Ermittlungen Polizeibeamte in Berlin wegen Gruppenchats – welche Folgen drohen den Polizisten?

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Gegen mehr als 60 Polizeiangehörige in Berlin wird ermittelt. Grund hierfür ist das Auftauchen von (polizeiinternen) Gruppenchats. Die dort enthaltenen Inhalte könnten strafbar sein, wobei aber Medienberichten zufolge nach einer ersten Prüfung inzwischen zwar nicht mehr von einem strafbaren Verhalten ausgegangen wird, wohl aber von einem solchen, das disziplinarrechtliche und dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen könnte.


Diese Situation ist nicht die erste ihrer Art. Die nun in Frage stehenden Gruppenchats sind nämlich im Rahmen der Ermittlungen gegen die „Eierköppe“ aufgetaucht. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Polizisten, gegenüber derer der Verdacht des Geheimnisverrats und der Volksverhetzung besteht. Auch hier war der Anlass für die Ermittlungen eine Chat-Gruppe.


Wenn nun kein strafbares Verhalten im Raum steht. Welche Folgen drohen den Polizisten denn dann?

Was ist ein Disziplinarverfahren?

Insbesondere droht den Polizeibeamten ein Disziplinarverfahren.

Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens werden Dienstvergehen verfolgt.

Zu trennen von einem Disziplinarverfahren ist dabei ein möglicherweise sogar parallel hierzu laufendes Strafverfahren. Das ist nicht dasselbe, auch wenn beiden Verfahren gegebenenfalls dasselbe Geschehen zugrunde liegen kann. Hat zum Beispiel ein Beamter eine Straftat begangen, so droht ihm zum Einen ein Strafverfahren und zum Anderen unter Umständen auch noch ein Disziplinarverfahren (soweit die begangene Straftat gleichsam ein Dienstvergehen ist). Die Folgen und der Anlass für beide Verfahren sind aber unterschiedlich. Ein Strafverfahren hat repressiven Charakter. Begangenes Unrecht soll sanktioniert werden. Ein Disziplinarverfahren hat im Kern die Abwehr von Gefahren zum Gegenstand.


Gerade Disziplinarverfahren haben bereits ihrer Natur nach einen unmittelbaren beruflichen Bezug. Umso wichtiger ist es, sich im Falle eines Disziplinarverfahrens anwaltliche Hilfe zu suchen und sich kompetent beraten und vertreten zu lassen.

Was ist ein Dienstvergehen?

Ein Dienstvergehen ist vereinfacht ausgedrückt ein bestimmtes Fehlverhalten. Begangen werden können Dienstvergehen nur von bestimmten Personen, insbesondere Beamte. Auch Polizisten können Dienstvergehen begehen.

Gem. § 47 Abs.1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ist eine schuldhafte Pflichtverletzung ein Dienstvergehen eines Beamten. Dies kann zum Beispiel auch die Begehung einer Straftat sein. Muss es aber nicht. Auch nicht strafbare Verhaltensweisen können ein Dienstvergehen darstellen.


Was genau nun ein Dienstvergehen ist, ist also nicht klar bestimmbar. Es kommt maßgeblich auf die konkreten Umstände des einzelnen Falles an. Die Rechtsprechung hat bereits einige Fallgruppen gebildet. Die Würdigung des konkreten Einzelfalles ersetzt dies allerdings nicht.


Kann auch ein Verhalten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen sein?

Ja, das ist möglich. Auch ein Fehlverhalten außerhalb des Dienstes kann den Vorwurf eines Dienstvergehens begründen.

Gem. § 47 Abs.1 BeamtStG setzt dies dann aber voraus, dass das vorgeworfene Verhalten „in besonderem Maße [dazu] geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“.

Sind Rassistische Äußerungen in Chatgruppen ein Dienstvergehen?

Rassistische Äußerungen in Chatgruppen (z.B. bei WhatsApp) können grundsätzlich den Vorwurf eines Dienstvergehens begründen.

Solche Äußerungen können nämlich unter anderem eine Verletzung der politischen Treuepflicht nach § 33 BeamtStG darstellen, wonach der Beamte die Verfassungsordnung und den Staat achten muss. Dies wiederum  gebietet, dass der Beamte sich von solchen Bestrebungen und Gruppierungen fernhält, die gerade dies ablehnen bzw. angreifen. Hierauf stützte sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (VG Düsseldorf, Beschluss v. 05.07.2021 – 35 L 141/21 in openJur 2021, 30132). Das VG bejahte in dem Fall, über den es zu entscheiden hatte, auch eine Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (vgl. § 34 BeamtStG) für den Fall, dass jemand über Jahre Mitglied in einer Whatsapp Gruppe ist, in der Inhalte „mit nationalsozialistischem, volksverhetzendem, menschenverachtendem und rassistischem Gedankengut verschickt wurden“ (VG Düsseldorf, Beschluss v. 05.07.2021 – 35 L 141/21 in openJur 2021, 30132). Das VG Düsseldorf stellt in diesem Beschluss auch darauf ab, dass ein pflichtwidriges Verhalten durch die Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch dann bestehen kann, wenn der Beamte „lediglich“ den Eindruck erweckt, sich mit derartigem, der freiheitlich demokratischen Grundordnung widersprechenden, Inhalten zu identifizieren.


Gem. § 33 Abs.1 BeamtStG trifft einen Beamten zudem die Grundpflicht, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu kennen, für diese einzutreten und dies muss sich auch in seinem Verhalten widerspiegeln.

Welche Folgen kann ein Disziplinarverfahren haben?

Ein Disziplinarverfahren kann insbesondere die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme zur Folge haben. Hierzu gehören nach dem Berliner Disziplinargesetz zum Beispiel …

  • der Verweis,
  • die Kürzung der Dienstbezüge,
  • die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis,
  • eine Geldbuße
  • die Aberkennung des Ruhegehalts

(§ 5 DiszG Berlin).


Welche Disziplinarmaßnahme für welches Dienstvergehen verhängt wird, ist nicht festgelegt. Diese Entscheidung ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei insbesondere die Schwere des Dienstvergehens, aber auch die Persönlichkeit des Beamten berücksichtigt werden. (§ 13 DiszG Berlin).


Gem. § 13 Abs.2 DiszG Berlin ist ein Beamter aber jedenfalls dann aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er ein solch schweres Dienstvergehen begangen hat, dass er dadurch das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.

Kann ich aus dem Dienst entlassen werden, weil ich Mitglied in einer Chatgruppe bin, in der rassistische Inhalte geteilt werden?

Folge eines Dienstvergehens kann unter Umständen und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein.

Kann mir im Disziplinarverfahren ein Anwalt zur Seite stehen?

Ja. Auch im Rahmen eines Disziplinarverfahrens haben Sie ein Recht darauf, einen Anwalt hinzuzuziehen (vgl. § 20 Abs.1 DiszG Berlin). Aufgrund der speziellen Regelungen empfiehlt es sich, sich hier an einen Anwalt zu wenden, der sich auch gerade auch auf das Disziplinarrecht spezialisiert hat.


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