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Kein Tauchurlaub ohne Pressluftflasche

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Die Hauptreisezeit steht kurz bevor und damit steigt auch die Vorfreude auf die schönste Zeit des Jahres. Viele Urlauber wollen im Urlaub ihrem Hobby Tauchen nachgehen und fliegen dafür an die schönsten Orte dieser Welt. Ein Ehepaar flog bis nach Cancun/Mexiko, um dort ihren Tauchurlaub zu verbringen. Allerdings stellten sie vor Ort fest, dass eine dringend benötigte Pressluftflasche nicht mehr in einem ihrer Koffer war. Aus diesem Grund erhoben sie schließlich Klage auf Schadensersatz.

Tauchausrüstung im Reisegepäck

Ein Ehepaar aus Bayern wollte einen Tauchurlaub in Cancun/Mexiko verbringen und buchte dafür eine 3-wöchige Reise im Wert von 4838,96 Euro. Für diesen Urlaub gab das Ehepaar die Koffer mit Teilen ihrer Tauchausrüstung als Reisegepäck auf – unter anderem mit einer kleineren Pressluftflasche (sog. „Ponyflasche”). Nach Angaben des Mannes war die Flasche jedoch leer und das Ventil geöffnet. Bei der Ankunft in Cancun stellten sie allerdings fest, dass die Pressluftflasche aus dem Koffer entfernt worden war, ohne sie zu benachrichtigen. Einen Ersatz für die Flasche konnten sie vor Ort nicht finden, sodass der Tauchurlaub buchstäblich ins Wasser fiel. Aus diesem Grund klagten sie nach Rückkehr aus dem Urlaub gegen die Fluggesellschaft auf Schadensersatz.

Klage zunächst erfolglos

Die Klage gegen die Fluggesellschaft vor dem Amtsgericht Erding war erfolglos. Auch die Berufung vor dem Landgericht (LG) Landshut verlor das Ehepaar. Die dortigen Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass das Flugunternehmen nicht für den „hoheitlichen Akt einer Gefahrgutbeauftragten“ verantwortlich sei, denn die Pressluftflasche sei eben nicht durch einen Mitarbeiter der Airline aus dem Koffer genommen worden. Aus diesem Grund sei die Fluggesellschaft nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Tauchern steht Schadensersatz zu

Die Richter am BGH stellten zunächst fest, dass Schadensersatzansprüche des Ehepaars nach § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus dem mit der Fluggesellschaft geschlossenen Beförderungsvertrag nicht durch Art. 29 Montrealer Übereinkommen (MÜ) ausgeschlossen sind, da der geltend gemachte Schaden nicht zu den von Art. 29 MÜ erfassten Schadensfällen zählt.

Entnahme ist keine Verspätung

Auch falsch ist, dass das LG die Entnahme der Pressluftflasche aus dem Gepäck wie eine Verspätung i. S. d. Art. 19 MÜ behandelt hat, denn es stellt gerade keine Verspätung bei der Luftbeförderung dar, wenn Reisende, Gepäck oder Güter überhaupt nicht zum Bestimmungsort befördert werden. Aus diesem Grund sind Schadensersatzansprüche nach deutschem Recht zu beurteilen.

Gesamtes Reisegepäck musste befördert werden

Aufgrund des von dem Ehepaar mit der Fluggesellschaft geschlossenen Beförderungsvertrags war diese verpflichtet, das gesamte aufgegebene Gepäck zu befördern, also auch die Pressluftflasche. Im Fall von auftretenden Problemen hätte die Airline dafür sorgen müssen, dass alle Hindernisse beseitigt werden, die der Beförderung der Pressluftflasche entgegenstanden.

Ehepaar hätte informiert werden müssen

Grundsätzlich ist es Aufgabe der zuständigen Luftsicherheitsbehörde, gefährliche Gegenstände im Gepäck zu finden und auszusortieren. So auch hier: Die Entnahme der Pressluftflasche aus dem Koffer der Frau wurde durch eine Gefahrgutbeauftragte der Luftsicherheitsbehörde veranlasst. Daraufhin wurde ein Angestellter der Fluggesellschaft hinzugezogen. Dieser hätte auf die Interessen des Vertragspartners Rücksicht nehmen und das Ehepaar über den Fund und die eventuelle Nichtbeförderung der Pressluftflasche informieren müssen. Die Flasche wurde um 10:25 Uhr aus dem Gepäck entnommen, der Abflug war erst für 13:05 Uhr geplant. Diese Zeit hätte ausgereicht, das Ehepaar über Lautsprecher auszurufen. Das Paar hätte erklären können, dass die Pressluftflasche leer und das Ventil geöffnet ist. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Luftsicherheitsbehörde ihre Bedenken gegen den Transport der Flasche aufgegeben hätte und die Flasche schließlich zur Beförderung freigegeben hätte.

Schadensersatzansprüche bestehen

Da die Verletzung der vertraglichen Pflichten ursächlich dafür war, dass die Taucherflasche nicht nach Cancun transportiert wurde und die Frau dort nicht Tauchen konnte, besteht ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB.
Eine Fristsetzung ist gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich, da ein Nachholen der Leistung nach der Rückkehr aus dem Urlaub nicht mehr interessant war. Auch eine mögliche Abwendung des Schadens während des Urlaubs war nicht ersichtlich. Aus diesem Grund hat der BGH entschieden, dass das Urteil des LG aufzuheben ist.

Zurückverweisung an LG

Die Richter des BGH verwiesen das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das LG als Berufungsgericht zurück. Dort muss jetzt festgestellt werden, ob das Ehepaar rechtzeitig zur Gepäcköffnung hätte hinzugezogen werden können und ob die Flasche ohne Bedenken hätte transportiert werden können.
Steht ihnen dann ein Schadensersatz zu, können sie gem. § 284 BGB die Aufwendungen ersetzt verlangen, die sie im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht haben und machen durften. Es muss zunächst geprüft werden, ob es möglich gewesen wäre, vor Ort in Cancun eine Ersatzflasche oder ein Leihgerät zu besorgen, was aber die Fluggesellschaft beweisen muss. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen ersetzt werden müssen bzw. der Reisepreis gemindert werden kann, wenn ein Reisender eine Tauchreise bucht und schlussendlich nicht Tauchen kann.

Fazit: Wird bei der Gepäckkontrolle ein Gegenstand gefunden, der aussortiert wird weil er potentiell gefährlich ist, so muss sowohl die Fluggesellschaft als auch der Gepäckeigentümer informiert werden.

(BGH, Urteil v. 13.10.2015, Az.: X ZR 126/114)

(WEI)

Foto(s): ©fotolia.de

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