„Klimakleber“-Song: Reinhard Mey geht wegen Urheberrechtsverletzung gegen Dorfrocker vor

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„Klimakleber über den Wolken“ – aber auch über dem Recht? Die Frage, wie weit Satire gehen darf, beschäftigt seit einigen Tagen die Musikwelt. Konkret geht es um die Band „Dorfrocker“, die ungewollt in einen Urheberrechtsstreit mit dem deutschen Kult-Liedermacher Reinhard Mey gerieten.

Normalerweise ist der Name der dreiköpfigen Band aus Unterfranken Programm; in ihren Songs geht es vor allem um das Dorfleben. Seit einigen Wochen widmen sie sich jedoch vermehrt dem Thema rund um Klimaaktivisten und deren vermeintliche Doppelmoral. In mehreren auf TikTok veröffentlichten und viralen Coverversionen von Hits, deren Urheber u.a. die Band „Unheilig“, Peter Schilling und Reinhard Mey sind, kritisieren sie die kontrovers diskutierten „Klimakleber“. Sie übernahmen die eingängigen Melodien, schrieben die Texte ein wenig um und fanden thematisch großen Anklang in der Community.

Das Problem: Sie haben die Coverversionen ohne Einwilligung der Urheber erstellt. Aus diesem Grund hat Reinhard Mey nun auch rechtliche Schritte angekündigt. Die Frage ist allerdings, ob die Band überhaupt hätte fragen müssen. 

Die von den „Dorfrockern“ gecoverten Songs sind in ihrer ursprünglichen Form als Werke der Musik gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ausdrücklich geschützt. Die Urheber haben daher das alleinige Recht, die Nutzung zu erlauben. Dazu gehört auch das aus ihrem Eigentum hergeleitete Recht, zu bestimmen, ob das Werk umgestaltet oder bearbeitet werden darf. Für die Verwertung und insbesondere die Veröffentlichung müssten daher entsprechende Nutzungsrechte gem. § 31 UrhG eingeräumt werden. Allerdings liegen hier, wie man an der klaren Distanzierung von Herrn Mey unschwer erkennen kann, ganz offensichtlich keine Lizenzverträge vor. Obwohl der Gesetzgeber in § 23 UrhG insbesondere den Melodien einen besonderen Schutz gewährt, schafft er noch in derselben Norm Raum für kulturelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten. 

Würde man das Urheberrecht nämlich zu starr gestalten, wäre zwar der Urheber bestmöglich geschützt. – Aber das kulturelle Interesse der Allgemeinheit und damit die Kunstfreiheit wären unverhältnismäßig eingeschränkt. Sieht man sich die Videos der „Dorfrocker“ an, könnte man beispielsweise eine Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG annehmen. Diese unterliegt grundsätzlich dem Einwilligungserfordernis durch den Urheber. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, sobald das neue Werk einen „hinreichenden Abstand“ zum Original wahrt, bedarf es eben keiner Zustimmung mehr. Dafür darf „Klimakleber über den Wolken“ aber nur in Anlehnung an Meys „Über den Wolken“ entstanden sein. Dass das Original hier nicht nur als Inspiration gedient hat, dürfte klar sein. Die Abweichungen sind zu gering, die Entnahmen zu offensichtlich. Sowohl die Wahl des Songtitels als auch die Übernahme der Melodie und mehrerer Textstellen mit Wiedererkennungswert deuten auf eine bewusste Ausnutzung des hohen Bekanntheitsgrades der Klassiker von Peter Schilling und Co. 

Die Dorfrocker hätten daher grundsätzlich eine Einwilligung der Urheber einholen müssen. 

Da mit den sogenannten Klimaklebern jedoch ein aktuelles und politisch ambivalentes Thema angesprochen wird, könnte man von Satire sprechen. Damit ginge es nicht mehr nur um Kunstfreiheit, sondern auch um Meinungsfreiheit. Die satirischen Darstellungsmethoden Karikatur, Parodie und Pastiche finden sich in § 51a UrhG und können nicht fest definiert werden. 

Wie so oft, kommt es ganz darauf an. Die Begriffe Karikatur und Pastiche sind noch nicht abschließend definiert, aber lassen sich dem allgemeinen Wortgebrauch nach kaum von dem der Parodie abgrenzen. Auch, wenn man mit Karikaturen vor allem Zeichnungen verbindet, könnte man in Bezug auf Musikwerke im Zweifel auch gut auf jedes der drei Stilmittel abstellen und damit auf eine Einwilligung des Urhebers verzichten. Das Besondere daran: Im Gegensatz zur freien Benutzung aus § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG sind zwar Unterschiede zum Original wichtig; ein Verblassen desselbigen jedoch nicht nötig. Das heißt, es darf getrost ganz offensichtlich das Original zu erkennen sein, um dem satirischen Aussagegehalt noch mehr Ausdruck zu verleihen. Eine direkte Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Werk ist überdies zumindest im Rahmen einer Parodie nicht notwendig. 

Die zwingend humoristische und verspottende Verarbeitung eines Themas kann sich gemäß der Gesetzesbegründung auch auf Dritte, ein gänzlich anderes Werk oder einen gesellschaftlichen Sachverhalt beziehen. Der Klimawandel und davon geleitete Aktivisten sind ohne Frage ein solcher gesellschaftliche Sachverhalt. Und die Auseinandersetzung damit ist von hohem öffentlichen Interesse, was man schließlich auch an der hohen Klickzahl der „Dorfrocker“-TikToks sehen kann. Doch auch, wenn man hier die Schrankenregelung aus § 51a UrhG anwendet, heißt das noch lange nicht, dass sich darauf verlassen werden kann. Es geht nämlich auch um einen angemessenen Ausgleich der Interessen und Rechte. Hier haben wir die Urheber(-persönlichkeits-)rechte einerseits und die Kunst- sowie Meinungsfreiheit andererseits. Man könnte mit Blick auf die gesteigerte Popularität der Band ebenfalls auf ein wirtschaftliches Interesse abstellen. 

Dieses dürfte jedoch kaum ausschlaggebend sein oder sich nachteilig auf die anderen grundgesetzlichen Rechte und Interessen auswirken. Anders wäre die Lage, wenn rein wirtschaftliche Interessen den Urheberpersönlichkeitsrechten gegenüberstünden. Wie ein Gericht sich in einer Abwägung im Sinne der Verhältnismäßigkeit entscheidet, lässt sich nicht prognostizieren, aber in der Vergangenheit hat sich eine Tendenz zugunsten der öffentlichen Meinungsbildung abgezeichnet. 

Im Ergebnis dürfte daher wohl keine Urheberrechtsverletzung vorliegen. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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