Häusliche Gewalt und Ausgangssperren – Corona und Gewaltschutz- sowie Wohnungszuweisungsverfahren

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Die Beschränkung des öffentlichen Lebens durch Landesverordnungen und Bundesgesetzgebung im Zuge der Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus stellt das gesellschaftliche Leben in Deutschland vor völlig neue Herausforderungen.

Nicht nur arbeiten die Gerichte derzeit weitestgehend im Notbetrieb, sondern Familien und Partner verbringen die nächsten Tage und Wochen notgedrungen auf engstem Raum, da Ausgangsbeschränkungen beziehungsweise Ausgangssperren verhängt wurden und die Kinder nicht die Schule, den Kindergarten, den Hort oder sonstige Tagesbetreuungen besuchen können oder Erwachsene wegen Kurzarbeit oder mangels Betreuungsmöglichkeiten ebenfalls nicht arbeiten gehen können. Bei der Verhängung von Quarantäne sind die Maßnahmen noch drastischer, da nicht einmal ein Spaziergang an der frischen Luft möglich ist.

Aus den Ländern, in denen die Verbreitung des Coronavirus bereits weiter fortgeschritten ist als in Deutschland (China, Spanien und Italien), gibt es erschreckende Meldungen auch was die Mehrung der häuslichen Gewalt gegenüber Kindern, Partnern und sonstigen Haushaltsangehörigen betrifft. Frauen- und Kinderhilfsdienste schlagen Alarm, da die Meldungen häuslicher Gewalt bis zu dreimal höher als zu üblichen Zeiten sein sollen.

Gleichzeitig ist der Zugang zu Hilfseinrichtungen wie Frauenhäusern und Kindernoteinrichtungen etc. durch die aktuelle Lage erheblich erschwert, es gibt Aufnahmestopps und die Problematik, dass bei auch nur einem positiv getesteten Bewohner oder Verdachtsfall ein ganzes Haus beeinträchtigt ist.

Täter können wegen der aktuellen Situation möglicherweise noch unbeobachteter Gewalt ausüben oder Missbrauch betreiben.

Was also tun, wenn Sie aktuell Opfer häuslicher Gewalt oder Missbrauchs sind oder merken, dass jemand anderes in solchen Schwierigkeiten steckt?

Sie können sich, wenn Kinder betroffen sind, auch weiterhin an die Jugendämter wenden, welche Notdienste organisieren und gegebenenfalls versuchen werden, das Kind vorübergehend unterzubringen und/oder anderweitig zu helfen. Auch hier besteht natürlich die Problematik der begrenzten Kapazitäten. Alles weitere kann Ihnen aber nur das Jugendamt vor Ort mitteilen.

Auch stehen die Familiengerichte für sogenannte Gewaltschutzanträge (häusliche Gewalt zwischen Eltern oder sonstigen Personen unabhängig von Verwandtschaftsgrad etc.) bzw. Anträge wegen Kindeswohlgefährdungen nach § 1666 BGB (häusliche Gewalt oder sonstige Gefährdungen Kinder betreffend) im Rahmen der Bereitschaftsdienste zur Verfügung.

Wir empfehlen grundsätzlich, diese Anträge aktuell im Eilverfahren einzureichen. Hierzu stehen zu den Öffnungszeiten auch die Protokollstellen der Familiengerichte zur Verfügung. Ein Anwaltszwang besteht für derartige Verfahren nicht, allerdings empfiehlt sich hier trotzdem die Konsultation eines Anwaltes zur Vorbereitung des Verfahrens. 

Die Anträge sollten bestimmt sein und bestimmte Verbote enthalten, zum Beispiel Kontaktverbote, Näherungsverbote etc. Zudem muss das zugrundeliegende Geschehen an Eides statt versichert werden, d. h., dass falsche Angaben hier strafbewehrt wären.

Sofern das Gericht aufgrund der Schilderungen der Antragsteller/in davon überzeugt ist, dass hier eine Schutzmaßnahme dringend erforderlich ist, wird es dem Antrag -soweit rechtlich vertretbar – auch ohne Anhörung des Antragsgegners stattgeben und einen sogenannten Gewaltschutzbeschluss erlassen, dessen sofortige Wirksamkeit auch vor der Zustellung angeordnet werden soll.

Gemäß dem Gewaltschutzgesetz kann das Gericht insbesondere befristet anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1. die Wohnung der verletzten Person zu betreten,

2. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,

3. zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,

4. Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,

5. Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen, soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

Gemäß § 2 des Gewaltschutzgesetzes kann zudem der Täter der Wohnung verwiesen werden.

Darüber hinaus können bei betroffenen Kindern noch sorgerechtliche Maßnahmen gemäß § 1666 BGB zulasten des Antragsgegners eingeleitet werden.

Zudem gibt es zusätzlich für verheiratete Paare noch die Möglichkeit des sogenannten Wohnungszuweisungsverfahren nach § 1361b BGB, welches ebenso die Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten ermöglicht. Voraussetzung ist lediglich, dass die Ehegatten bereits getrennt leben oder ein Partner sich trennen möchte und eine unzumutbare Situation eingetreten ist. Wer die Wohnung für sich beansprucht, muss dies natürlich auch entsprechend begründen (z. B. wegen der gemeinsamen Kinder etc.). Auch hier ist die Beantragung einer einstweiligen Anordnung möglich.

Für sämtliche Verfahren gilt wie immer, dass finanziell Hilfebedürftige zugleich einen Antrag auf sogenannte Verfahrenskostenhilfe stellen können. Das erforderliche Formular finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik Formulare. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts sollte zeitgleich mit dem Sachantrag gestellt und alle Unterlagen zur Bewertung Ihrer finanziellen Situation miteingereicht werden.

Die Gerichte benötigen ab Antragstellung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung wenige Stunden bis Tage.

Sollte der Schutz der betroffenen Personen zuvor akut notwendig sein und in allen anderen notwendigen Fällen, sollte zudem die Polizei unter dem allgemeinen Notruf verständigt werden, welche auch Wegweisungen des Täters im Rahmen ihrer polizeilichen Befugnisse aussprechen kann. D. h. auch hier kann bereits durch eine ordnungspolizeiliche Maßnahme für zumindest ein paar Tage Abhilfe geschaffen werden.

Erlässt das Familiengericht wie oben geschildert eine einstweilige Anordnung, können die dadurch Benachteiligten allerdings die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragen, sofern diese unterblieben ist. Denn auch der Antragsgegner hat einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Wie und wann diese Anhörung bei Gericht dann aktuell aufgrund der gesundheitlichen Schutzvorschriften umgesetzt wird, ist noch nicht bekannt und wird auch von den Gerichten individuell gehandhabt.

Darüber hinaus sollte das Stellen einer Strafanzeige und eines Strafantrags nach Gewalttaten in Betracht gezogen werden. Daraufhin folgen dann strafrechtliche Ermittlungen unabhängig von den Verfahren vor den Familiengerichten. 

In jedem Fall sollten Sie Verletzungen unbedingt umgehend dokumentieren (lassen), zum Beispiel durch ärztliche Atteste, Fotos etc. und auch sonst möglichst viele Beweise für die erfolgten Übergriffe zur Vorlage bei Gericht und Polizei etc. sammeln. Empfehlenswert ist zudem das Protokollieren der Vorfälle mit genauer Angabe des Datums, der Uhrzeit, des Ortes und der Art des Vorfalls. Damit erleichtern Sie später den Familiengerichten, den Anwälten und den Strafverfolgungsbehörden Ihre Arbeit.

Bleiben Sie gesund!

Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht


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