Medienrecht: zur Zulässigkeit von identifizierender Berichterstattung in der Presse

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Die Presse bedient sich häufig der identifizierenden Berichterstattung, um ihre Nachrichten oder Sendungen interessanter zu gestalten. Besonders häufig ist dies der Fall Zusammenhang mit Straftaten. Der vorliegende Beitrag soll untersuchen, unter welchen Voraussetzungen eine identifizierende Berichterstattung zulässig ist und wann die Pressemedien über das Ziel hinausschießen.

1. Wann liegt eine identifizierende Berichterstattung vor?

Zunächst ist jedoch zu klären, wann überhaupt eine identifizierende Berichterstattung vorliegt. Hierbei hat etwa das LG München entschieden, dass eine Berichterstattung schon dann identifizierend sei, nachdem Vorname, Herkunft und Beruf des Betroffenen genannt wurden (vgl. LG München, ZUM-RD 2011, 705 (706)). Auch das OLG Frankfurt a.M. bejahte das Kriterium der Identifizierbarkeit bei Nennung des Vornamens und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, wenn zusätzliche individualisierende Gesichtspunkte hinzutreten (vgl. OLG Frankfurt a.M. GRUR-RS 2016, 00856 Rn. 22). Im Ergebnis handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, wobei eine Gesamtschau anzustellen ist.

2. Prüfung der Zulässigkeit

Wenn eine Identifizierung des Betroffenen möglich ist, muss im zweiten Schritt geprüft werden, ob dies zulässig ist.

Dazu ist es erforderlich, eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen anzustellen.

Erfolgt die identifizierende Berichterstattung unter Verwendung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten im Sinne von § 22 KunstUrhG, verletzt dies grundsätzlich das Recht des Betroffenen am eigenen Bild und damit letztlich auch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG. Ein solcher Eingriff ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG unter anderem aber dann zulässig, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Schon die Beurteilung dieser Frage erfordert nach dem BGH aber eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten und den Rechten der Presse (vgl. BGH GRUR 2010, 1029).

Im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind dabei auch der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände der Informationsgewinnung mit einzubeziehen (vgl. BeckOK UrhR/Engels, § 23 KunstUrhG, Rn. 3).

Zudem kann eine Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung gerechtfertigt sein, gerade wenn dies im Zusammenhang mit der Darstellung des Lebens prominenter Persönlichkeiten zusammenhängt. Nach dem BGH kann auch die Normalität des Alltagslebens eines Prominenten zur Meinungsbildung beitragen und daher vom öffentlichen Interesse sein (vgl. BGH NJW 2009, 757).

Bei „bloßen“ personenbezogenen Wortberichten kommt eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht.

Hinter dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbürgt sich die Befugnis des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 1228 Rn. 6). Aber auch in diesem Zusammenhang wiegt die Meinungs- und Pressefreiheit der Medien schwer. Höchstrichterlich wird bei der Einschränkung dieser daher große Zurückhaltung geübt. So entschied sowohl der BGH als auch das BVerfG, dass Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG nicht davor schütze, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden (vgl. BGH, GRUR 2011, 261; BVerfG, NJW 2012, 1500). Zudem müssten wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 693). Einschränkungen ergeben sich unter anderem aber dann, wenn unwahre Tatsachen verbreitet werden (vgl. BGH, GRUR 2014, 693) und/oder eine Stigmatisierung bzw. „Prangerwirkung“ für den Betroffenen zu befürchten ist.

3. Berichterstattung über Strafverfahren

Andere Maßstäbe sind unter Umständen bei der identifizierenden Berichterstattung über Straftäter anzusetzen. Ausgangspunkt ist in der Regel der selbige, denn auch hier muss eine Abwägung der Interessen des Straftäters an Geheimhaltung /Integrität mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit erfolgen. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Resozialisierungsgedankens sind hier aber strengere Anforderungen einzuhalten. Denn der Schutzbereich des APR wird in seiner Reichweite stärker betroffen sein, da neben der Sozialsphäre häufig auch die Privatsphäre des Betroffenen tangiert ist. Dennoch stellte das BVerfG in der Lebach- Entscheidung fest, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, welches durch die Medien vermittelt werden soll. Es führt weiter aus, dass die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen. Dieses sei umso stärker, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebe. Bei schweren Gewaltverbrechen sei in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12 –, Rn. 18, juris). Aber nicht nur schwere Straftaten können nach der Rechtsprechung ein berechtigtes Informationsinteresse begründen. Leichte Verfehlungen sind ebenso ausreichend, wenn durch Besonderheiten in der Person des Täters oder des Tathergangs, ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit an Information besteht (vgl. BVerfG, NJW 2006, 2835). Dies liegt auch daran, dass die Folgen der Berichterstattung bei weniger schwerwiegenden Gesetzesübertretungen geringer sind (vgl. BVerfG, NJW 2012, 1500).

4. Fazit zur identifizierenden Berichterstattung

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall ist. Kriterien für die Beurteilung sind dabei das öffentliche Interesse an der Berichterstattung, Art und Schwere der Beeinträchtigung des APR, die Aktualität oder auch das Verbreitungsmedium.

RA Norman Buse, LL.M. (Medienrecht & IP), Fachanwalt für Medienrecht, steht Ihnen gemeinsam mit seinem Anwaltsteam jederzeit im Bereich des Medienrechts zur Seite. Treten Sie jetzt mit uns in Kontakt.

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