Mehrere Inhaber von Vorsorgevollmachten - Wer darf die Vollmacht des anderen entziehen?

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In unserer Anwaltspraxis empfehlen wir unseren Mandanten stets rechtzeitig mindestens einer Vertrauensperson (meist dem Ehepartner) eine Vorsorge- oder Generalvollmacht zu erteilen. In vielen Fällen ist es auch sinnvoll, mehrere Personen jeweils mit einer Vorsorgevollmacht auszustatten, damit im Ernstfall in jedem Fall jemand handlungsfähig ist. Leider kommt es immer wieder vor, dass zwischen mehreren bevollmächtigten Personen Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten entstehen. Kann in einem solchen Fall einer der Bevollmächtigten die Vollmacht des anderen widerrufen?

Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Oberlandesgericht Karlsruhe zu beschäftigen und entschied: Nein! Haben mehrere Personen Vorsorgevollmachten zur Einzelvertretung erteilt bekommen, dann sind sie im Regelfall nicht dazu ermächtigt, die Vorsorgevollmachten der anderen einzelvertretungsberechtigten Personen zu widerrufen (Beschluss vom 24.1.2022, Az. 10 W 8/21). Die Revision zum BGH wurde vom OLG Karlsruhe nicht zugelassen.

Darum ging es in dem Fall

Der Kläger hatte insgesamt vier Personen jeweils notariell eine Vorsorge- und Generalvollmacht erteilt, und zwar seinen drei leiblichen Kindern sowie seinem Stiefsohn. Sowohl der Stiefsohn als auch die drei leiblichen Kinder sollten mit der Vollmacht jeder ihren (Stief)Vater jeweils allein vertreten können. Wenige Jahre nach Erteilung der Vollmachten kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Bevollmächtigten. Eines der leiblichen Kinder widerrief per Anwaltsschreiben die Vollmacht, die der Vater dem Stiefsohn erteilt hatte. Der Stiefsohn sollte die notarielle Vollmachtsurkunde im Original herausgeben, um sie nicht mehr nutzen zu können. Der Stiefsohn weigerte sich jedoch und so kam der Fall zunächst vor das Landgericht Heidelberg (Az. 4 O 24/21). Der Stiefsohn legte gegen den erstinstanzlichen Beschluss sofortige Beschwerde ein, weshalb das Oberlandesgericht Karlsruhe zu entscheiden hatte.

Die Kernaussagen des OLG Karlsruhe zum Widerruf der Vorsorgevollmacht

Das OLG Karlsruhe hat klargestellt, dass mit der Erteilung einer Vorsorgevollmacht an eine Person in der Regel keine Bevollmächtigung zum Widerruf einer gleichzeitig einer weiteren Person erteilten Vorsorgevollmacht inbegriffen ist. Zur Begründung führt das OLG Karlsruhe an, dass der Vollmachtgeber, dessen Wunsch es war, dass mehrere Vertrauenspersonen jeweils eine Einzelvertretungsmacht haben, damit im Ernstfall immer mindestens eine Person für ihn agieren kann, sonst ständig der Gefahr ausgesetzt sei, dass die bevollmächtigten Personen sich gegenseitig "ausschalten". Ein solches Windhundprinzip würde also den Sinn und Zweck der Vollmachterteilung an mehrere einzelvertretungsberechtigte Personen vollständig konterkarieren. Jeder Bevollmächtigte könnte sich auf diese Weise sonst entgegen dem Wunsch des Vollmachtgebers zu einem Alleinvertretungsberechtigten machen und dies schlimmstenfalls sogar dauerhaft, wenn der Vollmachtgeber zwischenzeitlich geschäftsunfähig wird. Deshalb bleibt das OLG Karlsruhe bei seiner bereits 2010 in einem Beschluss (Az. 19 U 124/09) geäußerten Ansicht, dass die Vertretungsmacht des Einzelbevollmächtigten bei Konkurrenz mehrerer Bevollmächtigter insoweit in aller Regel zum Wohle des Vollmachtgebers beschränkt ist.

Nur der Vollmachtgeber selbst kann also die Vorsorgevollmacht jedes einzelnen Bevollmächtigten widerrufen. Ein Ausnahmefall könnte möglicherweise angenommen werden, wenn einer der Bevollmächtigten nachweislich durch die Ausübung seiner Vollmacht dem Vollmachtgeber Schaden zufügt und der Vollmachtgeber selbst aber nicht mehr in der Lage zum Widerruf der Vollmacht ist. In einem solchen besonderen Einzelfall wäre ein wirksamer Widerruf der Vollmacht des Bevollmächtigten durch einen anderen Bevollmächtigten denkbar. Ein solcher Fall wurde aber bislang soweit ersichtlich obergerichtlich noch nicht entschieden.

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