Geschäftsanteile erben schwierig gemacht

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Die Problematik der Stimmrechtsausübung durch Erbengemeinschaften bei Gesellschaftsanteilen und die rechtlichen Grenzen der Vertretung bei Gesellschafterversammlungen stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Der § 711 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB, der besagt, dass der Gesellschaftsanteil bei Vorhandensein mehrerer Erben jedem entsprechend seiner Erbquote zufällt und die Regelungen zur Erbengemeinschaft keine Anwendung finden, spiegelt sich in den üblichen Satzungsklauseln wider, die eine gemeinschaftliche Vertretung für die Ausübung des Stimmrechts fordern. Die Entscheidung des Oberlandesgericht Brandenburg vom 2. Januar 2024 (Az.: 7 W 66/23) hebt hervor, dass das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung unabhängig vom Stimmrecht besteht und nicht entzogen werden kann, selbst wenn noch kein gemeinschaftlicher Bevollmächtigter bestimmt wurde. Ein Geschäftsführer muss auch unbenannte Erben zu Versammlungen einladen, selbst wenn es umständlich ist, den Erben zu identifizieren. Die Beschwerde gegen die Anordnung, einen Nachlasspfleger zu finden und diesen zu einer neuen Gesellschafterversammlung zu laden, um rechtskräftig über die Neubesetzung des Geschäftsführers zu entscheiden, hatte Erfolg, hauptsächlich weil eine wirksame Beschlussfassung ohne die Einladung eines Vertreters der Erben nicht möglich ist. Diese Entscheidung bestätigt, dass die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen ein fundamentales Recht darstellt, das auch im Kontext von Erbengemeinschaften und ungeklärten Erbverhältnissen gewahrt werden muss, und verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Handhabung durch die Geschäftsführung.

Erbengemeinschaften mag niemand. Die Erben streiten sich untereinander, aber auch nach außen hin besteht selten Klarheit. Der seit 2023 geltende § 711 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB kündet ein Lied davon: „Sind mehrere Erben vorhanden, fällt der Gesellschaftsanteil kraft Gesetzes jedem Erben entsprechend der Erbquote zu. Die Vorschriften über die Erbengemeinschaft finden insoweit keine Anwendung.“

Schon vorher hatte die Kautelarjurisprudenz für Satzungen von GmbH oft vorgesehen, dass sich Erbengemeinschaften zumindest auf einen gemeinsamen Vertreter einigen müssen, bevor sie ihr Stimmrecht ausüben können. Satzungsklauseln wie folgende sind üblich:

„Handelt es sich um eine Mehrheit von Erben bzw. Rechtsnachfolgern, sind diese verpflichtet, das Stimmrecht durch einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten ausüben zu lassen. Diese Vollmacht ist in notarieller Form vom Bevollmächtigten der Gesellschaft nachzuweisen. Solange der Bevollmächtigte in der vorgeschriebenen Form nicht bestellt ist, ruhen die Gesellschafterrechte der Erben bzw. Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters, insbesondere das Stimmrecht, nicht jedoch das Gewinnbezugsrecht. Das gleiche gilt für die Zeit, in der der Rechtsnachfolger bzw. der Erbe des verstorbenen Gesellschafters nicht bekannt ist.“

Auch die neueste Entscheidung des Oberlandesgericht Brandenburg vom 2. Januar 2024 (Az.: 7 W 66/23) beschäftigt sich mit einer solchen Klausel, vor allem aber mit den Tücken. Die Entscheidung unterstreicht das vom Stimmrecht unabhängige Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung. Dabei sein und mitdiskutieren dürfen auch die in einer Erbengemeinschaft verbundenen Erben, die noch keinen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten gefunden haben. Im Eifer des Gefecht wird das bei der Ladung zu einer Gesellschafterversammlung gerne vergessen. Im Falle von Erben, die sich rund um den Globus verteilen, kann es auch sehr lästig sein, den Voraussetzungen der Ladung zu entsprechen. Gerade aber bei einer GmbH sollte der Geschäftsführer sich in Erinnerung rufen, dass die Ladung von Gesetzes wegen Versand werden muss, der Zugang aber nicht erforderlich ist. Falls die Satzung keine Abweichung hiervon vorsieht, ist das auch ohne Corporate Housekeeping machbar.

Bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts ging es um folgenden Sachverhalt:

Gesellschafter der Antragstellerin zu 1. waren die Antragstellerin zu 2. mit einem Geschäftsanteil von 12.250 € und R… R… mit einem Geschäftsanteil von 12.750 €. R… R… war auch allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1. Er ist zwischen dem 13. und 14.03.2023 verstorben. Die Erben sind nicht bekannt. Die Antragstellerin zu 2. beschloss als Gesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung am 04.05.2023 unter Verzicht auf alle gesetzlichen und/oder satzungsrechtlich vorgeschriebenen Formen und Fristen der Einberufung, Ankündigung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung, dass sie zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von § 181 BGB bestellt wird. Mit Antrag vom selben Tag begehrt sie die Löschung von R… R… als Geschäftsführer und ihre Eintragung als Geschäftsführerin.

Sie beruft sich auf § 13 des Gesellschaftsvertrages, der die Folgen des Todes eines Gesellschafters regelt. Die Vorschrift lautet:

㤠13 Tod eines Gesellschafters

1. Beim Tod eines Gesellschafters sind nur Mitgesellschafter nachfolgeberechtigt. Geht ein Geschäftsanteil auf eine nicht nachfolgeberechtigte Person über, ist er an eine nachfolgeberechtigte Person zu übertragen, wenn die Gesellschaft dies innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschaft ein Erbschein über die Erbfolge vorgelegt worden ist, verlangt.

Das Verlangen ist an einen der im Erbschein ausgewiesenen Erben durch Einschreibebrief oder gegen schriftliches Empfangsbekenntnis zu richten. Die Frist ist durch die Aufgabe zur Post gewahrt.

2. Die Übertragung hat innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen und muss auch innerhalb dieser Frist der Gesellschaft angezeigt werden. Für die Berechnung des Fristbeginns ist bei Übersendung des Abtretungsverlangens durch Einschreibebrief der Tag maßgeblich, an dem dieser zur Post aufgegeben wurde. Gleiches gilt für die Wahrung der Frist zur Anzeige der Übertragung, soweit die Aufgabe zur Post im Inland erfolgt.

3. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist stellt die Gesellschaft mittels eingeschriebenen Briefes an die nicht nachfolgeberechtigten Erben fest, dass der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters gegen Entgelt eingezogen wird oder die entgeltliche Abtretung des Geschäftsanteils an sie oder an eine dritte Person zu erfolgen hat. Die Einziehungsverfügung regelt sich nach § 12 des Gesellschaftsvertrages.

4. Bis zur Übertragung und Anzeige bei der Gesellschaft ruhen die Gesellschafterrechte mit Ausnahme des Gewinnnbezugsrechts.“

Das Registergericht hat mit Zwischenverfügung vom 15.05.2023 angeordnet, dass die Antragstellerin zu 1. eine Nachlasspflegschaft anregen und den Nachlasspfleger zur Versammlung zu laden habe. Dies gelte unabhängig davon, dass § 13 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages das Ruhen der Gesellschafterrechte im Fall des Todes eines Gesellschafters vorsehe. Das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung sei - anders als das Stimmrecht - nicht entziehbar.

Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich die Antragstellerinnen und tragen zur Begründung vor, dass ihrer Auffassung nach auch das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen wirksam entzogen werden könne, wenn dafür ein sachlicher Grund gegeben sei. In diesem Fall dürfe auch die Ladung des Gesellschafters unterbleiben. Der sachliche Grund für das Ruhen des Teilnahmerechts an Gesellschafterversammlungen sei hier die zügige Fortführung des Geschäfts der Gesellschaft ohne Beeinträchtigung durch die Erben oder deren Vertreter. Dies sei sachgerecht, weil die verbleibende Gesellschafterin ohnehin ein Übernahme- bzw. Bestimmungsrecht für die Übertragung der Geschäftsanteile habe und anderenfalls die Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters eingezogen würden. Die Erben selbst seien nicht zur Übernahme berechtigt. Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.


Die Beschwerde hat allein deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Entscheidung durch eine Zwischenverfügung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG nicht vorliegen. Der Umstand, dass in der Gesellschafterversammlung vom 04.05.2023 nicht wirksam über die Bestellung der Antragstellerin zu 2. als Geschäftsführerin beschlossen werden konnte, weil die Erben des verstorbenen Mitgesellschafters nicht zu der Versammlung geladen worden sind, ist nicht behebbar. Nach der Auffassung des Registergerichts ist vielmehr nach Bestellung eines Nachlasspflegers eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen und über die Bestellung eines Geschäftsführers in der dann wirksam einberufenen Gesellschafterversammlung zu beschließen. Die vom Registergericht aufgezeigten Mängel der Beschlussfassung vom 04.05.2023 sind danach nicht zu heilen, sondern bedürfen einer neuen Beschlussfassung und der erstmaligen Schaffung der einzutragenden Tatsachen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG § 382 Rn. 15). Das Registergericht hätte mithin auf die Mängel der Beschlussfassung hinweisen und den Antrag nach Anhörung der Antragstellerinnen zurückweisen müssen.

Die Rechtsauffassung des Registergerichts, wonach die Bestellung einer Geschäftsführerin nicht ohne Ladung eines Vertreters der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung wirksam beschlossen werden kann, dürfte demgegenüber zutreffend sein. Gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog ist die Nichtladung eines Gesellschafters ein Einberufungsmangel, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Das Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen ist auch bei Ruhen der Gesellschafterrechte nicht entziehbar (Henssler/Strohn - Hillmann, Gesellschaftsrecht, § 51 Rn. 27; MüKoGmbHG-Liebscher, § 51 GmbHG Rn. 72). Zulässig sind Beschränkungen des Teilnahme(?)rechts durch die Anordnung der gemeinsamen Vertretung mehrerer an einem Geschäftsanteil Berechtigter. Das sich aus der Mitgliedschaft hergebende Teilnahmerecht ist aber unverzichtbar, soweit dem Gesellschafter die willensgetragene Wahrnehmung der Gesellschafterrechte insgesamt nicht mehr zugestanden wird (BGH, Urteil vom 17.10.1988 - II ZR 18/88, GmbHR 1989, 120, juris Rn. 5).

Diese Wirkung hat hier die von den Antragstellerinnen vertretene Auslegung des Gesellschaftsvertrages, da die Einberufung und Beschlussfassung über sämtliche die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten zulässig wäre, ohne dass die Erben oder vor deren Ermittlung ein zu ihrer Vertretung berufener Nachlasspfleger Kenntnis von den Beschlussfassungen erlangen. Der Antragstellerin zu 1. wäre es sogar möglich, längerfristig Beschlüsse zu fassen, die den Interessen der durch den Erbfall berufenen Gesellschafter zuwiderliefen, da sämtliche Fristen für die Übernahme des Geschäftsanteils erst zu laufen beginnen, wenn der Gesellschaft ein Erbschein vorgelegt worden ist.



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