Kreditwiderruf laut EuGH nun doch wieder möglich!?

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Das europäische Gerichtshof hat Ende März 2020 in seiner Entscheidung zu Az.: C-66/19 festgestellt, dass Verbraucher Darlehensverträge des Zeitraums Juni 2010 bis 2016 u. U. im Einzelfall durchaus immer noch widerrufen können.

Hierdurch wird nun heiß diskutiert, ob die rechtlichen Möglichkeiten des sog. Widerrufsjoker der vergangenen Jahre wieder aufleben können und der EuGH den Verbrauchern einen sog. Widerrufsjoker 2.0 zur Verfügung gestellt hat.

Insbesondere betroffen sind Immobilienkredite sowie Kfz-Finanzierungen, aber auch – und das ist neu – Leasingverträge und sog. verbundene Verträge, also Verträge bspw. über einen Küchenkauf, der finanziert wird.

Widerruf ist derzeit (wohl) weitgehend möglich!

Der europäische Gerichtshof hat eine sehr weit verbreitete Klausel in den nahezu von allen finanzierenden Banken verwendeten Standardformularen als unwirksam erachtet, wodurch die sonst kurze Widerrufsfrist von regelmäßig 14 Tagen, auch heute noch gilt. Erneut störte sich der EuGH an der deutschen sog. Ketten- oder auch Kaskadenverweisung. Es wird ein Paragraf zitiert, der seinerseits wiederum auf andere Paragraphen verweist. Dies stelle für den Verbrauchen als regelmäßig juristischen Laien, keine einfache Möglichkeit der Information dar, welche aber das Verbraucherwiderrufsrecht gerade verlangt.

Dabei haben die finanzierenden Banken bereits aus dem Widerrufsjoker 1.0 eigentlich gelernt und regelmäßig versucht, Musterwiderrufsbelehrungen zu verwenden, die sogar der deutsche Gesetzgeber zur Verfügung stellt.

Doch der EuGH sieht es anders als die Deutschen. Zwischen den Zeilen teilt dieser nun mit, dass womöglich bereits das Muster fehlerhaft sei und es erst Recht wird, sofern die Banken auch nur verhältnismäßig geringe Veränderungen hieran vornehmen. Damit ebnet der EuGH auch den Weg für die betroffenen Banken, ggf. Regressforderungen gegenüber der Staatskasse anzumelden, sofern nun Verbraucher ihre Kredite widerrufen und ihr Geld von den Banken zurückerhalten.

Noch bis zuletzt hat der Bundesgerichtshof einen Widerruf im Sinne des nunmehrigen Widerrufsjokers 2.0 abgelehnt und bspw. kurz vor Jahreswechsel 2019/2020 in einem Verfahren gegen die Ford Bank, einen Verbraucher zurückgewiesen und den Widerruf nicht akzeptiert. Nach der Entscheidung des EuGH, dürften derartige Entscheidungen nun in Deutschland zunächst nicht mehr erwarten sein. Zumindest geht das europäische Recht vor, so dass wir uns daran halten müssen bis die deutsche Gesetzgebung – wie auch beim Widerrufsjoker 1.0 – beschließt, einen Endzeitpunkt einzuführen um die Widerrufsmöglichkeit 2.0 nicht ins Unendliche laufen zu lassen.

Folgen/Möglichkeiten derzeit

Der Verbraucher kann im Falle des wirksamen Widerrufs, das Darlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung ablösen und über einen womöglich günstigeres neufinanzieren. Wird ein Fahrzeugkredit oder Leasing widerrufen, so kann der Verbraucher das Kfz zurückgeben, erhält sämtliche geleisteten Zahlungen abzüglich Zinsen zurück und ist damit eine Zeit lang faktisch nahezu umsonst gefahren, denn auch eine Nutzungsentschädigung sieht der EuGH nicht ein. Gleiches gilt bspw. für das obige Beispiel einer Küchenfinanzierung und sonstigen Konsumgütern, die finanziert wurden.

Sollten Sie Ihren Kreditvertrag widerrufen wollen, so beachten Sie allerdings, dass jeder Vertrag einen Einzelfall darstellt und von erfahrenen Juristen geprüft werden sollte. Nur so haben Sie eine verlässliche Einschätzung, ob Sie betroffen sind und den Widerrufsjoker 2.0 nutzen können oder nicht. Beachten Sie auch die sich ergebenden Risiken, sofern Ihr Vertrag vollständig rückabgewickelt wird. Eine Anschlussfinanzierung sollte vorhanden sein. Auch sind Sie womöglich bei der Bank auf ewig ein gesperrter Kunde, denn dieser „kleine“ Formfehler, kostet die betroffenen Kreditgeber nun erneut eine ganze Menge Geld und Nerven.

Sofern Sie dennoch zu den Ersten gehören möchten, die die neuen Widerrufsmöglichkeiten nutzen wollen, stehen wir Ihnen gerne helfend zur Seite und prüfen Ihre Verträge.



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