Erweiterte Aufklärungspflichten beim Immobilienkauf: BGH stärkt klar Rechte von Immobilienkäufern bei Mängeln.

  • 4 Minuten Lesezeit

1. Einleitung:

Am 15.09.2023 erging ein durchaus "bahnbrechendes" Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. V ZR 77/22) für Immobilienerwerber, das die Rechte von Immobilienkäufern erheblich stärkt. 

Ein Stückweit kann von einer Aufweichung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinsichtlich der Risikoverteilung und den Aufklärungspflichten bei Immobilienkäufen gesprochen werden.

Mit dieser Entscheidung erweitert der Bundesgerichtshof die Aufklärungspflicht von Immobilienverkäufern und schafft somit einen höheren Schutz für Käufer. 

In diesem Ratgeberartikel werden wir den zugrunde liegenden Sachverhalt näher betrachten, die bisherige Sachlage und Rechtslage bei Immobilienverkäufen beleuchten sowie die begünstigenden Folgen für Käufer erläutern, wenn eine Immobilie mangelhaft ist und dieser Mangel nach Kaufvertragsabschluss zutage tritt.


2. Wie ist die bisherige Rechtslage für auftretende Mängel im Rahmen eines Immobilienkaufs?

Die Rechtslage für auftretende Mängel im Rahmen eines Immobilienkaufs in Deutschland basiert auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). 

Es gibt verschiedene Arten von Mängeln, die bei einer Immobilie auftreten können, wie 

  • offene Mängel
  • versteckte Mängel und 
  • arglistig verschwiegene Mängel

Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Immobilie bei Übergabe nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet

Rechtsmängel treten auf, wenn Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können, die nicht im Kaufvertrag übernommen wurden.

Bei einem Immobilienverkauf haftet der Verkäufer im Sinne der Gewährleistung für Mängel gemäß den §§ 434 ff. BGB. Schadensersatzansprüche, Minderungsansprüche, Rückabwicklungsansprüche etc. ergeben sich aus § 437 BGB (alternativ aus § 123 BGB bei Arglist).

Die Mängelhaftung beim Immobilienverkauf ist jedoch zeitlich begrenzt. Laut § 438 verjähren die Käuferansprüche bei Sachmängeln in der Regel 5 Jahre nach Übergabe der Immobilie.

Die Haftung des Verkäufers kann im Immobilienkaufvertrag ausgeschlossen werden, es sei denn, der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen.

Und genau hierin liegt und lag das Problem!

Bestandsimmobilien werden in der Regel unter dem Ausschluss der Gewährleistung verkauft. Dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung möglich. Besonders bei dem Verkauf von Bestandsimmobilien von Privat an Privat kann (nunmehr konnte) sich ein Verkäufer quasi "freizeichnen".

Die rechtliche Konsequenz eines wirksamen Haftungsausschlusses ist, dass Mängel an der Immobilie, die durch den Käufer nach Vertragsschluss entdeckt werden bzw. offenkundig wurden, in der Regel nur im Falle einer arglistigen Täuschung für eine Rückabwicklung des Vertrages genutzt werden könnten. Im Übrigen blieben Ansprüche des Käufers aufgrund des Haftungsausschlusses versperrt.

So lag die Rechtsprechung des BGH zumindest bis dato.


3. Erweiterung der Käuferrechte und Modifizierung der Aufklärungs-pflichten des Immobilienverkäufers

Mit Urteil des BGH vom 15.09.2023 hat die bisher geltende Rechtslage nunmehr eine Modifikation erfahren.

Und zwar klar zugunsten von Immobilienkäufern.

Im Kern erweitert der Bundesgerichtshof die vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Verkäufers einer Immobilie, deren Verletzung eine Haftung (mit Schadensersatzansprüchen und Rückabwicklungsansprüchen) zugunsten des Käufers einer Immobilie bei Mängeln über die § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB eröffnet.

So stellt der BGH klar, dass allein das Bestehen der Möglichkeit zur Unterrichtung über potentielle Mängel bzw. offenbarungspflichtige Umstände an der Immobilie durch den Käufer, nicht die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung und Mitteilung dieser Umstände und Mängel von vornherein ausschließe (!).

Verkäufer dürfen laut BGH zwar davon ausgehen, dass Käufer bei einer Besichtigung und Begutachtung im Vorfeld ohne Weiteres erkennbare Mängel entdecken (können) und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich sei. 

Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verkäufer dem Käufer lediglich Unterlagen und Informationen bereitstellt, gegebenenfalls mit kurzer Frist, und dann von ordnungsgemäßer Pflichterfüllung seinerseits ausgeht. Ein Verkäufer könne - so der BGH - nämlich nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Käufer Finanzierungsunterlagen oder ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem Kaufobjekt auf Mängel des Kaufobjekts durchsehen wird.

Insbesondere die letzte Annahme des BGH verschiebt die geltende Rechtslage durchaus. Denn im Umkehrschluss stellt sich nunmehr für Immobilienverkäufer auch die Frage, wie müssen sie mit einen potentiellen Immobilienkäufer agieren und welche Informationen müssen Sie dem Käufer genau zur Verfügung stellen, um im Nachgang keine Schadensersatzansprüche und Rückabwicklungsansprüche zu eröffnen.


4. Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.09.2023 (Az. V ZR 77/22) stärkt die Rechte von Immobilienkäufern erheblich und verschiebt hier durchaus das Kräfteverhältnis hin zum Immobilienkäufer.

Die erweiterte Aufklärungspflicht der Verkäufer wird mehr Transparenz bei Immobilienkäufen notwendig machen und gibt den Käufern die Möglichkeit, potentielle Schadensersatzansprüche und Haftungsansprüche leichter geltend zu machen. 

Dieses Urteil stellt einen wichtigen Schritt dar, um den Schutz der Käufer bei mangelhaften Immobilien zu verbessern und das Vertrauen in den Immobilienmarkt zu stärken.

Das ergangene Urteil mit der neuerlichen Rechtsansicht des BGH gilt auch für bereits durchgeführte Immobilientransaktionen und bereits abgeschlossene Immobilienkäufe bzw. Immobilienkaufverträge.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Geringe Abweichungen und Abläufe in Vertragsgestaltung und Vertragsschluss sowie dem Verhalten der Beteiligten können unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und begleite und unterstütze Sie bei Immobilienkäufen, Immobilientransaktionen und Streitigkeiten rund um das Thema Immobilien. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder schreiben Sie mich an.

Ich berate bundesweit vor Ort oder via Zoom als Fachanwalt in den Rechtsgebieten Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Insolvenzrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Immobilienrecht, insbesondere in den Städten und Großräumen um Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe, Freiburg, Ulm, Augsburg, München, Frankfurt, Wiesbaden, Saarbrücken, Kaiserslautern, Bonn, Wuppertal, Duisburg, Nürnberg, Münster, Saarbrücken, Düsseldorf, Köln, Dortmund, Hannover, Kassel, Leipzig, Dresden, Bremen, Hamburg und Berlin.


#Immobilienrecht #Immobilientransaktion #notariellerKaufvertrag #Immobilie #Grundstück #Eigentumswohnung #Haus #Immobilienkaufvertrag #Hauskauf #Mängel #Schimmel #Täuschung #arglist #Immobiliendarlehen #versteckerMangel #Aufklärungspflichten #Aufklärung #Rücktritt #RücktrittvomImmobilienkauf #Rückabwicklung #Notarvertrag #Immobilienverkauf #Immobilienkauf #Immobilienverkäufer #Immobilienkäufer #Haftung #Schadensersatz #Fachanwalt #Rechtsanwalt #Anwalt #Spezialist #Immobilienanwalt #Immobilienrechtsanwalt

Foto(s): Dr. Holger Traub


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. iur. Holger Traub - Dipl. Kfm.

Beiträge zum Thema