Elternzeit und Beförderung

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Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 07.09.2017 (Rechtssache C174/16) die Frage geklärt, ob die vor Beginn der Elternzeit erworbenen Rechte oder Anwartschaften bestehen bleiben oder verfallen können.

Die Ausgangslage

Paragraf 5 („Arbeitnehmerrechte und Nichtdiskriminierung“) der überarbeiteten Rahmenvereinbarung von 18. Juni 2009 bestimmt:

1. Im Anschluss an den Elternurlaub hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, eine entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis gleichwertige oder ähnliche Arbeit zugewiesen zu bekommen.

2. Die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bleiben bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen. Im Anschluss an den Elternurlaub finden diese Rechte mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten ergeben.

Die entsprechende Regelung im Beamtengesetz (§ 97 Abs. 4 LBG) des Landes Berlin lautete auszugsweise:

„Mit erfolgreichem Abschluss der Probezeit ist der Beamtin oder dem Beamten das Amt … auf Dauer im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übertragen. Wird das Amt nicht auf Dauer übertragen, so endet der Anspruch auf Besoldung aus diesem Amt. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.“

Der Fall

Eine Beamtin des Landes Berlin konnte die Probezeit, die sie nach Abschluss des Auswahlverfahrens und vor der endgültigen Versetzung auf die höhere Besoldungsstufe absolvieren musste, wegen der von ihr genommenen Elternzeit nicht antreten. Das Landesverwaltungsamt Berlin teilte daraufhin der Beamtin mit, dass ein erfolgreicher Abschluss der zweijährigen Probezeit im übertragenen Amt nicht feststellbar sei, da sie dieses Amt nicht wahrgenommen habe und dass ihr Beamtenverhältnis auf Probe somit nach § 97 Abs. 4 LBG geendet habe. Sie wurde wieder in ihre vormalige, niedrigere Beschäftigung verwiesen. Die Beamtin legt hiergegen zunächst Widerspruch und, da dieser nicht in ihrem Sinne verbeschieden wurde, Klage zum Verwaltungsgericht ein. Das Verwaltungsgericht hatte insbesondere Zweifel, ob § 97 LBG mit Paragraf 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung vereinbar ist, wonach die Rechte, die der Arbeitnehmer erworben habe oder dabei gewesen sei zu erwerben, bestehen blieben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass die Bestimmungen in § 97 LBG Rechtsvorschriften im Sinne von Paragraf 5 Nr. 2 Satz 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung darstellen, aus denen sich nach dem Elternurlaub Änderungen der Rechte des Arbeitnehmers ergeben könnten. Wegen dieser Zweifel hat das Verwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Beantwortung und Entscheidung vorgelegt.

Die Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass § 97 LBG im vorliegenden Fall dazu führt, dass die Beamtin aufgrund des von ihr in Anspruch genommenen Elternurlaubs keine Möglichkeit hatte, die Probezeit und damit ihre Befähigung zur Wahrnehmung des von ihr angestrebten höheren Amts mit leitender Funktion nachzuweisen und dieses Amt gegebenenfalls im Anschluss an die Probezeit, für die sie vor ihrem Elternurlaub ausgewählt worden war, endgültig übertragen zu bekommen. § 97 LBG ist daher geeignet, einen Arbeitnehmer davon abzuhalten, Elternurlaub zu nehmen, da ansonsten der Verlust der vor Beginn der Elternzeit erworbenen Anwartschaften (hier die Beförderung in einen höheren Grad auf Probe) droht. § 97 LBG verstößt daher gegen Paragraf 5 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung. Folge hiervon ist, dass die Verweisung auf die vorherige Beschäftigung rechtswidrig war. Das Land Berlin hätte Vorsorge treffen müssen, dass die Beamtin nach der Rückkehr aus der Elternzeit die Probezeit hätte absolvieren können.

Die spannende Frage, wie lange eine Stelle vorzuhalten ist, also für die Beamtin freigehalten werden musste, beantwortet der EuGH klar: So lange, wie aufgrund der nationalen Gesetzgebung das Recht auf Elternzeit gewährt wird, in Deutschland also bis zu drei Jahre. Das Argument des beklagten Landes Berlin, ein Freihalten eines Arbeitsplatzes bis zu einer Dauer von drei Jahren können gerade bei größeren Arbeitgebern, wie es das Land Berlin unstreitig sei, den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb des Landes gefährden und im privaten Sektor sogar die Existenz eines Unternehmens bedrohen, folgte der EuGH nicht. Der nationale Gesetzgeber hat unter Beachtung der europarechtlichen Vorgaben (Paragraf 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung) entschieden, dass Eltern bis zu einer Dauer von drei Jahren Elternzeit nehmen dürfen. Diese Regelung darf nicht durch eine Regelung wie § 97 LBG, die möglicherweise Eltern von der Inanspruchnahme der dreijährigen Elternzeit abhalten könnte, untergraben werden.

Die Entscheidung des EuGH erging zwar ausdrücklich über eine Vorschrift im öffentlichen Dienst, ist aber auf den privatwirtschaftlichen Sektor übertragbar, da Paragraf 1 Nr. 1 und 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung ausdrücklich für „alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gemäß den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen“ Geltung hat.

Philip Keller

Rechtsanwalt Köln


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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