Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs

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Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist eine der häufigsten Begründungen für Verfassungsbeschwerden. Allein dafür wurde ein eigenes Rechtsmittel, die sogenannte Anhörungsrüge, eingeführt.

Trotzdem sind Verfassungsbeschwerden wegen Gehörsverletzungen notorisch erfolglos. Die Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht ein Urteil deswegen aufgehoben hat, lassen sich an einer Hand abzählen. Darum möchten wir (Rechtsanwalt Thomas Hummel und Dipl.-Jur. Katayoun Kolks, Kanzlei Abamatus) Ihnen in diesem Artikel einige Entscheidungen vorstellen, bei denen diese Rüge erfolgreich war.

Beweisangebot ignoriert

(BVerfG, Beschluss vom 19.12.2016, Az. 2 BvR 1997/15)

Vor dem Amtsgericht klagte die Klägerin auf Schmerzensgeld wegen einer angeblichen Körperverletzung. Für Ort und Zeit des Angriffs auf sie benannte sie als Zeugen namentlich zwei Personen (A und B). Zum genauen Hergang bezog sie sich auf die Beweise „wie vor“ sowie auf die Aussage „eines im Bestreitensfall noch zu nennenden Passanten“. Zum weiteren Geschehensablauf bot sie die Beweise „wie vor“ an.

Das Amtsgericht wie die Klage ab. Die Benennung eines namentlich nicht genannten Zeugen sei kein ausreichendes Beweisangebot. Da für das weitere Geschehen keine anderen Beweise aufgeführt wurden, seien die Behauptungen aus der Klageschrift nicht belegt worden und die Klage deswegen abzuweisen.

Die Verfassungsbeschwerde der Klägerin moniert, dass sich das Beweisangebot „wie vor“ auf sämtliche genannten Beweismittel beziehe, also auch auf A und B. Diese wurden korrekt identifizierbar angegeben, das Gericht hätte sie also zu den Behauptungen der Klägerin anhören müssen.

Dem schloss sich das Bundesverfassungsgericht an. Die Nichtbeachtung eines Beweisangebots stelle einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar.

Prozessuales Vorbringen ignoriert

(BVerfG, Beschluss vom 30.04.2018, Az. 1 BvR 2352/17)

Zwischen Eheleuten war im Rahmen eines Scheidungsverfahrens der Zugewinnausgleich strittig. Der Ehemann erhob kurz vor Eintritt der Verjährung Klage gegen seine Ehefrau auf Zugewinn zu seinen Gunsten. Daraufhin erhob die Ehefrau ihrerseits eine eigenständige Klage auf Zugewinnausgleich.

Das Oberlandesgericht als Beschwerdeinstanz hielt die Klage der Ehefrau für unzulässig, da bereits ein Klageverfahren über dieselbe Sache (nämlich die ihres Mannes) anhängig sei.

Dabei berücksichtigte das OLG jedoch nicht, dass die Ehefrau bereits erläutert hatte, warum ihr nur diese Möglichkeit der Reaktion auf den Antrag ihres Mannes blieb. Vielmehr wiederholte es – auch in der Anhörungsrüge – nur seine Ansicht, dass sie ihre Argumente bereits vor dem Amtsgericht hätte vorbringen müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung daher auf. Die Verfassungsbeschwerdeführerin könne zwar nicht verlangen, dass das Gericht jedes ihrer Argumente inhaltlich würdige. Allerdings sei aus der Entscheidung ersichtlich, dass sich das OLG überhaupt nicht mit ihrem Vortrag auseinandergesetzt habe.

Schriftsatz nicht gelesen, Argumente missverstanden

(BVerfG, Beschluss vom 29.07.2016, Az. 1 BvR 1225/15)

In einem Zivilrechtsstreit führte das Gericht ein schriftliches Verfahren gemäß § 495a ZPO durch. Der fristgerecht eingereichte Schriftsatz vom 02.02.2015 wurde dem Richter nicht bis zur Abfassung des Urteils am 04.02.2015 zugeleitet, da die Geschäftsstelle überlastet war. In diesem Schriftsatz hatte der Beklagte Gegenforderungen aus vier verschiedenen Verträgen gegen den Kläger geltend gemacht.

Das Amtsgericht erkannte die Forderung des Klägers an und verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Ein Rechtsmittel dagegen gab es nicht, da die Berufung erst ab 600 Euro Streitwert zulässig ist.

Daraufhin erhob der Beklagte Anhörungsrüge und wies auf seinen ignorierten Vortrag hin. Das Gerichte räumte zwar ein, dass es den Schriftsatz nicht beachtet habe, da er ihm nicht vorlag. Gleichzeitig wies es die Rüge aber zurück, da auch bei Berücksichtigung kein anderes Ergebnis vorläge. Denn auch nach dem Parteivortrag stünden dem Beklagten keine Ansprüche aus „dem Vertrag“ zu.

In der Verfassungsbeschwerde wies der Beklagte darauf hin, dass er von vier Verträgen, nicht nur von einem gesprochen habe. Das Amtsgericht habe dies entweder übersehen oder aus nicht nachvollziehbaren Gründen die vier Verträge als einen einzelnen Vertrag angesehen.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies als Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und hob die Entscheidung auf.

Zusammenfassung

Aus diesen Entscheidungen kann man ablesen, dass es wirklich „krasse“ Fälle sein müssen, um eine Gehörsverletzung anzunehmen. Dem Bundesverfassungsgericht muss dargelegt werden, dass das Gericht tatsächlich wichtige Ausführungen der Partei übersehen haben könnte. Dafür reichen Mutmaßungen aber gerade nicht, vielmehr müssen die Angriffspunkte genau herausgearbeitet werden.

Notwendig hierfür sind eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Urteil sowie intensive Erfahrungen mit der Herangehensweise an eine Verfassungsbeschwerde. Rechtsanwalt Thomas Hummel übernimmt gerne die Einreichung und Begründung Ihrer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs. Aufgrund der hohen Hürden hierfür wird er aber stets auch die mögliche Verletzung anderer Grundrechte prüfen und dann zum "sichersten Weg" raten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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