Erneut Abgasskandal: "Thermofenster" EuGH entscheidet "Rantos II"

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Liebe Ratsuchende,

der EuGH hat ein weiteres Grundsatzurteil (in den Rechtssachen C-128/20 – GSMB Invest; C-134/20 – Volkswagen und C-145/20 – Porsche Inter Auto und Volkswagen) gefällt, das derzeit aber nur wenig Einfluss auf die Rechtsprechung deutscher Gerichte haben dürfte.

In seinem Urteil vom 14.7.22 führt der Gerichtshof aus, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb des Thermofensters gewährleistet, eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.

Anders könnten die Dinge stehen, wenn nachgewiesen wäre, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines dieser Bauteile verursachten unmittelbaren Risi-ken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wie-gen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen.

Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann „notwendig“, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung solche Ri-siken abwenden kann. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte zu prüfen, ob dies auf die Abschaltein-richtung, mit der die fraglichen Fahrzeuge ausgestattet sind, zutrifft.

Selbst wenn die oben beschriebene Notwendigkeit bestünde, ist eine Abschalteinrichtung, wenn sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, je-denfalls unzulässig. Ließe man nämlich eine solche Einrichtung zu, könnte das dazu führen, dass diese Ausnahme öfter anwendbar wäre als das Verbot, und brächte somit eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der Stickstoffoxidemissionen von Fahrzeugen mit sich.

Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass ein Fahrzeug nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, und somit vertrags-widrig ist, wenn dieses Fahrzeug, obwohl es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt und daher im Straßenverkehr verwendet werden kann, mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.
Zudem könne eine solche Vertragswidrigkeit nicht als „geringfügig“ eingestuft werden, selbst wenn dieser Verbraucher – falls er von der Existenz und dem Betrieb dieser Einrichtung Kenntnis gehabt hätte – dieses Fahrzeug dennoch gekauft hätte. Folglich ist die Vertragsauflösung nicht grundsätzlich ausge-schlossen. Vgl. insoweit das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020, CLCV u. a. (Abschalteinrich-tung für Dieselmotoren), C-693/18 (vgl. PM Nr. 170/20). 3 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Par-laments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12).


Wie gut die Chancen von Diesel-Kunden auf Schadensersatz tatsächlich sind, hängt von einem weiteren EuGH-Urteil ab, das im Herbst/Winter dieses Jahres erwartet wird („Rantos III“).


Der Generalanwalt des EuGH hat Anfang Juni seine Schlussanträge veröffentlicht, mit denen er eine rechtliche Einschätzung abgibt.

Diese Entscheidung wird maßgeblich sein, was wir daran erkennen können, dass der Bundesgerichtshof die Entscheidung des EuGH im Herbst abwarten will, bevor er weiter über Diesel-Verfahren verhandelt. Dazu hat er in einer Pressemitteilung vom 1.7.2022 auch die unteren Gerichte aufgerufen und eine Grundsatzentscheidung für den 21.11.2022 terminiert.

Denn der Generalanwalt des EuGH, an dessen Einschätzung der EuGH nicht gebunden ist, geht davon aus, dass die EU-Abgas-regeln teilweise drittschützenden Charakter haben – das heißt, dass sie auch die Rechte von Diesel-Kunden schützen sollen.

Also der Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht erforderlich ist!


Auch die Anrechnung der gefahrenen Kilometer (Nutzungsentschädigung), die dazu führen könne, dass nichts mehr übrig bleibt vom Schadensersatz, ist aus Sicht des Generalanwalts des EuGH nicht mit EU-Recht zu vereinbaren.

Diese Ansicht haben wir in allen Verfahren, die die Rückabwicklung von Kaufverträgen über Fahrzeuge zum Gegenstand hatten, vertreten, aber bei fast allen Gerichten kein Gehör gefunden.


Die Erfolgsaussichten hängen wie fast immer vom Einzelfall ab. Wenden Sie sich bitte direkt an uns und lassen keine Zeit verstreichen, nur dann können wir für Sie die Erfolgsaussichten prüfen.

Gerne stehen wir Ihnen für eine ausführliche Beratung zur Verfügung:

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michelske@michelske.de

Ihr 

Marc Michelske

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verkehrsrecht

ADAC Vertragsanwalt



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