Klauseln im Arbeitsvertrag Teil 1 – Die Ausschlussfrist

  • 7 Minuten Lesezeit

Mit Blick in den Arbeitsvertrag kann ein jeder vermutlich sagen, was zu Arbeitszeit, Gehalt und Urlaub geregelt ist. Soweit so gut, oder eben auch nicht. Was darüber hinaus im Vertrag steht, wird oftmals abgenickt, weil es halt „so drin steht“. Aber ist das denn wirklich relevant? In losen Abständen soll auf ein paar Standardklauseln eingegangen werden, die meist „halt irgendwie da drin stehen“, im Zweifel aber tatsächlich bedeutsam werden können – sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.


Teil 1 – Die Ausschlussfrist

Ausschlussfristen oder Verfallsfristen sind in der Regel am Ende des Arbeitsvertrags zu finden. Sie besagen in erster Linie, dass Ansprüche, welche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen, innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen. Geschieht das nicht, dann verfallen die jeweiligen Ansprüche und können nicht mehr geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn der jeweilige Anspruch eigentlich noch besteht. Zumeist erlangen solche Ausschlussfristen bei Beendigung des Vertrags ihre Bedeutung, sie können aber auch zuvor durchaus relevant sein.

Sinn und Zweck dieser Ausschlussfristen ist es, Rechtssicherheit zwischen den beiden Vertragsparteien zu schaffen. Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses macht das Sinn mit Blick auf eine einvernehmliche Fortführung der gemeinsamen täglichen Arbeit, ohne dass dabei ewig ungeklärte Ansprüche und Forderungen zwischen den Vertragsparteien im Raum stehen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wiederum steht das Interesse im Vordergrund, möglichst zeitnah eine abschließende und umfassende Bereinigung des beendeten Arbeitsverhältnisses zu treffen und sich nicht noch Jahre später in etwaigen Prozessen um die Abwicklung des Vertrags zu streiten. Gleichwohl dürfte in aller Regel sicherlich der Arbeitgeber eher von einer solchen Ausschlussfrist profitieren, als der jeweilige Arbeitnehmer.


Die Nutzung von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen ist im Grundsatz zwar möglich. Jedoch unterliegen solche Klauseln diversen Vorgaben, welche im Rahmen einer sogenannten AGB-Kontrolle auch überprüft und angegriffen werden können. Damit kann also nicht alles und jeder Anspruch umfassend ausgeschlossen werden.

Beispiel: Ansprüche eines Arbeitnehmers, welche per Gesetz nicht abänderbar sind, können nicht ohne weiteres durch Ausschlussfristen ausgehebelt werden. Hierzu zählt etwa die Regelung zum Mindestlohn. Der Mindestlohn kann nicht durch eine Vereinbarung oder sonstige Regelung umgangen oder beschränkt werden, so § 3 Satz 1 MiLoG. Erhält also ein Arbeitnehmer – aus welchen Gründen auch immer – einen Lohn, welcher unterhalb des aktuellen Mindestlohns liegt, dann kann der Arbeitgeber eine Forderung des Arbeitnehmers auf Nachzahlung der Differenz zum Mindestlohn nicht mit dem Verweis auf eine Ausschlussfrist wegen verspäteter Geltendmachung zurückweisen.

Dieses per se Verbot wirkt sich auch auf die Ausschlussklauseln selbst aus. Eine Ausschlussklausel ist damit bereits als solches vollständig unwirksam, wenn sie nicht den Mindestlohn ausdrücklich aus dem Umfang bzw. der Wirkung des Ausschlusses herausnimmt, sondern sich pauschal auf „bestehende Ansprüche“ bezieht, so BAG 9 AZR 162/18. Ist daher die Ausschlussklausel als solches bereits unwirksam, entfaltet sie auch für andere Ansprüche keine Geltung, und zwar auch dann, wenn es im konkreten Fall überhaupt nicht um den Mindestlohn geht. Damit ist eine Ausschlussklausel eines Arbeitsvertrags nur dann wirksam, wenn sie erkennen lässt, auf was sie sich bezieht.

Beispiel: Arbeitnehmer A fordert von Arbeitgeber B eine Stundengutschrift wegen vermeintlich erbrachter Überstunden. Arbeitgeber B beruft sich auf eine abgelaufene und im Arbeitsvertrag benannte Ausschlussfrist. Nach dieser habe A seinen Anspruch zu spät geltend gemacht. Die Vertragsklausel zur Ausschlussfrist enthält jedoch keinen Hinweis auf die Ausnahmeregelung zum Mindestlohn. Damit ist die Klausel komplett unwirksam. Arbeitgeber B kann sich nicht auf die Ausschlussfrist der Vertragsklausel berufen, auch wenn die Frage des Mindestlohns vorliegend so gar keine Rolle gespielt hat.


Neben diesen Anforderungen an eine Klausel zur Ausschlussfrist muss diese auch gewissen Anforderungen an die geregelte Frist folgen, um wirksam zu sein. Das bedeutet in erster Linie, es darf keine zu kurze Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen vereinbart sein. In aller Regel werden dabei 2 Stufen relevant.

Zum einen steht auf der ersten Stufe die grundsätzliche Frist zur Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner. Das ist also die Frist, innerhalb welcher der Anspruch gegenüber dem anderen Vertragspartner mitgeteilt werden muss. Bereits hier ist davon auszugehen, dass die Frist zur grundsätzlichen Geltendmachung 3 Monate ab Fälligkeit des Anspruchs (Achtung: die Fälligkeit des Anspruchs ist nicht zwangsläufig der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs) nicht unterschritten werden darf.

Zum anderen folgt zumeist auf einer zweiten Stufe eine weitere Frist für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs für den Fall, dass der Vertragspartner den Anspruch zurückweist. Auch für diese Frist gelten in aller Regel 3 (weitere) Monate als geboten. Im Einzelfall kann fraglich sein, wann denn die Frist der zweiten Stufe zu laufen beginnt. Das gilt vor allem dann, wenn der Anspruch nach seiner Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner nicht durch Zeitablauf „zurückgewiesen“ wird (sprich der Vertragspartner schweigt komplett), sondern wenn der Vertragspartner den Anspruch ausdrücklich sofort zurückweist.


Doch Vorsicht! Ausschlussfristen finden sich nicht nur in Arbeitsverträgen, sondern können auch in Tarifverträgen oder aber Betriebsvereinbarungen enthalten sein. Es kommt also nicht darauf an, ob die Vertragsparteien von diesen weiteren Ausschlussfristen unmittelbare Kenntnis haben. Auch diese Ausschlussfristen wirken daher umfassend, auch wenn sie im jeweiligen Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt sind. Spätestens dann also, wenn die Geltendmachung von Ansprüchen im Raum steht, lohnt ein Blick in den jeweils geltenden Tarifvertrag oder in die jeweilige Betriebsvereinbarung. Das allerdings lohnt sich natürlich auch schon weit vorher, denn sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten wissen, welche Rechte und Pflichten sie grundsätzlich haben.

Zwar gilt auch für einen Tarifvertrag, dass unabdingbare Rechte wie der Mindestlohn nicht einfach ignoriert oder umgangen werden können. Wichtig dabei aber ist, dass Tarifverträge einer sogenannten AGB-Kontrolle nicht zugänglich sind, siehe § 310 Abs. 4 BGB. Wenn also ein Tarifvertrag eine Ausschlussklausel enthält, welche beispielsweise keinerlei Aussagen hinsichtlich des Mindestlohns enthält, so ist diese Klausel des Tarifvertrags, anders als in einem Arbeitsvertrag, nicht unweigerlich komplett unwirksam. Die Lösung folgt in einem solchen Fall über die Regelung zum Mindestlohn selbst. Hier teilt § 3 Satz 1 MiLoG mit, dass „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen…“ nur „insoweit unwirksam“ sind. Mit anderen Worten, all das, was den Mindestlohn betrifft wäre unwirksam, all das was darüber hinaus geht, kann einer Ausschlussklausel unterfallen, so auch BAG 5 AZR 377/17

Diese Unterscheidung in beiden hier genannten Urteilen des BAG erscheint auf den ersten Blick etwas verworren. Allerdings unterscheiden sich individuelle Arbeitsverträge und kollektivrechtliche Tarifverträge in ihrer Grundstruktur, denn nur der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als „Individualvertrag“ ist umfassend hinsichtlich seiner AGB von den jeweiligen Vertragsparteien überprüfbar.


Exkurs: Ausschlussfristen finden sich im Übrigen nicht nur in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen. Sie finden sich auch in Gesetzen wieder. Die wichtigste dieser gesetzlichen Ausschlussfristen enthält § 4 KSchG. Dieser besagt, dass nach Erhalt der Kündigung lediglich 3 Wochen Zeit bleiben, um eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Verstreicht diese Frist, ist die Kündigung wirksam, selbst dann, wenn die Kündigung unberechtigt war. Die Praxis zeigt, dass diese enorm wichtige Frist oftmals komplett unbekannt ist, sodass nicht oft genug auf diese wichtige Ausschlussfrist verwiesen werden kann.



Praxistipp:

Wichtig für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es, immer dann an mögliche Ausschlussfristen zu denken, wenn Forderungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gegen die jeweils andere Vertragspartei im Raum stehen. Nichts ist ärgerlicher als der Umstand, dass problemlos bestehende Ansprüche durch eine bereits abgelaufene Ausschlussfrist verloren gehen. 

Sofern Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen vereinbart sind – und das sind sie in aller Regel stets in irgendeiner Form – sollten Arbeitnehmer sich nicht zu schnell mit Verweis auf eine geltende Ausschlussfrist abspeisen lassen. Hier lohnt ein genauer Blick auf die Formulierung einer solchen Klausel. Gerade nach den Klarstellungen des BAG zu Unwirksamkeit im Falle der Nichtberücksichtigung des § 3 MiLoG dürften hier zahlreiche Klauseln älterer Arbeitsverträge angreifbar sein. Doch Obacht: Für Verträge, welche bereits vor dem Jahr 2014 und damit vor Inkrafttreten des MiLoG gilt diese Unwirksamkeit nicht. Auch hier muss also genau geprüft werden.

Arbeitgeber hingegen sollten tunlichst ihre Verträge überprüfen, ob etwaige Ausschlussfristen noch den inhaltlichen Vorgaben des BAG entsprechen. Ist dies nicht der Fall, ist eine Anpassung für künftige Verträge unabdingbar, soweit es dem Arbeitgeber auf den Bestand von Ausschlussklauseln ankommt.

Gleiches gilt für die Tarifpartner. Auch diese sollten bestehende Tarifverträge dahingehend überprüfen und im Rahmen der neuen Aushandlung dahingehende Formulierungen wählen, welche Klarheit mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG zum Mindestlohn bringen.

Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt rund um Ihren Arbeitsvertrag haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich über das Kontaktformular oder per Email.

info@ra-grunow.de

www.ra-grunow.de



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stefan C. Grunow LL.M.

Beiträge zum Thema