Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Familienkasse per E-Mail kontaktiert – ein Fehler?

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Heute verbringen viele Leute ihre Zeit im Internet – logisch also, dass deshalb viel schriftliche Korrespondenz per E-Mail abgewickelt wird, auch mit einer Behörde. Im vorliegenden Fall nutzte eine Mutter, die Kindergeld erhielt, diese Möglichkeit und war doch sehr überrascht, als sie von der Familienkasse der Steuerhinterziehung bzw. der leichtfertigen Steuerverkürzung bezichtigt wurde. Natürlich zog die Frau vor Gericht, um ihre Unschuld zu beweisen.

Für erwachsenen Sohn Kindergeld erhalten

Eine Frau erhielt für ihren mit ihr in einem Haushalt lebenden Sohn, der 1990 geboren wurde, Kindergeld. Um weiterhin Kindergeld zu erhalten, beantragte die Mutter am 13.05.2008, dass das Kindergeld weitergezahlt werden solle, da der Sohn voraussichtlich bis August 2010 zur Schule gehen werde. Eine entsprechende Bescheinigung der Schule legte sie vor. Die zuständige Familienkasse zahlte das Kindergeld bis Juni 2010 weiter. Mit einem Schreiben der Familienkasse vom 03.05.2010 wurde die Mutter zum einen auf die demnächst endende Schulausbildung ihres Sohnes hingewiesen, zum anderen erklärte die Familienkasse, ohne dass die Frau das beantragt hatte, dass das Kindergeld zunächst nur bis November 2010 weitergezahlt werde – allerdings mit dem Hinweis, dass sie eine Änderung, wie die mögliche Ableistung des Grundwehrdienstes durch ihren Sohn, unverzüglich mitteilen müsse.

Familienkasse per E-Mail kontaktiert

Um ihrer Pflicht nachzukommen, sendete die Mutter schon am 07.05.2010 eine E-Mail an die Familienkasse. Darin erklärte sie, dass ihr Sohn ab 01.07.2010 den Grundwehrdienst ableisten werde. Das Absendedatum ihrer E-Mail notierte sie sich, wie üblich, auf das zugehörige Schreiben der Familienkasse. Damit war die Sache für sie erledigt. Nachdem sie von der Familienkasse nichts hörte, ging sie davon aus, dass alles geklärt sei. Aufgrund eines neuen Kindergeldantrags des Vaters kam der Fall ins Rollen. Die Familienkasse erließ am 29.07.2015 einen Bescheid. Mit diesem erklärte sie, dass die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum zwischen Juli 2010 und November 2010 aufgehoben sei, und forderte das Kindergeld i. H. v. 920 Euro zurück. Die Frau fiel natürlich aus allen Wolken und legte fristgerecht Einspruch ein – unter anderem mit dem Hinweis auf Verjährung. Die Familienkasse lehnte den Einspruch ab, indem sie an die Mutter ein aus Textbausteinen zusammenkopiertes Schreiben schickte, ohne jedoch auf die eventuelle Verjährung einzugehen.

Klage erfolgreich

Um sich gegen diesen Bescheid zu wehren, klagte die Frau schließlich beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg. Sie begründete ihre Klage damit, dass hinsichtlich der Rückforderung des Kindergeldes Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Durch ihr Urteil stellten die Richter fest, dass die Familienkasse aufgrund der Festsetzungsverjährung nicht befugt war, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben.

Mitteilung ist zeitnah erfolgt

Die Mutter hat sich nach Ansicht der Familienkasse einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung (AO) strafbar gemacht. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn sie die Familienkasse pflichtwidrig darüber in Unkenntnis gelassen hätte, dass ihr Sohn den Grundwehrdienst ableistet.
Hier spielt nun die E-Mail eine wichtige Rolle, denn die Mutter erklärte vor Gericht, dass sie die notwendige Mitteilung über diese Tatsache umgehend am 07.05.2010 per E-Mail an die Familienkasse gemeldet habe. Allerdings tauchte diese E-Mail nirgendwo auf – sie wurde weder ausgedruckt noch der Akte der Klägerin zugeordnet. Hier wandte das Gericht den Grundsatz in dubio pro reo an und erklärte, dass die Frau den Inhalt der E-Mail schlüssig vorgetragen habe. Daher ist davon auszugehen, dass die E-Mail tatsächlich abgesendet wurde und vermutlich auf dem elektronischen Weg verloren gegangen ist.

Gleichberechtigte Kommunikationswege

Eine weitere Tatsache, die für die Mutter spricht, ist, dass sich auf dem Briefkopf des Schreibens der Familienkasse vom 03.05.2010 die E-Mail-Adresse der Familienkasse gleichberechtigt neben den anderen Kommunikationswegen befand. Dies führt dazu, dass die Frau davon ausgehen durfte, dass sie die Familienkasse auf elektronischem Wege per E-Mail erreichen kann.

Verjährung des Anspruchs

Die Richter gingen in ihrem Urteil davon aus, dass die Frau alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um der Familienkasse die relevanten Tatsachen mitzuteilen. Daher hat sich die Frau keiner Steuerhinterziehung durch Unterlassen schuldig gemacht, und die Verjährung konnte nicht, wie in ähnlich gelagerten Fällen, verlängert werden. Aus diesem Grund war der Rückforderungsanspruch der Familienkasse bereits bei Erlass des Bescheids am 29.07.2015 verjährt, was bedeutet, dass die Rückforderung des Kindergeldes rechtswidrig war.

Fazit: Wird auf dem Briefkopf eines behördlichen Schreibens auch eine E-Mailadresse angegeben, so darf der Adressat davon ausgehen, dass er über dieses Kommunikationsmittel mit der Behörde kommunizieren kann.

(FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 01.03.2017, Az.: 7 K 7210/15)

(WEI)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: