Kündigungen des Arbeitsverhältnisses mit Corona-Bezug

  • 16 Minuten Lesezeit

Nichttragen der Maske bei der Arbeit

Anhusten von Kollegen

Nichtimpfung bei 2G-Anordnung des Arbeitgebers am Arbeitsplatz

Kritik an Corona-Poltik im öffentlichen Dienst

Vorlage von gefälschtem Impfpass und Testzertifikat gegenüber Arbeitgeber 



Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 17.06.2021 zum Aktenzeichen 12 Ca 450/21 entschieden, dass Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend anordnen können.

Ein Arbeitnehmer, der sich beharrlich weigert, bei der Ausübung seiner Tätigkeit einen vom Arbeitgeber angeordneten  Mund-Nasen-Schutz zu tragen, verstößt wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen.

Die durch das Nichttragen verbundenen Risiken während der Pandemiehochphase im Januar 2021 für den Arbeitnehmer selbst sowie für die Kunden werden als offenkundig unterstellt.

Auch ein formularmäßiges Attest, dass nur einen Satz und keinerlei Begründung, aufgrund welcher gesundheitlicher Gründe das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Arbeitnehmer nicht möglich bzw. zumutbar sein soll, reicht nicht aus.


Kollegen anhusten während Corona-Pandemie

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat am 27.04.2021 zum Aktenzeichen 3 Sa 646/20 entschieden, dass das Anhusten eines Kollegen aus nächster Nähe während der Corona-Pandemie in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Kollegen verletzt und eine Kündigung rechtfertigen kann.

Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich macht, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung.


Kritik an Corona-Politik

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, hat mit Urteil vom 02.02.2022 zum Aktenzeichen 10 Sa 66/21 entschieden, dass auch Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die nur eine „einfache“ politische Treuepflicht trifft, ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen müssen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen.

Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Handelt ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider, kann dies ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.

Nach der hier einschlägigen Tarifregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht. Sie konkretisiert insoweit die ihnen allen obliegende Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen kann ein Grund für eine verhaltensbedingte – außerordentliche oder ordentliche – Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich. Hier hat die Klägerin insbesondere mit der Anzeige vom 15. November 2021 die einfache Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L verletzt, weil sie damit die gesetzgebenden Organe verächtlich gemacht hat. Die Klägerin hat das 3. Bevölkerungsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 gleichgesetzt und den Verlust wichtiger, wenn nicht gar „aller Rechte“ der Bürger als bevorstehend behauptet. Sie hat zwar nicht – klarstellend – das Jahr 1933 hinzugefügt. Jedoch verbindet sich der Gesamtzusammenhang der einzelnen Aussagen zu einem Bild, das allein diese Deutung zulässt. Die Gleichsetzung von „Infektionsschutzgesetz“ und „Ermächtigungsgesetz“ ist durch ein Gleichheitszeichen (=) erfolgt. Insofern lässt die Anzeige keine andere Deutung zu als dass der eine Begriff mit dem anderen inhaltsgleich ist. Mit diesem Sinngehalt hat die Klägerin die gesetzgebenden Organe und damit einen Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einer Weise verächtlich gemacht, die mit der einfachen Treuepflicht des § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L nicht in Einklang zu bringen ist. Das Arbeitsverhältnis ist durch das Verhalten ein Arbeitnehmerin konkret gestört worden. Der personale Vertrauensbereich ist gestört.

Das Verächtlichmachen der gesetzgebenden Organe in der Anzeige vom 15.11.2020 wiegt auch derart schwer, dass eine vorangegangene Abmahnung entbehrlich gewesen ist. Eine Ärztin, die bei der Polizei beschäftigt ist, und die sich mit der Gewaltenteilung und den Grundrechten auskennt, kann nicht davon ausgehen, dass das Land Baden-Württemberg die Gleichsetzung der gesetzgebenden Organe mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auch nur einmal hinnimmt.


fehlende Corona-Schutzimpfung

Das Arbeitsgericht Berlin hat am 03.02.2022 zum Aktenzeichen 17 Ca 11178/21 entschieden, dass eine Musicaldarstellerin mit ihrer Kündigungsschutzklage scheitert.

Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Kündigungen insbesondere keine Maßregelung gemäß § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen würden. Die persönliche Haltung ein Arbeitnehmerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung ein Arbeitnehmerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor. Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.


Vorlage einer aus dem Internet heruntergeladenen Impfunfähigkeitsbescheinigung

Das Arbeitsgericht Lübeck hat mit Urteil vom 13.04.2022 zum Aktenzeichen 5 Ca 189/22 entschieden, dass derjenige, der seinem Arbeitgeber eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche „Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit“ vorlegt, ohne dass eine Untersuchung durch die bescheinigende Ärztin erfolgt ist, riskiert die Kündigung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses.

Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stellt eine sehr schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar, die das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Es musste ein Arbeitnehmerin klar sein, dass die vorgelegte Bescheinigung zwar bei der Arbeitgeberin den Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erwecken würde, aber in Wahrheit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhte. Aus § 20a IFSG ergibt sich für eine solche Konstellation kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot.


gefälschtes Testzertifikat

Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 31.03.2022 zum Aktenzeichen 4 Ca 323/21 entschieden, dass die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer iSd. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG in den vom 24.11.2021 bis zum 19.03.2022 geltenden Fassungen geregelte Nachweispflicht zu umgehen, geeignet ist, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darzustellen.

Die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer iSd. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG geregelte Nachweispflicht zu umgehen, ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

§ 28b Abs. 1 IfSG begründete auch Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Nach § 28b Abs. 1 S. 1 IfSG durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt hatten.

Der Arbeitgeber sollte nur solche Mitarbeiter beschäftigen, die keine Gefahr für andere darstellen und auf diese Weise so weit wie möglich vermeiden, dass sich seine Mitarbeiter mit dem Corona-Virus im Betrieb anstecken.


Kopie eines gefälschten Impfausweises

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 18.02.2022 zum Aktenzeichen 11 Ca 5388/21 entschieden, dass die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises, mit der Absicht, über die Erfüllung der Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 lfSG zu täuschen, einen geeigneten wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann.

Er setzt die anderen Arbeitnehmer einer großen Ansteckungsgefahr des Covid-19-Virus einhergehend mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko aus.

Die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises in der Absicht über die Erfüllung der Nachweispflicht aus § 28b Abs. 1 IfSG zu täuschen ist „an sich“ geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen (hierzu Kleinebrink, DB 2022, 392, 396). Auch wenn die Handlungsweise des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafbewehrt war, liegt gleichwohl eine schwerwiegende Pflichtverletzung vor. Ein Arbeitnehmer hat gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.

Zwar war das Gebrauchen eines gefälschten Impfausweises gegenüber dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Vorlage durch den Kläger am 23.11.2021 nach § 279 StGB in der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung nicht strafbar, da die §§ 277 bis 279 StGB a.F. eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen enthalten und hierdurch der Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift der Urkundenfälschung in § 267 StGB als lex generalis versperrt ist.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 23.03.2022 zum Aktenzeichen 18 Ca 6830/21 entschieden, dass die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen Vorlage eines gefälschten Impfausweises wirksam ist.

Die hieraus folgende Missachtung der 2-G-Regel im Präsenzkontakt zu Kunden sei nicht nur weisungswidrig, sondern stelle auch eine erhebliche Verletzung der Verpflichtung ein Arbeitnehmerin zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers dar. Dadurch, dass die Klägerin ihre unwahre Behauptung vollständigen Impfschutzes durch Vorlage eines falschen Impfnachweises zu belegen versucht hat, habe sie das für eine auch nur befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen verwirkt.

Der Verwertung des entsprechenden Tatsachenvortrags des Arbeitgebers standen nach Bewertung der Kammer auch datenschutzrechtliche Vorgaben nicht entgegen. Insbesondere sei der Arbeitgeber in Erfüllung der aus § 28b Abs. 3 IfSG aF folgenden Kontroll-Verpflichtung der 3-G-Regel auch zum Abgleich mit den öffentlich erhältlichen Daten der Chargenabfrage berechtigt gewesen. Denn nur so habe der Arbeitgeber mangels Vorlage des QR-Codes sicherstellen können, dass tatsächlich der behauptete Impfstatus gegeben war.


Rechtliche Anmerkung von Fachanwalt für Arbeitsrecht Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.:

Nach den derzeitigen Erkenntnissen sind geimpfte oder genesene Personen zwar immer noch wesentlich besser geschützt als nicht immunisierte Personen.

Auch Geimpfte und Genese können sich aber deutlich leichter als bisher mit der Omikron-Variante infizieren und zum Überträger des Virus werden.

Wenn man im Durchschnitt von einer Berufstätigkeit von 45 Berufsjahren ausgeht, dann ist eine 2-jährige Pandemie nur ein Bruchteil der Berufszeit.

Ein Arbeitnehmer der Impf-, Test- oder Maskenpflichten während der Pandemie ablehnt, ist also nur während einer sehr kurzen Zeit seines Berufslebens aufgrund persönlicher Entscheidungen, Weltanschauungen und Gesundheitseinstellungen aus seiner Sicht gezwungen, gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten zu verstoßen.

Ein Dauerverstoß ist darin nicht zu erblicken.

Eine Kündigung scheidet aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken.

Wenn ein Arbeitnehmer einen Impfausweis zum Betreten der Betriebsstätte verwendet, der eine nicht erfolgte Impfung ausweist und dies nach § 279 StGB inzwischen unter Strafe steht, dann ist darin ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten zu sehen, die jedoch nur eine Abmahnung rechtfertigt.

Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 bzw. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist.

Danach ist eine Kündigung nicht als verhaltensbedingte Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Nach Auffassung von Fachanwalt für Arbeitsrecht Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. wäre allerdings vor Ausspruch einer Kündigung der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel geeignet und ausreichend gewesen, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Mit dem Ende der Pandemie-Regeln, wie Maskenpflicht, Testpflicht, Quarantänepflicht etc. muss ein Arbeitnehmer weder getestet noch geimpft zur Arbeit erscheinen.

Diesbezüglich wird auf das neue Infektionsschutzgesetz seit dem 20.03.2022 hingewiesen, nachdem es keine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz oder andernorts gibt und auch die Maskenpflicht abgeschafft wurde. Ein Arbeitnehmer könnte ungeimpft, ungetestet, ungenesen und unbescholten den Arbeitsplatz aufsuchen. Bei einem entsprechenden Arbeitnehmer ist deshalb zu erwarten, dass er nach Ende der Regeln beanstandungsfrei – wie vor der Pandemie – der Arbeit nachgeht und alle Nebenpflichten zum Arbeitsvertrag erfüllt.

Dies gilt umso mehr, als durch die Impfung und den Nachweis der Impfung durch den Impfpass in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das sich hieraus ergebene Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers übermäßig eingegriffen wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich vor der Durchführung,
  Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers. Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen.

Die Impfung stellt einen körperlichen Eingriff in den Körper des Arbeitnehmers dar. Mögliche Nebenwirkungen, Impfwirkungen und etwaige Spätfolgen stellen einen irreparablen körperlichen Eingriff dar, der die körperliche Integrität stark betrifft. Im Ergebnis ist eine Kündigung nach Auffassung des Fachanwaltes für Arbeitsrecht Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. unwirksam, weil sie trotz der Verwendung eines möglicherweise nichtzutreffenden Impfpasses durch einen Arbeitnehmer nicht als letztes Mittel erforderlich war, um einen Arbeitnehmer zur Vertragstreue zu bewegen.

Eine Kündigung kommt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei Störungen im Leistungs- und Verhaltensbereich nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Dabei ist als mildere Reaktion insbesondere die Abmahnung anzusehen, die dann als alternative Gestaltungsmittel anzusehen ist, wenn schon sie geeignet ist, den mit der Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen. Dementsprechend ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG bei Vertragspflichtverletzungen, die auf einem steuerbaren Verhalten beruhen, generell davon auszugehen, dass bereits die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses das künftige Verhalten des Arbeitnehmers positiv beeinflussen wird. Ordentliche und außerordentliche Vertragspflichtverletzungen setzen daher
  regelmäßig eine vergebliche Abmahnung mit entsprechender Warnfunktion voraus, die zudem der Objektivierung einer negativen Prognose dient. Eine Abmahnung des Arbeitnehmers ist nicht von vornherein entbehrlich. Das gilt schon deswegen, weil ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht ausschließen konnte, dass ein Arbeitnehmer für den Fall der Androhung von Konsequenzen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses seine persönliche Entscheidung zur Impfung, insbesondere in Anbetracht dessen, dass nicht mehr nur neuartige mRNA-Impfstoffe (BioNTech, Moderna) und Vektor-Impfstoffe (Johnson, AstraZeneca), sondern auch bekannte Totimpfstoffe (Novavax) zur Verfügung stehen.

Entbehrlich ist eine Abmahnung nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte. Das ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens, setzt er aber trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzungen fort, dann läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müsste der Arbeitgeber auch bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen.

Ferner ist bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung auch dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Das BAG stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf ab, in derartigen Fällen müsse es dem Arbeitnehmer bewusst sein, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze.

Auch nach diesen Grundsätzen ist eine Abmahnung im Einzelfall nicht entbehrlich. Zwar hat ein Arbeitnehmer der sich wiederholt Zugang zum Arbeitsplatz mit einem nicht zutreffenden Impfpass, in dem Covid19-Impfung ausgewiesen sind, verschafft, rechtwidrig gehandelt. Ob ein Arbeitnehmer bei einem solchen Verhalten täglich getestet und/oder genesen war, schweigen die Arbeitsgerichte. Wenn ein Arbeitnehmer sich täglich getestet hätte oder genesen wäre, wäre die Verwendung eines nicht zutreffenden Impfpasses nicht schädlich, weil dies wirkungslos wäre.

§ 28b Abs. 1 S. 1 IfSG a.F. sah vor, dass Arbeitgeber und Beschäftigte, die physische Kontakte zu anderen Personen haben können, die Arbeitsstätte nur betreten dürfen, wenn sie im Sinne des § 2 Nummern 2, 4, 6 der COVID 19- Schutzmaßnahmen- Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) geimpft, genesen oder getestet sind. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen einen Impf-, Genesenen oder Testnachweis im Sinne des § 2 Nummern 3, 5 oder 7 SchAusnahmV bei sich führen und auf Verlangen vorzeigen. Beschäftigte können den Nachweis freiwillig beim Arbeitgeber hinterlegen. Zur Erleichterung der täglichen Nachweiskontrollen kann es sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein, den Nachweis des Impf- oder Genesenenstatus bis zum Wegfall des § 28b IfSG am 19.03.2022 bzw. bis zum Ablauf der sechsmonatigen Frist (§ 28b Abs. 3 Satz 9 IfSG) zu dokumentieren. Die Speicherung der Nachweise erfolgt in diesem Fall auf der Grundlage einer Einwilligung im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 2 i.V. m. § 26 Abs. 2 BDSG. Ein zulässiges Vorgehen wäre etwa, dass der Arbeitgeber die Umsetzung der täglichen Kontrollpflicht der 3-G-Regel erläutert. Hierbei kann dann auch auf die Möglichkeit der freiwilligen Hinterlegung des Nachweises verwiesen werden. Das Betreten der Arbeitsstätte ohne vorherigen Nachweis ist erlaubt, um unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme einen durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Corona-Test durchzuführen oder ein Impfangebot des Arbeitgebers wahrzunehmen (§ 28b Abs. 1 S. 3 IfSG a.F.).

Die Arbeitgeber waren gen. § 28b Abs. 3 IfSG a.F. verpflichtet, die Einhaltung der Pflicht, einen Nachweis bei sich zu führen, durch Nachweiskontrollen täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren. Ein vom Arbeitgeber erstelltes und verwandtes Impfpass-Foto unterliegt zudem
einem Beweisverwertungsverbot.

Bei geimpften und genesenen Personen muss das Vorhandensein eines gültigen Nachweises nur einmal erfasst und dokumentiert werden. Wenn der Arbeitgeber den Impf- oder Genesenenstatus einmal kontrolliert und diese Kontrolle dokumentiert hat, können Beschäftigte mit gültigem Impf- oder Genesenenstatus anschließend von den täglichen Zugangskontrollen ausgenommen werden. Im Rahmen der Überwachungs- und Dokumentationspflicht ist es nach § 28b Abs. 3 IfSG hingegen nicht notwendig z. B. Kopien der vorgelegten Impf- oder Genesenenstatus-Nachweise zu speichern, das Impfdatum zu erheben oder den verabreichten Impfstoff zu dokumentieren.

Bei der Information über den Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten und damit um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten, deren Verarbeitung grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise erlaubt ist (Art. 4 Nummer 15, Art. 9 Abs. 1 DSGVO). Arbeitgeber dürfen keine Kopien oder Fotos der Impfnachweise anfordern bzw. erstellen und speichern oder aufbewahren.

Genau das tat der Arbeitgeber hier jedoch rechtswidrig. Ein Arbeitnehmer hat in die Anfertigung von einem Foto seines Impfausweises auch nicht eingewilligt. Voraussetzung ist neben der Freiwilligkeit insbesondere, dass die betroffene Person hinreichend über die Verarbeitung ihrer Daten informiert ist, vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO

§ 28b Abs. 1 S. 1 IfSG a.F gab den Beschäftigten die Möglichkeit ihren 3G-Nachweis beim Arbeitgeber zu hinterlegen. Damit ist der Arbeitgeber war bis zum 19.03.2022 befugt, auch eine Kopie des Nachweises auf Grundlage einer Einwilligung i.S.d. § 26 Abs. 2 BDSG zu speichern. Eine Kopie des Impfausweises ist hier mangels Eignung unzulässig. In Betracht kam nur eine Kopie des entsprechenden Zertifikates. Liegt keine Einwilligung vor, so ist eine Speicherung der Nachweise als solche z.B. als Kopie nicht zulässig. Hier hat der Arbeitgeber den Impfausweis des Arbeitnehmers fotografiert, das Foto gespeichert und das Foto anschließend mehrfach verwendet. Die nach § 28b Abs. 3 IfSG a.F. erhobenen Daten dürfen ausschließlich für die hier genannten Zwecke der Überwachung und Dokumentation der Einhaltung der 3-G-Regel erhoben werden.

Eine Verarbeitung zu anderen Zwecken ist nicht zulässig. Der Arbeitgeber verwendet das angefertigte Foto vom Impfausweis des Arbeitnehmers regelmäßig, um damit behördliche Überprüfungen und/oder Strafverfolgung zu ermöglichen. Dazu ist ein Arbeitgeber offensichtlich nicht berechtigt.


Persönlicher Hinweis: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. ist 4-fach gegen Covid19 geimpft und befürwortet die Impfung persönlich.


Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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