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Hälftige Haftung bei unaufklärbarem Verkehrsunfall?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Nicht immer ist die Sachlage bei einem Verkehrsunfall unstreitig. Vielmehr erzählen sämtliche Unfallbeteiligte regelmäßig etwas anderes und auch etwaige Zeugen sind manchmal keine große Hilfe. Landet ein Streit um Schadenersatz vor Gericht, muss spätestens hier geklärt werden, wer in welcher Höhe haften muss. Doch wie sieht die Haftungsverteilung bei einem unaufklärbaren Verkehrsunfall aus?

Unfall im Kreuzungsbereich

Ein Autofahrer wollte an einer Kreuzung links abbiegen. Hier kollidierte er jedoch mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Vor Gericht stritten die Parteien, wer schuld am Unfall war, denn beide Verkehrsteilnehmer gaben an, bei „Grün“ in die Kreuzung eingefahren zu sein. Der beklagte Linksabbieger erklärte ferner, dass seine Ampel einen Grünpfeil gehabt habe, was durch Fotos bewiesen werden könne.

Das zuständige Landgericht entschied, dass der Linksabbieger zu 2/3 haften muss. Zwar sei der Unfallhergang unaufklärbar, aber das Abbiegen nach links sei ein gefahrenträchtiger Vorgang und erhöhe somit die Betriebsgefahr des betreffenden Fahrzeugs. Der Linksabbieger wollte das Urteil nicht akzeptieren und legte Berufung ein.

Hälftige Haftungsverteilung bei unbekanntem Unfallhergang

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken gab dem Linksabbieger recht. Weil selbst während des Schadenersatzprozesses nicht geklärt werden konnte, wie es zu dem Unfall gekommen ist, mussten beide Beteiligte zu jeweils 50 % haften.

Warum hälftige Haftungsverteilung?

Ist der Unfallhergang unklar, kann einem Unfallbeteiligten eigentlich keine größere Schuld an dem Vorfall gegeben werden als dem anderen. Gerichte wägen daher nur die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge ab, also die Gefahr, die von einem Fahrzeug bei dessen Betrieb ausgeht. Sofern zwei Pkw an dem Unfall beteiligt waren, ist von der gleichen Betriebsgefahr auszugehen, weshalb eine gleiche Haftungsquote gilt. Die kann sich aber verschieben, wenn z. B. ein Kfz und ein Lkw bzw. Radler in den Unfall verwickelt waren.

Erhöhung der Betriebsgefahr wegen des Abbiegevorgangs?

Auch können sich Fahrfehler der Unfallbeteiligten haftungserhöhend auswirken – wenn sie nachgewiesen, unstreitig oder zugestanden sind und unfallursächlich waren. Das wäre z. B. der Fall, wenn ein Fahrzeugführer bei Rot in die Kreuzung eingefahren ist und es deshalb zur Kollision kam. Vorliegend behaupten beide Verkehrsteilnehmer jedoch, Grün gehabt zu haben. Keinem konnte daher ein Fahrfehler nachgewiesen werden.

Auch hatte der Linksabbieger nicht gegen § 9 III Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Nach der Vorschrift müssen Abbiegewillige entgegenkommenden Fahrzeugen Vorfahrt gewähren. Das gilt aber nach § 37 II Nr. 1 StVO nicht, wenn die Ampel für den Abbiegenden an der Kreuzung einen Grünpfeil hat. Leuchtet dieser auf, darf der Abbieger auf die Kreuzung fahren – er muss nicht damit rechnen, dass der Gegenverkehr ebenfalls Gas gibt. Weil der Linksabbieger unstreitig an einer Ampel mit Grünpfeil stand, durfte er bei Grün fahren, ohne zuvor seinen späteren Unfallgegner durchlassen zu müssen. Er hat somit keinen Fahrfehler begangen, weshalb auch die Betriebsgefahr seines Kfz nicht erhöht werden durfte. 

Fazit: Kann ein Unfallhergang nicht mehr aufgeklärt werden, ist bei zwei beteiligten Autofahrern in der Regel von einer 50:50-Haftungsquote auszugehen.

(OLG Zweibrücken, Urteil v. 29.06.2016, Az.: 1 U 14/15)

(VOI)

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