstigen Unternehmensentwicklung in Form eines fixen Kaufreises tragen möchte, können Meinungsverschiedenheiten über den Kaufpreis dadurch überwunden werden, dass der zur Diskussion stehende Teil des Kaufpreises nur bei Eintritt der vertraglich definierten Meilensteine fällig wird. Ursache für unterschiedliche Auffassungen über den Unternehmenswert sind häufig bestehende Informationsasymmetrien: während der Verkäufer das Zielunternehmen genau kennt, kann der Käufer diesen Informationsvorsprung im Zuge der Prüfung des Unternehmens (Due Diligence) nur teilweise aufholen. Damit der Verkäufer keine übermäßigen Bewertungsabschläge hinnehmen muss, stimmt er der Vereinbarung eines Earn outs zu.
  2. Stark schwankende Erträge und Krisensituationen: indem der variable Kaufpreis nur bei günstiger Entwicklung des Zielunternehmens zahlbar ist.
  3. Schließung von Finanzierungslücken: da der variable Kaufpreis während der Earn out-Phase gestundet ist.

Alternativen zu einem Earn out, wie der Verkäufer an der zukünftigen Entwicklung des Zielunternehmens beteiligt werden kann, bestehen:

  • in der Rückbeteiligung des Verkäufers am Zielunternehmen, oder
  • der Vereinbarung von Optionsvereinbarungen, wonach der Käufer einen Teil der Gesellschaftsanteile erst später erwirbt.

2. Vorteile und Nachteile von Earn outs

a. Für den Verkäufer

Vorteile:

  • Chance auf Erzielung eines höheren Kaufpreises durch Partizipation an günstiger Unternehmensentwicklung

Nachteile:

  • Risiko einer nachteiligen Entwicklung des Zielunternehmens
  • Risiko, dass der Käufer die relevanten Finanzkennzahlen zum Nachteil des Verkäufers beeinflusst -> vertragliche Absicherung im Unternehmenskaufvertrag und Kontrolle des Zielunternehmens erforderlich

b. Für den Käufer

Vorteile:

  • Höhere Sicherheit für die Angemessenheit des Kaufpreises
  • Finanzierung des variablen Kaufpreises aus dem Cashflow des Zielunternehmens
  • Erleichterung der Finanzierung durch Stundung des variablen Kaufpreises

Nachteile:

  • Kontrolle durch den Verkäufer während der Earn out-Phase -> Konfliktpotential durch vertraglich zu regelnde Streitschlichtung im Anteilskaufvertrag (SPA) reduzieren
  • Vertragliche Beschränkungen zum Schutz des Verkäufers reduzieren die unternehmerische Freiheit des Käufers und erschweren die Integration des Zielunternehmens während der Earn out-Phase

3. Inhaltliche Gestaltung des Earn outs

a. Festlegung des Earn outs

Es ist essentiell, dass die den Earn out auslösenden Kennzahlen und die Höhe des Earn outs so präzise wie möglich festgelegt werden.

Als relevante Unternehmenskennzahl kommt zum einen der Umsatz in Betracht, der jedoch wenig über den Erfolg des Zielunternehmens aussagt, weshalb man in der Regel auf die Ergebnisentwicklung des Zielunternehmens abstellt. Der Gewinn des Zielunternehmens ist zwar aussagekräftiger, kann indes leicht durch den Käufer beeinflusst werden, weshalb zum Schutz des Verkäufers häufig der EBIT oder EBITDA (earnings before interest, tax / depreciation and amortization) des Zielunternehmens herangezogen wird, da hierdurch Ergebniseffekte aufgrund Finanzierung des Zielunternehmens, seiner steuerlichen Belastung und beim EBITDA auch infolge von Abschreibungen eliminiert werden. Die Zusammensetzung des EBIT bzw. EBITDA sollte im Vertrag bestimmt werden. Die Earn out-Phase sollte zur Reduzierung des Konfliktpotenzials möglichst kurzgehalten werden (ein bis drei Jahre).

Bezieht sich der Earn out auf den zukünftigen Veräußerungserlös des Käufers, wird als relevante Kennzahl der Faktor herangezogen, um den das zum Erwerb des Zielunternehmens eingesetzte Kapital des Käufers bei Veräußerung des Zielunternehmens vervielfacht wird - sog. Multiple of Money oder Multiple of Capital.

Sind die Meilensteine erreicht, muss genau geregelt sein, welchen Betrag der Käufer erhält und ob dieser ggf. nach oben hin durch ein Cap beschränkt sein soll. Zudem müssen die Zahlungsmodalitäten festgelegt werden, z.B. Zahlung des Earn outs periodisch oder am Ende der Earn out-Phase sowie Verzinsung des Earn outs.

Ergibt sich die Notwendigkeit eines Earn outs bereits in frühen Verhandlungsphasen können die Grundsätze bereits im Letter of Intent (Absichtserklärung) vorgespurt werden.

b. Rechnungslegung

Zur Streitvermeidung sollten die anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätze definiert werden, z.B. dass die Jahresabschlüsse in Übereinstimmung mit den Vorschriften des HGB und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Wahrung der Bewertungs- und Bilanzkontinuität aufgestellt werden.

Daneben können dem Verkäufer Mitwirkungsrechte bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse eingeräumt oder ein Business Plan für die Earn out-Phase vereinbart werden. 

Zudem kann die Prüfung der Jahresabschlüsse durch einen Wirtschaftsprüfer vereinbart werden, wenn nicht das Zielunternehmen ohnehin bereits prüfungspflichtig ist.

c. Verkäuferschutz

Der Verkäufer hat ein Interesse daran, die unternehmerische Freiheit des Käufers nach Erwerb der Zielgesellschaft dahingehend einzuschränken, dass der Käufer die relevanten Kennzahlen nicht zum Nachteil des Verkäufers manipulieren kann.

Daher sollten Geschäftsvorfälle, die nur der Beeinflussung der für den Earn out relevanten Kennzahlen dienen, eliminiert und rechnerisch zurückgedreht werden, z.B. Phasenverschiebung von Ergebnissen; Abschluss von Geschäften, die einem Drittvergleich nicht standhalten etc.

d. Strukturmaßnahmen

Bei Strukturmaßnahmen, wie Verschmelzungen, Spaltungen und dem Erwerb weiterer Unternehmen, wird eine Neutralisierung der für den Earn out relevanten Kennzahlen häufig praktisch kaum möglich sein. In diesen Fällen kann sich eine Regelung anbieten, nach der bei derartigen Maßnahmen der gesamte Earn out sofort fällig wird.

e. Überprüfung des Earn outs und Streitschlichtung

Da trotz ausführlicher Regelung des Earn outs stets Auslegungsfragen und unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bestehen, beinhalten Earn outs ein gewisses Konfliktpotential.

Der Verkäufer sollte die vertraglich vereinbarte Möglichkeit haben, die Berechnung des Earn outs überprüfen zu können, insbesondere durch Prüfung der dem Earn out zugrundeliegenden Jahresabschlüsse und Buchungskonten. Hierzu sind dem Verkäufer entsprechende Auskunfts- und Informationsrechte einzuräumen. 

Entstehen zwischen den Parteien unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten über die Berechnung des Earn outs sollte der Vertrag vorsehen, dass der Earn out durch einen neutralen Schiedsrichter (Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater) geprüft und für die Parteien verbindlich festgelegt wird.

4. Fazit

Der Earn out stellt eine häufig verwandte Gestaltung dar, um einen möglichen Kompromiss bei abweichenden Vorstellungen über den Unternehmenswert zu finden oder zur Überwindung von Finanzierungslücken. Der Earn out kann somit in schwierigen Verhandlungen eine Brücke zur Einigung zwischen den Parteien bauen.

Die Ausgestaltung des Earn outs sollte vertraglich genau und ausführlich dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten z.B. über die Berechnung des Earn outs zu vermeiden. Hierbei sollte sich der Verkäufer vertraglich dagegen absichern, dass der Käufer die für den Earn out relevanten Finanzkennzahlen im Nachhinein zum Nachteil des Verkäufers beeinflusst.


Ich berate Sie gerne bei der Prüfung und Gestaltung eines Earn outs.

Mit besten Grüßen, RA Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.


Foto(s): Freudenberg Law


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Rainer Freudenberg LL.M.

Beiträge zum Thema