Langzeiterkrankte: Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen?

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Arbeitgebern können Langzeiterkrankten Urlaubsansprüche nicht ohne weiteres streichen. Der Anspruch erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. 

Als Langzeiterkrankte gelten Arbeitnehmende, die keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben, weil sie Krankengeld während 78 Wochen innerhalb von drei Jahren bezogen haben. Laut Bundesarbeitsgericht gilt eine Krankheit ab einer Dauer von acht Monaten langanhaltend. Ist zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen, dass sich der Zustand innerhalb von 24 Monaten bessert, gilt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als dauernd.

„Bei Langzeiterkrankten stellt sich regelmäßig auch die Frage, was mit dem Urlaubsanspruch der betroffenen Mitarbeitenden passiert? Bisher verfielen Urlaubsansprüche von Langzeiterkrankten immer 15 Monate nach Beendigung des laufenden Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Das ist nach neuen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und dem Bundesarbeitsgericht nun nicht mehr ohne weiteres möglich“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich neben der Beratung von Betroffenen des Abgasskandals auf die Durchsetzung von Ansprüchen von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos und die Vertretung von Betroffenen bei Kündigungsschutzklagen und anderen arbeitsrechtlichen Streitigkeit spezialisiert.

„Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen.“ (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az.: 9 AZR 245/19; zu Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2019, Az.: 9 Sa 145/17)

Der EuGH hatte zuvor entschieden, dass die 15-Monatsfrist nicht immer zulässig ist, und verwies dabei auf die Bedeutung des Urlaubsanspruchs und die entsprechende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers. Die bestehende Regelung zum Verfall des Urlaubsanspruchs nach 15 Monaten, wenn Arbeitnehmende im Verlauf des Urlaubsjahres erkranken und sie seitdem ununterbrochen arbeitsunfähig erkranken, wurde weiterentwickelt. Nun verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist laut Bundesarbeitsgericht, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können, heißt es weiter.

„Das bedeutet: Wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist, setzt die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß seitens des Arbeitgebers vor, betont Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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