Müssen Hartz-IV-Empfänger Unterhalt zahlen?
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Wer ein Kind in die Welt setzt, muss auch dafür sorgen – so die Ansicht der Familiengerichte. Der Elternteil, der den Nachwuchs nicht betreut, muss daher Barunterhalt zahlen. Hiervon sind nur begrenzt Ausnahmen möglich, z. B. wenn der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig ist. Das ist der Fall, wenn er aufgrund der Unterhaltszahlungen seinen eigenen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann. Doch können sich Hartz-IV-Empfänger auf Armut berufen, um einer Zahlungspflicht zu entgehen?
Tochter verlangt Unterhalt von ihrem Vater
Ein Paar trennte sich im Juli 2015 und der Mann zog einen Monat später aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die gemeinsame Tochter blieb bei ihrer Mutter und verlangte ab Juli 2015 von ihrem Erzeuger gerichtlich die Zahlung von Unterhalt. Der hielt sich allerdings für leistungsunfähig – derzeit lebe er nämlich von Hartz IV.
Er finde keine auskömmliche Arbeit, weil er nur den Hauptschulabschluss erworben und seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner nicht abgeschlossen habe. Ferner habe er als ungelernte Arbeitskraft zumeist nur Minijobs ergattern können. Für ca. fünf Monate habe er zwar eine Anstellung bei einer Autowäsche gefunden, bei der er 1318 Euro netto verdient habe. Den Job habe er aber unverschuldet verloren.
Auch nach der Aufforderung des zuständigen Gerichts, seine Ausbildungs- und Erwerbsbiografie sowie die verschickten Bewerbungen vorzulegen, blieb der Vater untätig. Ferner behauptete er, ein Mitarbeiter des Jobcenters habe ihm davon abgeraten, eine Teilzeitstelle anzunehmen, und empfohlen, lieber auf eine Vollzeitstelle zu warten.
Anrechnung fiktiver Einkünfte?
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm verpflichtete den Vater zur Zahlung von Unterhalt.
Weil seine Tochter noch minderjährig ist, trifft den Vater eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Er muss also alles ihm Mögliche tun, um seinem Kind Unterhalt zahlen zu können – sich also vor allem eine auskömmliche Arbeit oder sogar eine Nebentätigkeit suchen. Er muss sich jedoch fiktive Einkünfte zurechnen lassen, wenn er sich trotz realer Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt nur unzureichend um eine Anstellung bemüht. Wie hoch das fiktiv zuzurechnende Einkommen letzten Endes ausfällt, hängt davon ab, was der Unterhaltspflichtige realistisch erzielen kann. Hierbei spielen unter anderem seine Ausbildung und Berufserfahrung eine wichtige Rolle.
Vorliegend hat der Vater behauptet, als Hartz-IV-Empfänger nicht über ausreichend Vermögen und Einkommen zu verfügen, um sich und auch sein Kind zu unterhalten. Auch habe er aufgrund seiner Schul- und Berufsausbildung keine realen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das waren aber nur pauschale Behauptungen – die er vor Gericht nicht nachweisen konnte, weil er dort weder seine Ausbildungs- und Erwerbsbiografie noch Bewerbungen vorgelegt hatte.
Das Gericht betonte vielmehr, dass der Vater aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands problemlos in der Lage ist, einer Vollzeittätigkeit – und eventuell auch noch einer Nebentätigkeit – nachzugehen. Schließlich hat er es bereits einmal geschafft, eine auskömmliche Tätigkeit zu finden. Er ist auf dem Arbeitsmarkt also kein „hoffnungsloser“ Fall, auch wenn er seine Ausbildung nicht abgeschlossen hat. Das Gericht wies ferner auf erhobene Daten des Statistischen Bundesamts hin, wonach auch ungelernte Arbeitskräfte durchschnittlich mehr als zehn Euro verdienen.
Hätte sich der Arbeitslose also angemessen um eine Anstellung bemüht, wäre es ihm möglich gewesen, erneut eine auskömmliche Arbeit zu finden und seiner Tochter Unterhalt zu zahlen. Aufgrund der unzureichenden Erwerbsbemühungen musste er sich daher ein fiktives Einkommen zurechnen lassen, was trotz seiner Arbeitslosigkeit zur Unterhaltspflicht führte.
Fazit: Auch Hartz-IV-Empfänger müssen Unterhalt zahlen. Sofern sie auf dem Arbeitsmarkt durchaus Beschäftigungschancen haben, sich jedoch nicht ausreichend um eine Anstellung bemühen, wird ihnen ein fiktives Einkommen zugerechnet. Dann wird allerdings die Beitreibung des Unterhalts regelmäßig problematisch sein – die Realität sieht zumeist schließlich so aus, dass der Hartz-IV-Empfänger nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, um seinen Pflichten nachzukommen.
(OLG Hamm, Beschluss v. 23.12.2015, Az.: 2 UF 213/15)
(VOI)
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