Mietminderung aufgrund der corona-bedingten Schließung für EMS-/Fitnessstudiobetreiber möglich?

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Die aktuelle Lage

EMS-/Fitnessstudios sind von den Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus besonders betroffen. Trotz eines vorübergehenden Lichtblickes – in Bayern galt der EMS-Sport laut Corona-Verordnung (BayIfSMV) als Dienstleistung (Individualsport) und war somit grundsätzlich bis zur Änderung der BayIfSMV am 12.11.2020 erlaubt – sind fast alle EMS-Studio-Betreiber an der Nutzung der angemieteten Gewerberäume gehindert.

Während die Umsatzausfälle noch durch die sog. November- und Dezemberhilfe im Jahr 2020 aufgefangen werden sollen, ist bereits absehbar, dass dies im Januar 2021 nicht mehr der Fall sein wird.

Kurz- und mittelfristig entsteht dadurch für die EMS-Studios ein Liquiditätsbedarf.

Diese Liquidität könnte durch die Nichtzahlung der Mietkosten beschafft werden. Als Begründung könnte dafür die bundesweite, behördlich angeordnete Schließung dienen.

Während im Frühjahrslockdown noch die Mietkosten wenigstens gestundet werden konnten, ist eine solche Stundung im Novemberlockdown nicht vorgesehen.

Auch anderweitig ist der Gesetzgeber bisher nicht tätig geworden. Zwar hat die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) mittlerweile einen Plan gefasst, sie will „…gesetzlich klarstellen [lassen], dass dies [gemeint ist eine behördlich angeordnete Einschränkung bzw. ein Verbot] regelmäßig die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) für ein Mietverhältnis bedeutet.

Ob dieser Vorschlag allerdings Gesetz wird, steht derzeit in den Sternen und trifft sicherlich auf erhebliche Gegenwehr der lobbystarken Vermieter.

Worüber wird rechtlich überhaupt diskutiert?

Eine Lösung könnte sein, wenn bereits nach derzeitiger Rechtslage das behördliche Verbot zur Nichtzahlung der Miete berechtigen würde.

Dies wäre dann der Fall, wenn das behördliche Verbot einen Mietmangel darstellen würde oder die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages durch das behördliche Verbot entfiele.

Ob ein behördliches Verbot einen Mietmangel darstellt und den Mieter zur Mietminderung berechtigt oder von der Pflicht zur Zahlung der Miete befreit, wird mittlerweile seitens der Gerichte unterschiedlich diskutiert und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Folgt man dem Ansatz der Justizministerin als Störung der Geschäftsgrundlage, so würden Mieter grundsätzlich vom Vermieter eine Vertragsanpassung verlangen können oder gar vom Vertrag zurücktreten können. Denn keine Vertragspartei konnte bei Abschluss der Mietverträge vorhersehen, dass eine branchenweite Versagung der gewerblichen Nutzung zu erwarten sei.

Dem entgegen steht die konkrete Formulierung des “Gesetz[es] zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht” aus dem Frühjahrslockdown, welches explizit kein Minderungsrecht vorsieht. Aus dieser gesetzgeberischen Intention wird hergeleitet, dass ein Minderungsrecht gerade nicht gewollt ist.

Für ein Minderungsrecht werden ebenso gute Argumente vorgetragen:

  • der vereinbarte Mietzweck für eine bestimmte Nutzung wird durch die behördlich angeordnete Schließung branchenweit untersagt und fällt somit nicht in den Risikobereich des Mieters
  • der Vermieter kann die Mietsache dem Mieter nicht mehr zu dem vereinbarten Zweck zur Verfügung stellen
  • das Risiko einer pandemiebedingten Schließung ist bei Vertragsschlussvon keiner Partei bedacht worden

Was sagen die Gerichte?

Die Gerichte kommen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies liegt allerdings weniger daran, dass Uneinigkeit über die rechtliche Wertung herrscht, als dass sich die zu verhandelnden Einzelfälle erheblich unterscheiden.

Landgericht Heidelberg & Landgericht Frankfurt am Main

Beide Gerichte sehen in der behördlich angeordneten Schließung keinen Mietmangel. Die Mieter sind weiterhin verpflichtet, den Mietzins zu entrichten und eine Vertragsanpassung kommt nicht in Betracht, da das Festhalten am Vertrag in den Einzelfällen zumutbar ist.

Allerdings sind die beiden Urteile vom 30.07.2020 (LG Heidelberg) und vom 02.10.2020 (LG Frankfurt am Main) so gelagert, dass der vertraglich vereinbarte Mietzweck so „weit“ gefasst wurde, dass es dem Mieter zumutbar war, die Gewerberäume weiterhin in geänderter Form zu nutzen.

Landgericht München

Anders urteilen die Münchener Richter am 22.09.2020. Diese sehen in der behördlich angeordneten Schließung sehr wohl einen Mietmangel und gestehen dem Mieter ein Minderungsrecht zu. Das Gericht geht noch weiter und differenziert:

  • 80% Reduzierung für die Zeit der behördlich angeordneten Schließung
  • 50% Reduzierung für die Zeit der geminderten Nutzungsmöglichkeit aufgrund der 800-Quadratmeter-Regelung (Kläger war ein größeres Möbelhaus)
  • 15% Reduzierung für die geminderte Nutzungsmöglichkeit aufgrund der umzusetzenden Hygienemaßnahmen

Ausschlaggebend ist der im Mietvertrag sehr „eng“ definierte vertraglich vereinbarte Zweck, sodass eine anderweitige Nutzung von vornherein nicht in Betracht gezogen werden konnte.

§ 1 des streitgegenständlichen Vertrag

„Vermietet werden die Flächen im Geschäftshaus zum Betrieb und zur Nutzung …. Die Vermietung erfolgt ausschließlich zum Zwecke des Einzelhandels“.

Welche Wertung kann man daraus ziehen?

Der vertraglich vereinbarte Mietzweck scheint – ohne Gesetzesreform – Dreh- und Angelpunkt bei der Bewertung der Frage nach einem Mietmangel und einem Minderungsrecht zu sein. Daher sollten Sie unbedingt Ihren Mietvertrag prüfen (Der Mietzweck steht meist in § 1 des jeweiligen Mietvertrags) und sich vergewissern, ob eine andere Nutzung von vornherein ausgeschlossen ist oder nicht.

Für die endgültige Klärung der rechtlichen Frage wird jedoch eine Entscheidung eines obersten Gerichts notwendig sein.

Bei EMS-/Fitnessstudios kann der vertraglich vereinbarte Zweck im Mietvertrag unterschiedlich ausgestaltet sein. Es gilt dann darauf zu achten, dass die Nutzung als EMS-/Fitnessstudio klar definiert ist und sich kein anderweitiger Zweck aus dem Mietvertrag ableiten lässt.

§ 1 eines (möglichen) gewerblichen Mietvertrags

Vermietet wird die Fläche X zum Betrieb und zur Nutzung …. Die Vermietung erfolgt ausschließlich zum Zwecke des Betriebs eines EMS-/Fitnessstudios“.

Wie gestaltet sich die konkrete Mietminderung?

Stellen Sie fest, dass Ihr vertraglich vereinbarter Zweck eine anderweitige Nutzung von vornherein bereits ausschließt, so kann eine Mietminderung für Sie in Betracht kommen. Eine Mietminderung kann in der Regel nur für die Zukunft erklärt werden. Allerdings gibt es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen.

Mietminderung für künftige Zahlungen

Gemäß § 536c BGB ist der Mieter verpflichtet einen Mangel, der sich im Laufe der Mietzeigt aufzeigt, zu melden. § 536b Satz 3 BGB stellt klar, dass die Gewährleistungsrechte des Mieters bei Kenntnis des Mangels ausgeschlossen sind, wenn der Mieter die Mietsache annimmt oder nutzt, ohne sich dabei seine Rechte vorzubehalten.

Das heißt nicht, dass ein Mangel, der erst verspätet angezeigt wird, ein künftiges Minderungsrecht automatisch ausschließt. Im Gegenteil: Eine verspätete Erklärung berechtigt den Mieter die Minderung für die Zukunft vorzunehmen.

Mietminderung für bereits erfolgte Zahlungen

Eine Mietminderung für die Vergangenheit kommt demnach nur in Betracht, wenn der Mieter dem Vermieter den Vorbehalt erklärt hat. Wechselt der Vermieter, so ist es ratsam, den Vorbehalt auch dem neuen Vermieter zu erklären.

Unter Vorbehalt versteht die Rechtsprechung die Erklärung gegenüber dem Vermieter, dass der Mieter einen konkreten Mangel benennt und zu erkennen gibt, dass er auf seine Gewährleistungsrechte nicht verzichten wird (OLG Hamburg ZMR 2005, 855).

Die Vorbehaltserklärung muss beweisbar dokumentiert sein. Es sollte daher nicht nur auf der Überweisung (oder via Online-Banking) im Überweisungszweck „Zahlung unter Vorbehalt“ erklärt werden, sondern ein separates Schriftstück, in welchem der Mietmangel konkret benannt wird – in unserem Fall die behördlich angeordnete Schließung -, aufgesetzt werden.

Ebenso kann der Mieter sein Recht auf Mietminderung verwirken, wenn er sein Minderungsrecht über einen längeren Zeitraum (ca. 6 Monate) nicht ausübt. Der Vermieter darf dann darauf vertrauen, dass der Mieter keine Ansprüche mehr stellen wird.

Schlusswort

Ist die Sach- und Rechtslage unklar, empfiehlt es sich die Miete immer unter Vorbehalt zu zahlen! Erklären Sie Ihren Vorbehalt JETZT schriftlich! Ansonsten verlieren Sie vielleicht Minderungsansprüche. 

Foto(s): @pixabay.com/de/users/geralt-9301/


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