Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Kürzung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden

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„Behinderung der Betriebsratsarbeit“ – diesen Vorwurf muss sich ein Arbeitgeber in Deutschland grundsätzlich gefallen lassen, wenn er sich entscheidet, die Vergütung eines Mitglieds des Betriebsrats zu kürzen. Wenn es dann auch noch um die Kürzung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden geht, ist die Empörung seitens Betriebsrats und Gewerkschaft umso größer.

Kürzung von Gehältern von Mitgliedern des Betriebsrats kann alternativlos sein

Die Kürzung der Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats kann in vielen Fällen für den Arbeitgeber alternativlos sein, um sich nicht selbst wegen Betriebsratsbegünstigung oder Untreue strafbar zu machen.

Laut Medienmitteilung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Mai 2023 geht es um folgenden Fall:

„Die Großkraftwerk Mannheim AG unterhält in Mannheim einen Betrieb mit ca. 500 Arbeitnehmern sowie 60 Auszubildenden. Für den Standort Mannheim ist ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet. Der Vorsitzende des Betriebsrats ist langjährig bei der Großkraftwerk Mannheim AG beschäftigt. Er ist aufgrund seiner Betriebsratsarbeit von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Bis zu seiner Freistellung war der Betriebsratsvorsitzende als Schlosser tätig. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Seit März 2011 wurde ihm ein Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit überlassen.

Im Juni 2022 kürzte die Großkraftwerk Mannheim AG die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden und stellte ihm keinen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit mehr zur Verfügung. Die Vergütung ist nach Auffassung der Großkraftwerk Mannheim AG auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die mit dem Betriebsratsvorsitzenden vor dessen Amtsantritt als Betriebsrat vergleichbar gewesen und gemäß den Regelungen des Haustarifvertrags eingruppiert seien.“

Zustimmung des Betriebsrats zur Gehaltskürzung ist nicht erforderlich, weil keine Umgruppierung gegeben ist

Der Betriebsrat war der Auffassung, dass die Kürzung der Vergütung eine Umgruppierung gemäß Betriebsverfassungsgesetz sei und deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen würde. Ohne Zustimmung des Betriebsrats keine Kürzung der Vergütung.

Der Arbeitgeber wiederum ist der Meinung, dass eine Umgruppierung schon allein deshalb nicht vorliegen kann, weil der Betriebsratsvorsitzender freigestellt ist und damit nicht mehr seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen würde.

Dieser Rechtsansicht schloss sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Datum vom 26.Mai 2023, Az.: 12 TaBV 1/23, an und stellte laut Medienmitteilung wie folgt fest:

„Die Großkraftwerk Mannheim AG habe den Betriebsrat zu Recht nicht beteiligt. Der Betriebsratsvorsitzende übe aufgrund der Freistellung bereits keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung bewertet werden könnten. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhten vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung.“

Arbeitgeber muss etwaige Haftungsrisiken wegen Untreue und Betriebsratsbegünstigung ausschließen

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.01.2023 - 6 StR 133/22, Quelle: openJur 2023, 2659, folgendes klargestellt:

„Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.“

Weiter heißt es in dem Urteil des Bundesgerichtshofs klarstellend wie folgt:

„Diese Vermögensbetreuungspflicht wird verletzt, wenn einem Betriebsrat ein Arbeitsentgelt bewilligt wird, das gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) verstößt. Eine solche begünstigende Verfügung führt zu einem verbotenen Vermögensabfluss und ist nichtig (§ 134 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, aaO, Rn. 34; BAG, Urteile vom 21. März 2018 - 7 AZR 590/16, Rn. 16; vom 8. November 2017 - 5 AZR 11/17, Rn. 31; Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 68/08, Rn. 10; Fitting, BetrVG, 31. Aufl., § 37 Rn. 11). Sie überschreitet die in § 93 Abs. 1 AktG normierten und auch der Prokura eigenen äußersten Grenzen des (unternehmerischen) Ermessens und verletzt eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Vermögen.“

Rechtsfolge laut Bundesgerichtshof: „Die Freisprüche der Angeklagten haben daher keinen Bestand.“

Arbeitsrecht für Arbeitgeber – bedeutet: Sorgfältige Abwägung und Prüfung im Detail, ob die Kürzung der Vergütung eines Betriebsrats rechtlich zwingend ist, anderenfalls würde tatsächlich der Vorhalt „Behinderung der Betriebsratsarbeit“ greifen können.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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