Klauseln über Negativzinsen für Giro- und Sparkonten unwirksam? – eine Bestandsaufnahme

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Klauseln über Negativzinsen für Giro- und Sparkonten werden von Gerichten zunehmend als unwirksam qualifiziert. Damit sind Negativzinsen oder Verwahrentgelte, die der Bankkunde laut vorformulierten Klauseln für Girokonten bzw. Sparkonten zu leisten hat, nicht geschuldet. Sie können zurückgefordert werden. Die Gerichte begründen ihre Auffassung wie folgt: Die Verwahrung von Geldern auf Konten gehört zur Kontoführung charakteristisch dazu. Für diese Verwahrung sei nach dem Gesetz kein Entgelt vorgesehen. Anderslautende Klauseln sind danach unangemessen und damit unwirksam. Die Praxis der Banken, die Negativzinsen ihrer Einlagen bei der Europäischen Zentralbank auf ihre Kunden abzuwälzen, ist so rechtlich unzulässig.

Die Rechtsprechung des BGH zur Kontoführung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) haben Girokonten auch die charakteristische Funktion, dass auf diesen Konten Geld für den Zahlungsverkehr verwahrt wird. Die Verwahrung von Geld ist danach Teil der vereinbarten Leistungen für ein Girokonto. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH sowohl für private als auch für Geschäftsgirokonten. Der BGH sieht für auf Konten verwahrtes Geld eine unregelmäßigen Verwahrung nach § 700 BGB als gegeben an. Danach ist auf die Verwahrung von Geld Darlehensrecht anzuwenden. Das Darlehensrecht sieht mit § 488 BGB lediglich vor, dass die Bank als Verwahrer bzw. Kapitalnehmer zu Zinsen verpflichtet werden kann.

Landgerichte versagen Banken Verwahrentgelte bzw. Negativzinsansprüche

Aufgrund dieses gesetzlichen Leitbildes sehen Gerichte vorformulierte Klauseln, die dem Kontoinhaber als Geldgeber bzw. Darlehensgeber eine Zinszahlungspflicht aufbürden, als unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB und erachten diese als unwirksam (vgl. u. a. LG Berlin, Urteil vom 28.10.2021, Az. 16 O 43/21 sowie LG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2021, Az. 12 O 34/21). Denn das Darlehensrecht kennt keine Entgeltpflicht für den Kapitalgeber bzw. Darlehensgeber (so auch LG Tübingen, Urteil vom 26.1.2018, Az. 4 O 187/17). Mithin ist es danach Banken verwehrt, Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte für Giro- bzw. Sparkonten per vorformulierter Klausel zu vereinbaren.

LG Leipzig bejaht Verwahrentgelte bzw. Negativzinsen

Das Landgericht Leipzig erachtet in der Verwahrung des Geldes auf dem Girokonto hingegen eine eigenständige vertragliche Leistung, die unabhängig von weiteren vereinbarten Zahlungsdiensten für das Girokonto vereinbart werden könne (vgl. LG Leipzig, Urteil v. 08.07.2021, Az. 5 O 640/20). Das Gericht sieht danach de Verwahrung nicht als Teil der Leistungspflichten aus der Kontoführung (Ein- und Auszahlung von Geld, Überweisungen etc.) an. Ein so vereinbartes Entgelt sei danach nicht nach § 307 BGB angreifbar.   

Verwahrung von Guthaben Voraussetzung für Kontoführung

Typische Zahlungsdienste bei der Kontoführung der Bank sehen regelmäßig ein Guthaben vor. Entsprechend führen Banken gemäß ihren Lastschriftbedingungen Lastschriften regelmäßig nicht aus, wenn das Konto nicht hinreichend mit Guthaben gedeckt ist. Ein vorhandenes Guthaben ist danach also regelmäßig Voraussetzung für Zahlungsdienste im Rahmen der Kontoführung. Dasselbe gilt für Sparkonten. Mithin wird man die Verwahrung von Geldern nur als Zusatzleistung des Vertrags über die Kontoführung ansehen müssen. Die Verwahrung des Guthabens ist also Teil der Kontoführung. Diese kann damit nicht Gegenstand eines gesondert vereinbarten Entgelts sein, welches in vorformulierten Klauseln geregelt ist.

Ausweg für die Banken: Individualvereinbarungen oder Kontokündigung?   

Ist den Banken danach der Weg versperrt, Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte über vorformulierte Klauseln zu vereinbaren, ist sie auf individuelle Vereinbarungen mit dem Kunden angewiesen. Eine solche Individualvereinbarung ist aber nur dann gegeben und nicht nach § 307 BGB angreifbar, wenn auch der Kunde wirklich Einfluss auf den Inhalt der Vereinbarung hat und über die Höhe der Entgelte mitbestimmen kann. Gerade im Massengeschäft der Kontoführung bedeutet dies für Banken einen erheblichen Aufwand, der im Zweifel gescheut wird.

Ein anderes Druckmittel ist die Kündigung des Kontos durch die Bank, um ihre Vereinbarung über Verwahrentgelte per Klausel durchzusetzen. Hiermit setzt sich die Bank aber dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs aus, der die Kündigung angreifbar macht.

Fazit

Im Ergebnis sind Negativzinsen bzw. Verwahrentgelte erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Rechtsfrage höchstrichterlich zu klären, ist bislang unterblieben. Hingegen sind die angeführten Gründe zugunsten der Banken bislang eher wenig überzeugend. Folglich stehen Bankkunden gegen Negativzinsen und Verwahrentgelte, die in vorformulierten Klauseln vorgesehen sind, gute Argumente zur Seite.

Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der Telefonnummer 069-770 394 690 bzw. per Mail unter neumann@kanzlei-2vier2.de zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit über 15 Jahren in der Prozessführung tätig.     



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