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Kontaktabbruch zum Kind: Elternunterhalt verwirkt?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Solange Kinder ihren eigenen Lebensunterhalt noch nicht bestreiten können, also noch zur Schule gehen und ihre erste Berufsausbildung - egal ob Ausbildung oder Studium - noch nicht beendet haben, sind deren Eltern unterhaltspflichtig. Das kann sich aber ins Gegenteil verkehren, wenn die Eltern alt werden, ins Heim müssen und die Heimkosten mit der Rente nicht bezahlen können. In diesem Fall müssen die Kinder grundsätzlich Elternunterhalt zahlen. Aber gilt die Unterhaltspflicht auch, wenn ein Elternteil vor Jahren den Kontakt zum Kind abgebrochen hat?

Vater bricht Kontakt zum Sohn ab

Ein Ehepaar ließ sich 1972 scheiden. Dessen Sohn, der zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt war, blieb weiter bei der Mutter wohnen und hatte nur noch selten Kontakt zu seinem Vater. Der brach den Kontakt vollständig ab, nachdem sein Sohn das Abitur bestanden hatte. In einem Testament enterbte er seinen Sohn sogar und setzte eine Bekannte als Alleinerbin ein. Sein Sohn sollte dagegen nur den „strengsten Pflichtteil" erhalten.

Viele Jahre später lebte der Vater von einer geringen Rente sowie den Erträgen einer Lebensversicherung. Als das Geld nach einem Umzug ins Altersheim nicht mehr ausreichte, übernahm die Stadt Bremen zunächst die Heimkosten. Nach dem Tod des Vaters verlangte die Stadt vom Sohn jedoch deren Rückzahlung nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII (Sozialgesetzbuch XII). Der Sohn war aber der Ansicht, dass ein Unterhaltsanspruch des Vaters gegen ihn wegen des Kontaktabbruchs vor fast 30 Jahren verwirkt sei und die Stadt folglich auch kein Geld von ihm verlangen dürfe. Der Streit endete vor Gericht.

Gericht bejaht Unterhaltspflicht des Kindes

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied: Der Vater hätte zu Lebzeiten einen Anspruch gegen den Sohn auf Zahlung von Elternunterhalt gehabt. Die Stadt Bremen konnte somit aus übergegangenem Recht die Rückzahlung der vorgestreckten Heimkosten von immerhin rund 9000 Euro verlangen.

Der Anspruch auf Elternunterhalt kann zwar aufgrund einer schweren Verfehlung des unterhaltsbedürftigen Elternteils nach § 1611 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirkt werden. Vorliegend verneinte der BGH aber eine schwere Verfehlung, sondern nahm aufgrund des Kontaktabbruchs durch den Vater - und des damit verbundenen Verstoßes gegen die in § 1618a BGB genannten Pflicht zu Beistand und Rücksicht - nur eine „einfache" Verfehlung an, die einen Wegfall der Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber seinem Vater noch nicht rechtfertigte.

Schließlich hatte sich der Vater 18 Jahre lang um sein Kind gekümmert. Und gerade die ersten Jahre im Leben eines Kindes bedürfen einer besonderen Fürsorge und Betreuung durch die Eltern. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wäre dagegen z. B. möglich gewesen, wenn der Vater seinen Sohn in der Kindheit vernachlässigt bzw. ihn psychisch und/oder physisch misshandelt oder ihn in die Obhut einer anderen Person gegeben hätte, anstatt ihn selbst zu erziehen.

Übrigens: Zwar hat der Vater in seinem Testament den Kontaktabbruch noch einmal bestätigt und sein Kind enterbt. Aber auch das rechtfertigt noch keine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Schließlich darf jeder grundsätzlich frei entscheiden, wem er sein Vermögen hinterlassen möchte, sog. Testierfreiheit.

(BGH, Beschluss v. 12.02.2014, Az.: XII ZB 607/12)

(VOI)

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