Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit trotz Eigenbedarfskündigung?

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Härtfall/Sozialklausel gem. § 574 BGB bei Eigenbedarfskündigungen

Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarf stellt sich für viele Mieter zunächst die Frage, ob diese eine Chance haben gegen eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters vorzugehen.

Zunächst ist zu klären, ob bei dem Vermieter auch wirklich Eigenbedarf vorliegt. In der Regel liegt Eigenbedarf vor, wenn der Vermieter gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Der Begriff des "Benötigens" ist hierbei weit gefasst, jedoch nicht grenzenlos.

Hierbei handelt es sich um einen objektiv nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, der voraussetzt, dass der Vermieter ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe hat, die Wohnung selbst zu nutzen. Der Wunsch und der Wille allein, die Wohnung für sich oder andere berechtigte Personen zu nutzen, reicht nicht aus; hinzutreten muss unter anderem ein Nutzungsinteresse von hinreichendem Gewicht und ein nicht übermäßiger Bedarf (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.07.1993 – 1 BvR 501/93, juris Rn. 13, m.w.N.; BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 20.01.1988 - VIII ARZ 4/87, juris Rn. 17ff., m.w.N.; Urt. v. 05.10.2005 - VIII ZR 127/05, WuM 2005, 779, juris Rn. 5).

Liegt der Eigenbedarf also vor und folgt daraus eine wirksame ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs, so ist der Mieter in der Regel angehalten sich auf Wohnungssuche zu begeben. Findet der Mieter eine Wohnung, so kann ein Vergleich mit dem Vermieter angestrebt werden oder der Mieter verlässt bei klarer Rechtslage die Wohneinheit, um eine Klage zu vermeiden.


Mieter müssen potentiell jedoch nicht zwingend sofort ausziehen, wenn eine wirksame Eigenbedarfslage vorliegt


Was geschieht jedoch mit Mietern in Ballungsgebieten, wie Berlin, in welchem unzählige Menschen verzweifelt auf Wohnungssuche gehen und auch bei hunderten von Bewerbungen erfolglos bleiben?

Für diese Mieter gibt es Hoffnung, denn mit dem Urteil des LG Berlin II vom 25.1.2024 – 67 S 264/22, hat das Landgericht, im vorliegenden zu besprechendem Fall, anerkannt, dass die Eigenbedarfskündigung des Vermieters zum 30. November 2021 zwar wirksam war, jedoch das Mietverhältnis gemäß §§ 574 a Abs. 1, 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 fortzusetzen ist. Mithin verlängerte sich das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit um ca. 4 Jahre nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bzw. um ca. 2 Jahre nach Urteil vom 25. Januar 2024.

Zumutbarer Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen ist für Mieter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oftmals nicht zu beschaffen

Warum entschied das Gericht das Mietverhältnis auf bestimmte Zeit zu verlängern?

Das Gericht kam zu der Ansicht, dass "Gerichte befugt sind, den Beweis über einen Härtefall, das zumutbarer Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungeen nicht beschafft werden kann, als geführt anzusehen, "wenn die Gesetzes- oder Verordnungslage einer tatsächlichen Mangellage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt Rechnung trage und der Mieter zudem die von ihm entfalteten und hinreichend intensiven Bemühungen um Ersatzwohnraum beweise.""

In Berlin gäbes es gleichzeitig mehrere geltende Rechtsverordnungen die darauf hinweisen, dass der Vortrag des Mieters zur Vergeblichkeit seiner Bemühungen um Ersatzwohnraum zutreffend sei. Die Rechtsverordnungen, vorliegend die Mietenbegrenzungsverordnung, Kappungsgrenzenverordnung sowie, Kündigungsschutzklauselverordnung, weisen jeweils eine Mangellage am gesamten Berliner Wohnungsmarkt aus, da die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in der gesamten Gemeinde besonders gefährdet sei.

In einem solchen Fall ist die Kündigung zwar auch in Ballungsgebieten, bei einer wirksamen ordentlichen Kündigung nicht vollumfänglich aufzuhalten, jedoch lässt sich mit einem wirksam geltend gemachten Härtefall gem. § 574 Abs. 2 BGB möglicherweise eine wesentliche Verlängerung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit erwirken.

In Verbund mit den Umständen des Einzelfalles, dass der Mieter sich seit Mai 2021 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Januar 2024 ohne Erfolg auf 244 Wohnungsangebote bei kommunalen und privaten Vermietern in Berlin und im Berliner Umland beworben hatte, kam das Gericht unweigerlich zu dem Ergebnis, dass ein Härtefall vorliegt. (Verkürzte Darstellung)

Wie oft muss ein Mieter sich bewerben, um vom Härtefall gebrauch machen zu können?

"Schematische Vorgaben, wie und insbesondere wie oft sich ein Mieter um Ersatzwohnraum zu bemühen habe, um sich mit Erfolg auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums berufen zu können, sehe § 574 Abs. 2 BGB nicht vor. Stattdessen hänge das Maß der dem Mieter abzuverlangenden Bemühungen davon ab, was ihm abhängig von den konkreten Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes nach seinen persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zugemutet werden könne."

Ausdrücklich müssen sich Mieter nicht auf Wohnungen bewerben, welche offensichtlich nicht angemietet werden können. Etwa Wohnungen, welche viel zu teuer sind oder andere Voraussetzungen nicht erfüllt werden können.


Haben Sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten und trotz etlicher ernsthafter Wohnungsbewerbungen keinen Erfolg? Geben Sie nicht auf!


Insbesondere Mietern, welche schon viele Wohnungsinserate geprüft, viele Bewerbungen versandt und viele Wohnungen besichtigt haben und schlicht keinen Erfolg oder kein Glück hatten, in dem hart umkämpften Wohnungsmarkt eine Wohnung zu ergattern, ist zu raten, sämtliche Wohnungsbewerbungen und Antworten bzw. Absagen der Vermieter aufzubewahren und diese für einen möglichen Gerichtsprozess bereitzuhalten. In vielen Fällen kann ein Härtefall geltend gemacht werden.  

Nehmen Sie eine solche Eigenbedarfskündigung, insbesondere in Zeiten der grassierenden Wohnungsnot und drohender Obdachlosigkeit, nicht einfach hin. Lassen Sie sich anwaltlich beraten und prüfen Sie Ihre Möglichkeiten.







Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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