Kapitalanlage AMTEX Oil&Gas: Landgericht Karlsruhe verurteilt Vermittler zu vollem Schadensersatz

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Eine Kleinanlegerin aus Baden-Württemberg hat erstinstanzlich einen Schadensersatzprozess gegen einen Anlagevermittler, der mittlerweile in der Schweiz wohnt, gewonnen. Vertreten wurde die Klägerin von Rechtsanwalt Dr. Jürgen Klass.

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Der Beklagte empfahl der Klägerin eine Investition in ein Erdöl- bzw. Erdgasprojekt „Barton Russell“ der AMTEX Oil & Gas Inc. in Dallas / USA („AMTEX“). Ausweislich des im Rahmen der Gespräche vorgelegten Flyers sollten die Kunden direkt aus den Erlösen von Erdöl- und Erdgasquellen profitieren, indem sie in den USA direkte Beteiligungen an Erdöl- und Erdgasförderanlagen erwarben.

Verurteilung des Vermittlers

Nach Auffassung des Landgerichts Karlsruhe steht der Klägerin gegen den Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aufgrund einer Beratungspflichtverletzung zu. Der Beklagte wurde deshalb am 19.12.2019 verurteilt, an die Klägerin knapp 19.000 € nebst Zinsen zu bezahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Investment. Außerdem hat das Gericht im Urteil festgelegt, dass der Beklagte verpflichtet ist, jeden Schaden der Klägerin zu ersetzen, der ihr künftig noch entstehen wird (insbesondere im Hinblick auf Forderungen der DETEX und der Dr. Bischoff & Tann GmbH). Schließlich muss der Beklagte alle Rechtsverfolgungskosten erstatten.

Risikoreiche Anlage im grauen Kapitalmarkt

Das Landgericht stellte sich auf die Seite der Geschädigten und machte deutlich, dass die vom Beklagten ausgesprochene Empfehlung nicht dem von der Klägerin geäußerten Anlageziel, eine sichere und altersvorsorgegerechte Anlage zu tätigen, entsprochen habe. Denn bei der Anlage in das Produkt der AMTEX handelt es sich – so der Hinweis des Gerichts – um eine risikoreiche Anlage im grauen Kapitalmarkt. Der Beklagte selbst hatte dies in der Verhandlung am 14.11.2019 auch selbst eingeräumt.

Außerdem enthält – so das Gericht – der vom Beklagten im Rahmen der Beratung überreichte AMTEX-Flyer keine dezidierten Hinweise auf einen Totalverlust des Geldes: „Zwar wird in der Projektbroschüre auf die Möglichkeit eines Totalausfalls hingewiesen. Die dort enthaltenen Angaben wurden aber durch die vom Beklagten mündlich der Klägerin gegenüber getätigten Äußerungen, es handele sich um eine sichere Anlage, relativiert. … Zur Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte die bei der Klägerin aufkommenden Fragen zum Risiko der Anlage ferner dadurch relativiert, dass er darauf hinwies, notfalls könne ein Austausch bzw. ein Wechsel der Quellen vorgenommen werden, sodass der Klägerin die tatsächliche Dimension ihrer Risikoexposition nicht bewusst war.“

Keine Verjährung

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche waren nach Meinung des Gerichts auch nicht zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage im Jahre 2019 verjährt: „Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der behaupteten fehlerhaften Beratung kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass sie trotz des ihr bekannten Ausbleibens der vierteljährlichen Ausschüttungen ab Januar 2011 weiterhin auf die Beschwichtigungen des Beklagten vertraut und dies nicht zum Anlass genommen hat, ihre Anlageentscheidung anhand des Prospekts und der Beratungsdokumentation kritisch zu überprüfen. … 

Denn der Anleger misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilung seines Beraters, die dieser in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Wenn er deshalb auf den Rat und die Angaben seines Beraters vertraut und davon absieht, den ihm übergebenen Prospekt durchzusehen und auszuwerten, ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht grobes Verschulden gegen sich selbst zu sehen. Auch nach der Zeichnung hat der Anleger, sofern er auf den Rat und die Angaben seines Beraters vertraut, die ihm übergebenen Prospekte nicht zusätzlich durchzusehen und auszuwerten.“

Bedeutung des Urteils

Der Gerichtsentscheidung, die noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, kommt aus Sicht des Verbraucherschutzes eine wichtige Bedeutung zu: Denn die Standardverteidigungsargumente der Vermittler und Finanzberater haben keinen Wert, wenn sie durch eine persönliche Anhörung der Klagepartei entkräftet und widerlegt werden können. Deshalb sind in Anlegerschutzprozessen nicht nur eine sorgfältige, einzelfallbezogene Prozessführung, sondern auch eine glaubhafte Darstellung des Sachverhalts im Verhandlungstermin wegweisend. Der betroffene Kläger muss in Ruhe und ohne Belastungseifer den Verlauf der Finanzberatung, die gefallenen Worte und seine Anlagewünsche darstellen. In diesem Zusammenhang sollte sein Anwalt auch selbst kritische Fragen an den häufig ebenfalls persönlich anwesenden Anlagevermittler richten und versuchen, ihn bloßzustellen und in die Enge zu treiben.

Rechtsanwalt Dr. Jürgen Klass ist seit 1996 Anwalt und auf den Anlegerschutz spezialisiert; für Fragen steht er jederzeit gerne zur Verfügung.



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