Massenentlassung droht – was bedeutet das für mich?

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In den vergangenen Wochen sorgten die Stellenabbaupläne mehrerer Konzerne für große Verunsicherung bei ihrer Belegschaft. BASF plant 3000 Stellenstreichungen in Deutschland, Bayer 4500, Ford 5000 und bei der Deutschen Bank erwägt man im Rahmen der massiven Umbaupläne weltweit sogar 20.000 Stellen abzubauen. Auch im Rhein-Gebiet will Opel in Rüsselsheim 300 und Sanofi in Frankfurt-Höchst 144 Stellen streichen. 

Die Angst vor Massenentlassungen wächst. Angesichts des drohenden Wegfalls des Arbeitsplatzes sollten betroffene Arbeitnehmer dabei zügig handeln. Mit diesem Beitrag wollen wir sichergehen, dass Sie Ihre Rechte bei einer Massenentlassung richtig wahrnehmen. 

Was ist eine Massenentlassung? 

Eine anzeigepflichtige Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 1 KSchG liegt vor, wenn in Betrieben mit in der Regel 

  • 21 bis 59 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer 
  • 60 bis 499 Arbeitnehmern 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmer 
  • mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer 

innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden.

Als Arbeitnehmer zählen dabei auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, Auszubildende, Praktikanten und Arbeitnehmer in Elternzeit.

Betriebe mit in der Regel nicht mehr als 20 Beschäftigten und Saison- und Kampagne-Betriebe sind vom Anwendungsbereich der Massenentlassung ausgenommen. 

Ablauf einer Massenentlassung 

Das Massenentlassungsverfahren erfolgt zweistufig. 

Konsultationsverfahren 

Auf erster Stufe soll der Arbeitnehmer im Konsultationsverfahren vor der drohenden Massenentlassung geschützt werden. Zentraler Kern dieser Verfahrensstufe ist die vorherige Beteiligung des Betriebsrats. Dabei ist der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 KSchG dazu verpflichtet, dem Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor der geplanten Massenentlassungsanzeige die zweckdienlichen Auskünfte über die Entlassungen zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere über 

  • die Gründe der Entlassungen,
  • die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, 
  • die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, 
  • den Zeitraum in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer und
  • die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehener Kriterien 

schriftlich unterrichten. 

Die Unterrichtung muss auch rechtzeitig erfolgen, d. h. in dem Zeitpunkt in welchem der Arbeitgeber erwägt, Massenentlassungen vorzunehmen oder einen Plan für solche aufstellt. 

Der Betriebsrat ist dann im Regelfall zwei Wochen nach der Unterrichtung zur Abgabe einer Stellungnahme fähig. Sofern eine Stellungnahme nicht erfolgt, kann der Arbeitgeber vom Abschluss des Konsultationsverfahren ausgehen. 

Das Konsultationsverfahren bezweckt das Zustandekommen von Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Auf diese Weise sollen Entlassungen vermieden oder eingeschränkt werden. Eine fehlerhafte oder unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats führt zwingend zur Unwirksamkeit der Kündigung. 

Sofern von der Massenentlassung auch schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind, hat der Arbeitgeber auch die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX zu beteiligen. 

Anzeigeverfahren 

Im zweiten Schritt muss der Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit die geplanten Massenentlassungen schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats anzeigen. Das Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll so rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf Entlassungen einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. 

Die Anzeige hat der Arbeitgeber vorzunehmen, wenn entweder eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats beim Arbeitgeber eingegangen ist oder mindestens zwei Wochen seit der wirksamen Unterrichtung des Betriebsrats vergangen sind. 

Die Anzeige muss folgende Angaben enthalten: 

  • Firmenname 
  • Art und Sitz des Betriebes 
  • Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
  • Zahl und Berufsgruppen der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer 
  • Gründe für die geplanten Entlassungen 
  • Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen/Aufhebungs- bzw. Änderungsverträge angeboten werden sollen 
  • Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer 

Zudem muss der Arbeitgeber wiederum dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige an die Agentur für Arbeit zuleiten. Gegenüber der Agentur für Arbeit kann der Betriebsrat dann weitere Stellungnahmen abgeben. 

Die Agentur für Arbeit überprüft daraufhin, ob das durchgeführte Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde. 

Hat der Arbeitgeber die Massenentlassung angezeigt, beginnt mit Eingang der Anzeige auch der Lauf einer einmonatigen Entlassungssperre gemäß § 18 KSchG. Der Arbeitgeber kann in dieser Zeit Kündigungen bereits aussprechen, diese werden aber erst zum Ablauf der einmonatigen Frist nach wirksam. 

Zudem läuft mit der Anzeige auch der Beginn der 90-tägigen Freifrist. Wenn die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach Anzeige der Massenentlassung erklärt wird, muss der Arbeitgeber die Massenentlassung erneut anzeigen. 

Worauf müssen die Betroffenen achten? 

Für betroffene Arbeitnehmer ist es wichtig, zügig gegen eine Kündigung vorzugehen. 

Mit Zugang der Kündigung beginnt die dreiwöchige Klagefrist. Die Unwirksamkeit der Kündigung wegen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Massenentlassungsverfahrens muss der betroffene Arbeitnehmer im Rahmen eines gerichtlichen Kündigungsschutzverfahren geltend machen. Die Komplexität der Verfahrensabläufe bei einer Massenentlassung führen häufig zu Fehlern bei der Kündigung, sodass häufig Chancen auf Erfolg der Kündigungsschutzklage bestehen. 

Wenn das Unternehmen einen Betriebsrat hat

Gerade bei Massenentlassungen ist es wichtig, einen starken Betriebsrat zu haben. 

Bei einer Massenentlassung handelt es auch um eine so genannte Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG. Es können hierbei im Rahmen eines Sozialplans Abfindungszahlungen vereinbart worden sein. Hier ist der Betriebsrat frühzeitig einzubeziehen und muss gut verhandeln, um die wirtschaftlichen Nachteile der Betroffenen zu minimieren. Vorteilhaft für den betroffenen Arbeitnehmer ist der Umstand, dass die Abfindung selbst dann zu zahlen ist, wenn die ausgesprochene Kündigung wirksam ist. Die Abfindung ist dem Arbeitnehmer in diesem Fall sicher. 

Mit Erhebung einer Klage kann der betroffene Arbeitnehmer so einerseits seinen Arbeitsplatz versuchen zu sichern oder im Wege einer Abfindungsvergleich eine höhere Abfindungssumme einstreichen und sein Arbeitsverhältnis beenden. Wenn z. B. nur wenigen Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt wird, kann auch überprüft werden, ob der Arbeitgeber gemäß § 1 KSchG diese richtig ausgewählt hat. Auch hier gibt es viele Stolperfallen für Arbeitgeber, die im Rahmen einer professionellen Beratung herausgefunden und genutzt werden können. 

Wenn Sie entweder als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer oder als Betriebsrat von einer Massenentlassung betroffen sein sollten, melden Sie sich bei uns. Unser Team Arbeitsrecht unterstützt Sie sehr gerne bei der Um- und Durchsetzung Ihrer Rechte. 

Weitere Informationen zu aktuellem Arbeitsrecht erhalten Sie auch auf unserer Kanzleihomepage oder unter www.msbh-frankfurt.de.


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