LAG trifft kühne Entscheidung zum Thema Wettbewerbsverbot - Revision zugelassen

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Wettbewerbsverbot ein Buch mit sieben Siegeln? Jedenfalls gibt es Ecken und Kanten, Abzweigungen und Fallen, die jedem Arbeitgeber den Schweiß auf die Stirn treiben können. Bei der juristischen Beratung von Arbeitgebern ist daher nicht nur zu klären, „ob“ ein Wettbewerbsverbot (WV) vereinbart werden soll, sondern auch, „was“ der Arbeitgeber damit bezweckt. Lohnen sich die Zahlungsrisiken, die auf den Arbeitgeber möglicherweise zukommen und lassen sich diese Risiken durch die Chancen, die sich mit der bezahlten Enthaltsamkeit ergeben, rechtfertigen?

Zu dieser Thematik hatte das LAG Hamm am 5.6.2015 (10Sa 67/15) entschieden und damit seine eigene Rechtsprechung bestätigt.

Ein Arbeitgeber verwendete Formverträge, die anwaltlich geprüft waren. Diese enthielten WV, Vertragsstrafen und die Geheimhaltungspflicht 2 Jahre über die Beschäftigungszeit hinaus. Zuwiderhandlungen sollten mit 10.000 € Vertragsstrafe geahndet werden. Von Karenzzahlung war keine Rede. Trick 17 – oder?

Natürlich enthielten diese Verträge eine salvatorische Klausel. Diese besagte wörtlich:

„Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig oder unwirksam sein, so soll dadurch der Vertrag im Übrigen in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrages die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten.“

Nun trat der Fall ein, dass der Arbeitgeber einer Mitarbeiterin kündigte. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.12.2013. Die Arbeitnehmerin befolgte das WV, machte jedoch Karenzentschädigung für 2 Jahre geltend. Im März 2014 teilte der Arbeitgeber der Frau mit, dass sie sich nicht an das WV zu halten braucht, Entschädigung (geforderte 600,00 €/Monat) gibt es nicht, da diese nicht vereinbart war. Die Arbeitnehmerin klagte und gewann in 2 Instanzen. Revision zum BAG ist eingelegt (10 AZR 448/15), Die Entscheidung des BAG kann aber eine Weile dauern.

Der Arbeitgeber argumentierte vor dem LAG:

Es war keine Entschädigung vereinbart, also ist das Wettbewerbsverbot hinfällig.

Die ständige Rechtsprechung des BAG dazu:

Keine Karenzentschädigung = Wettbewerbsverbot nichtig.

Das heißt, weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer haben die Wahl, sich an das WV halten zu wollen. Es gibt dann einfach kein WV.

Hier hilft auch keine salvatorische Klausel. Denn sie ist kein Hinweis  auf die Regelungen des HGB zum Wettbewerbsverbot. Das BAG hat Wettbewerbsverbote, die keine Karenzentschädigung aber eine umfassende Verweisung auf §§ 74 ff. HGB enthielten für wirksam erachtet, da in der gesetzlichen Regelung, auf die verwiesen wurde, die Karenzentschädigung enthalten war und damit dem ausdrücklich verlangten Schriftformerfordernis Genüge getan wurde. Im Vorliegenden Fall ist durch den fehlenden Verweis auf die Vorschriften im HGB aber schon dem Schriftformerfordernis nicht genügt.

Das LAG argumentierte jedoch:

Eigentlich ist das WV nichtig, da keine Karenzzahlung im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Die erforderliche Schriftform wird eigentlich auch von der salvatorischen Klausel nicht gerettet. Aber: Die Salvatorische Klausel soll nichtige Vorschriften durch wirksame ergänzen. Wirksame Vorschrift wäre § 74 Abs. 2 HGB mit der Karenzentschädigung. Daher kommt die Karenzentschädigung als eigentlich gewollte wirksame Vorschrift an Stelle der unwirksamen vertraglich vereinbarten Vorschrift hinzu und das Wettbewerbsverbot wird damit wirksam. Wie ist dieser „Schlenker“ zu verstehen? Man muss sich fragen, was beide Parteien gewollt hätten. Dem Arbeitgeber war das WV wohl sehr wichtig, weshalb er auch hohen Vertragsstrafen für den Fall der Zuwiderhandlung androhte. Das schließt aber die Zahlungspflicht ein, denn wer das eine will, muss das andere mögen.

Der Arbeitgeber bzw. seine Anwälte wussten, dass das Wettbewerbsverbot wegen fehlender Karenzentschädigung nichtig ist. Man wusste auch von der Notwendigkeit der Schriftform. Man ging auf „Dummenfang“, indem man hoffte, nicht zahlen zu müssen, die Arbeitnehmerin sich aber trotzdem (wegen der angedrohten 10.000€) an das WV hält. Das LAG sah wohl, was der Arbeitgeber hier im Schilde führte und machte ihm mit seiner Entscheidung einen Strich durch die Rechnung.

Das ist juristisch kreativ argumentiert, jedoch bleibt abzuwarten, wie das BAG entscheidet. Die §§ 74 ff. HGB wurden mit keiner Silbe erwähnt und auch die Karenzentschädigung nicht. „Eigentlich“ dürfte das Urteil auch nicht halten, denn die gesetzliche Regelung ist eindeutig. Wenn aber doch die „Ungerechtigkeit“ derart mit Händen zu greifen ist? Das BAG hat schon merkwürdigere Argumente gefunden, wenn es von einem praktischen Ergebnis überzeugt war. Warum also sollte dieses Urteil des LAG nicht auch halten? Arbeitgebern ist jedenfalls zu raten, fair zu bleiben und die Enthaltsamkeit eines Arbeitnehmers auch bezahlen (wollen).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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