Irreführende Werbung mit Gütesiegeln vermeiden – Rechtliche Risiken & Pflichten - Anwalt, Abmahnung UWG
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Irreführende Werbung mit Gütesiegeln
In Zeiten steigender Informationsflut sind Gütesiegel ein bewährtes Mittel, um das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen. Unternehmen nutzen diese Zeichen, um Qualität, Sicherheit oder Umweltbewusstsein zu kommunizieren. Doch die Werbung mit Gütesiegeln unterliegt strengen rechtlichen Anforderungen. Als auf das Wettbewerbsrecht spezialisierte Kanzlei möchten wir Ihnen in diesem Artikel die rechtlichen Rahmenbedingungen, zulässigen Einsatzmöglichkeiten, aber auch die Konsequenzen bei irreführender Werbung mit Gütesiegeln näherbringen. Unsere Spezialisten für Wettbewerbsrecht beraten Sie umfassend zur
Werbung mit Gütesiegeln und irreführender Werbung
Was ist ein Gütesiegel?
Gütesiegel sind visuelle Kennzeichnungen, die die Qualität oder bestimmte Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung hervorheben sollen. Sie werden entweder von unabhängigen Prüfinstitutionen vergeben oder von den Unternehmen selbst gestaltet. Dabei unterscheidet man unter anderem:
Amtliche Gütesiegel (z. B. Bio-Siegel der EU)
Private Prüfsiegel (z. B. TÜV, Stiftung Warentest)
Brancheninterne Auszeichnungen
Selbstvergebene Labels
Rechtlich betrachtet handelt es sich bei Gütesiegeln um geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 UWG, die strengen Anforderungen an Transparenz und Wahrheit unterliegen.
Rechtsrahmen: Werbung mit Gütesiegeln
Die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen sind:
§ 5 UWG: Verbot der irreführenden Werbung
§ 5a UWG: Irreführung durch Unterlassen wesentlicher Informationen
Preisangabenverordnung (PAngV): Informationspflichten
Telemediengesetz (TMG): Für Online-Werbung relevant
Entscheidend ist, dass der Verbraucher durch die Verwendung des Siegels nicht getäuscht oder in die Irre geführt wird – insbesondere über die Herkunft, Aussagekraft oder Vergabekriterien des Gütesiegels.
Zulässigkeit von Gütesiegeln in der Werbung
Wann ist Werbung mit Gütesiegeln erlaubt?
Eine Werbung mit einem Gütesiegel ist zulässig, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Das Siegel existiert tatsächlich.
Es wurde ordnungsgemäß und objektiv vergeben.
Der Verbraucher kann die Hintergründe nachvollziehen.
Das Siegel ist für den beworbenen Produktbereich relevant.
Kriterien der Rechtsprechung
Gerichte wie der Bundesgerichtshof (BGH) oder diverse Oberlandesgerichte (OLG) haben wiederholt betont, dass es auf den Verbrauchereindruck ankommt. Die Werbung muss lauterkeitsrechtlich neutral und nicht suggestiv sein.
Bedeutung der Bekanntheit und Glaubwürdigkeit
Die Verwendung besonders bekannter Siegel (z. B. TÜV) verpflichtet zur besonderen Sorgfalt, da Verbraucher hiermit hohe Qualitätsmaßstäbe assoziieren. Ein unbekanntes Siegel kann hingegen schnell als Täuschung gelten.
Transparenzpflichten gegenüber Verbrauchern
Unternehmen müssen offenlegen:
Wer das Siegel vergibt
Welche Prüfkriterien gelten
Wie aktuell die Bewertung ist
Ob eine kostenpflichtige Zertifizierung stattfand
Diese Informationen müssen leicht zugänglich sein, besonders bei Online-Werbung.
Belegpflicht für Gütesiegel
Laut ständiger Rechtsprechung besteht eine Fundstellenpflicht: Unternehmen müssen klar und nachvollziehbar dokumentieren können,
wann,
von wem
und auf welcher Basis das Siegel verliehen wurde.
Eine Verlinkung zur Prüfinstitution oder ein Hinweis im Kleingedruckten kann genügen – sofern diese klar erkennbar sind.
Irreführende Werbung mit Gütesiegeln
Wann liegt Irreführung vor?
Eine Werbung gilt als irreführend, wenn:
Das Siegel frei erfunden oder nachgemacht wurde.
Es von einer völlig unbekannten Stelle stammt.
Die Aussagekraft überbewertet wird („Testsieger“ ohne Beleg).
Das Siegel für ein anderes Produkt gilt.
Beispiele aus der Praxis
Ein Unternehmen wirbt mit „Best Brand Award 2023“ – die Institution existiert nicht.
Ein Onlineshop zeigt das TÜV-Siegel, obwohl die Prüfung Jahre zurückliegt.
Ein Produkt trägt ein „Vegan“-Siegel, obwohl dies intern erstellt wurde.
Bedeutung von „Testsieger“ oder „Zertifiziert durch…“
Solche Begriffe sind besonders gefährlich, da sie den Eindruck einer objektiven Überprüfung erzeugen. Wer diese verwendet, muss stets nachweisen können, auf welche Prüfung sich die Behauptung stützt.
Fehlende oder unklare Fundstellen
Der BGH entschied (Urteil I ZR 134/15), dass eine Fundstelle klar erkennbar und abrufbar sein muss. Es reicht nicht, in der Fußnote vage auf eine Quelle hinzuweisen, wenn der Nutzer diese nicht ohne weiteres erreichen kann.
Gütesiegel von unbekannten oder erfundenen Stellen
Vorsicht ist geboten bei:
Selbst erstellten „Gütesiegeln“
Kooperationen mit fragwürdigen Prüfstellen
Importierten Produkten mit obskuren Labeln
Unbekannte Prüfinstitutionen können als Irreführung gewertet werden, wenn der Verbraucher eine neutrale Autorität vermutet.
Selbstvergebene Siegel und Logos
Unternehmen dürfen grundsätzlich eigene Labels gestalten. Diese dürfen jedoch nicht den Anschein eines offiziellen Gütesiegels erwecken. Es muss klar erkennbar sein, dass es sich um ein Marketing-Element handelt.
Pflichten bei Online-Werbung mit Siegeln
Im digitalen Raum gelten besondere Anforderungen:
Responsive Darstellung: Die Fundstelle muss auch mobil leicht zugänglich sein.
Verlinkungspflicht: Prüfnachweis per Link oder PDF
Auffindbarkeit: Keine versteckten Hinweise in AGB oder Footer
Rechtsfolgen bei unzulässiger Siegelwerbung
Abmahnungen und Klagen
Wettbewerbsverbände (z. B. Wettbewerbszentrale)
Verbraucherzentralen
Mitbewerber
können eine Abmahnung wegen unlauterer Werbung aussprechen. Es folgen meist:
Unterlassungserklärung
Vertragsstrafen
Gerichtliche Unterlassungsverfahren
Vertragsstrafen & Schadensersatz
Wird gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, drohen empfindliche Vertragsstrafen. Auch ein Schadensersatzanspruch kann entstehen, wenn der Wettbewerb gezielt geschädigt wurde.
Verbraucherschutz und Gütesiegel
Die Verbraucherzentralen prüfen regelmäßig die Rechtskonformität von Siegelwerbung und haben ein wachsames Auge auf Online-Shops, insbesondere bei Lifestyle-, Technik- und Nahrungsergänzungsprodukten.
Beispiele aus der Rechtsprechung
BGH, Urteil I ZR 134/15 („Testsieger II“)
OLG Düsseldorf, Urteil I-15 U 68/21 (Siegel von Onlineportalen)
LG München I, Urteil 33 O 6588/19 („Eigenlabel“)
Diese Urteile zeigen deutlich: Gerichte legen strenge Maßstäbe an.
Checkliste für rechtssichere Werbung mit Siegeln
✅ Checkpunkt | Beschreibung |
---|
Existenz prüfen | Gibt es das Siegel tatsächlich? |
Prüfkriterien einsehen | Nach welchen Standards wurde zertifiziert? |
Fundstelle angeben | Ist der Prüfbericht öffentlich zugänglich? |
Siegel nicht irreführend darstellen | Keine Übertreibung oder falsche Assoziation erzeugen |
Transparenz sicherstellen | Herkunft und Bedeutung des Siegels offenlegen |
Regelmäßig aktualisieren | Veraltete Siegel entfernen oder Hinweis auf Aktualität geben |
Werbung mit Gütesiegeln - wir beraten Sie
Die Werbung mit Gütesiegeln ist ein effektives, aber rechtlich sensibles Marketinginstrument. Wer sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält, riskiert nicht nur Imageverluste, sondern auch erhebliche rechtliche Konsequenzen. Unsere Empfehlung als Kanzlei: Lassen Sie jede Siegelkampagne rechtlich prüfen, bevor sie live geht – so schützen Sie Ihr Unternehmen vor teuren Fallstricken. Unsere Spezialisten für Wettbewerbsrecht stehen Ihnen jederzeit zur Seite:
Spezialisten für Wettbewerbsrecht - LoschelderLeisenberg Rechtsanwälte
Darf ich jedes Gütesiegel in meiner Werbung nutzen?
Nein, nur wenn Sie dazu autorisiert sind und das Siegel auf Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung zutrifft.
Muss ich immer eine Fundstelle angeben?
Ja, laut BGH ist eine transparente, leicht auffindbare Fundstelle zwingend erforderlich.
Was passiert bei irreführender Siegelwerbung?
Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Vertragsstrafen sind mögliche Konsequenzen.
Kann ich mein eigenes Gütesiegel erstellen?
Ja, aber es darf nicht den Eindruck eines offiziellen oder unabhängigen Siegels erwecken.
Gilt das auch für Werbung auf Social Media?
Ja, auch dort gelten die Regeln der UWG – unabhängig vom Medium.
Was ist mit veralteten Zertifikaten?
Diese dürfen nicht mehr verwendet werden, wenn ihre Aussagekraft nicht mehr aktuell ist.
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