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Fahrbahn wegen Baustelle verengt – wer haftet bei einem Unfall?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Gerade auf Autobahnen nerven sie: Baustellen. Man kann im Baustellenbereich schließlich nicht mehr sonderlich schnell fahren und oftmals werden dreispurige Autobahnen zu zweispurigen verengt. Die Fahrstreifen sind dann häufig auch noch so eng, dass die Verkehrsteilnehmer höllisch aufpassen müssen, um nicht von der Fahrbahn zu geraten. Auch dürfen Fahrzeuge, die breiter als zwei Meter sind, regelmäßig nicht auf der Überholspur fahren. Unfälle wären sonst vorprogrammiert. Doch wer haftet, wenn es tatsächlich zu einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge kommt?

Lkw und Pkw kollidieren auf der Autobahn

Ein Mann war auf einer Autobahn mit dem Pkw seines Onkels unterwegs, als er auf eine vor ihm befindliche Baustelle aufmerksam wurde. Im Baustellenbereich selbst war die sonst dreispurige Autobahn so verengt worden, dass die Verkehrsteilnehmer nunmehr mit zwei schmalen Fahrbahnen vorliebnehmen mussten. Ferner war die Benutzung der Überholspur aufgrund entsprechender Verkehrsschilder nur für Fahrzeuge freigegeben, die eine Gesamtbreite von zwei Metern nicht überschreiten.

Obwohl das Kfz seines Onkels eine tatsächliche Gesamtbreite von 2,06 Metern hatte, benutzte der Autofahrer die Überholspur, um einen Lkw zu überholen. Er ging nämlich davon aus, hierzu berechtigt zu sein. Grund dafür waren die Angaben in den Fahrzeugpapieren, wonach der Wagen nur 1,80 Meter breit ist – allerdings ohne Berücksichtigung der beiden Außenspiegel.

Als der Autofahrer sich auf Höhe des Lkw befand, scherte dieser nach links aus und berührte den Pkw an der Beifahrertür. Erst jetzt bemerkte der Brummifahrer aufgrund eines knirschenden Geräuschs den Wagen neben sich, der mittlerweile auch mit der Leitplanke auf der linken Seite kollidiert war. Der Eigentümer des Pkw zog aufgrund dieses Vorfalls vor Gericht und verlangte Schadenersatz.

Unfall wurde überwiegend durch Lkw-Fahrer verursacht

Das Amtsgericht (AG) Brandenburg kam zu dem Ergebnis, dass der Pkw-Eigentümer 60 Prozent seines Schadens ersetzt verlangen konnte. Allerdings musste er sich auch eine Mithaftung in Höhe von 40 Prozent anrechnen lassen.

Verkehrswidrig auf Überholspur unterwegs

So wies das Gericht darauf hin, dass der Autofahrer mit dem Pkw seines Onkels die Überholspur nicht hätte nutzen dürfen. Die war schließlich aufgrund des Verkehrszeichens 264 der Anlage 2 zu § 41 I Straßenverkehrsordnung (StVO) nur Fahrzeugen mit der Gesamtbreite von zwei Metern – einschließlich der Fahrzeugaußenspiegel – vorbehalten. Der betreffende Pkw war deshalb mit 2,06 Meter zu breit und hatte auf der Überholspur nichts zu suchen.

Der Autofahrer hätte sich bereits vor Antritt der Fahrt mit der Gesamtbreite des Fahrzeugs auseinandersetzen und – gerade weil er mit einem ihm unbekannten Pkw unterwegs war – besonders aufmerksam am Straßenverkehr teilnehmen müssen. Stattdessen ist er einfach „drauflosgefahren“, was die Unfallschäden zumindest erhöht hat. Diese Pflichtverletzung musste sich der Onkel des Autofahrers zurechnen lassen. Insgesamt hielt das Gericht eine Mithaftung des Pkw-Eigentümers von 40 Prozent für angemessen.

Unzulässiger Fahrspurwechsel durch Brummifahrer?

Der Unfall ist aber überwiegend vom Lkw-Fahrer verursacht worden. Der war nämlich von der rechten auf die linke Fahrbahn geraten, ohne den Fahrspurwechsel anzuzeigen. Gemäß der §§ 1, 7 V StVO darf der Fahrstreifen aber nur gewechselt werden, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Es muss also insbesondere durch entsprechende Rück- und Seitenschau überprüft werden, ob sich auf der betreffenden Fahrspur Fahrzeuge nähern. Ferner muss in die Außen- und Innenspiegel geblickt werden und der Spurwechsel ist rechtzeitig anzuzeigen – etwa durch Blinken.

Vorliegend hat der Lkw-Fahrer aber nicht auf den Verkehr um ihn herum geachtet. So bemerkte er den Pkw neben ihm erst wegen des knirschenden Geräuschs und eines Blicks in den linken Außenspiegel. Zwar hatte er nicht wirklich auf die Überholspur wechseln wollen – dennoch war in dem Verlassen der rechten Fahrspur ein Fahrstreifenwechsel zu sehen, der nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet hat. Mit seinem erheblichen Fahrfehler war der Brummifahrer hauptsächlich für den Unfall verantwortlich, weshalb das Gericht eine Haftung von 60 Prozent als gerechtfertigt ansah.

Fazit: Baustellenbereiche sind unfallträchtig. Das gilt vor allem wegen der oftmals geänderten Straßenführung und der verengten Fahrbahnen. Bevor man hier einen Fahrstreifenwechsel vornimmt, sollte man sich vergewissern, dass niemand gefährdet wird. Kommt es hierbei nämlich zu einem Unfall, wird man zumindest einen Großteil des entstandenen Schadens ersetzen müssen.

(AG Brandenburg, Urteil v. 13.01.2017, Az.: 31 C 71/16)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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