Notwendigkeit der Ermächtigung des Verteidigers im Fall der Berufungsbeschränkung

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In bestimmten strafprozessualen Situationen reicht die Vorlage einer allgemeinen Prozessvollmacht zur Verteidigung des Mandanten nicht aus, sondern es wird darüber hinausgehend eine Ermächtigung durch diesen verlangt. Eine solche Situation stellt die Teilrücknahme eines Rechtsmittels dar, da diese mit dem Verlust einer gesetzlich garantierten Rechtsposition verknüpft ist. Inwieweit innerhalb einer Berufung eine Teilrücknahme mit der Pflicht zur Ermächtigung des Rechtsanwalts zu erblicken ist, wird selbst innerhalb der Rechtsprechung unterschiedlich behandelt und kann für die Rechtspraxis zu Unsicherheiten führen. 

Die Berufung kann gem. § 318 Satz 1 StPO auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Gem. § 302 I Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) kann ein Rechtsmittel auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung zurückgenommen oder auf dieses verzichtet werden, wofür der Verteidiger eine Ermächtigung gem. § 302 II StPO benötigt.

Ob und wann eine spätere, nach Einlegung der unbeschränkten Berufung erfolgte Beschränkung als Teilrücknahme gem. § 302 I S. 1 StPO zu erblicken ist, wird unterschiedlich beantwortet. Der BGH judiziert seit 1991, dass eine Beschränkung der Revision nach § 344 StPO keine Teilrücknahme sei, sondern lediglich der Umfang der Anfechtung konkretisiert werde. Ein Teil der Lehre folgert aus dieser Rechtsprechung, dass ohne Rücksicht auf die Art des eingelegten Rechtsmittels die nachträgliche Beschränkung dessen eine Konkretisierung des Umfangs der Anfechtung darstelle. Die Lehre und ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung vertritt in Übernahme der BGH-Rechtsprechung die Ansicht, dass nur nach Ablauf der Berufsbegründungsfrist gem. § 317 StPO erklärte Beschränkungen eine Teilrücknahme gem. § 302 I S. 1 darstellen, die einer besonderen Ermächtigung bedürfen. 

Das OLG Stuttgart vertritt dagegen die Ansicht, dass eine Beschränkung auch während der Berufsbegründungsfrist eine Teilrücknahme ist, welche das Erfordernis einer besonderen Ermächtigung auslöst. Als Begründung wird das Erfordernis der besonderen Ermächtigung des Verteidigers, welche dem Schutz des Angeklagten vor den Folgen einer unerwünschten Rücknahme dient, herangeführt. Schon bei Einlegung der Berufung hat dieser ohne Beifügung einer gesonderten Begründung Anspruch auf eine weitere Tatsacheninstanz. 

Die Teilrücknahme nimmt dem Angeklagten eine bereits uneingeschränkt erlangte Rechtsposition und führt im Umfang der Rücknahmeerklärung zu einem Verlust seines Rechtsmittels. Zum Schutz vor überraschenden Rechtsmittelerklärungen bedarf es einer besonderen Ermächtigung, welche über eine allgemeine Prozessvollmacht hinausgeht. Die Rechtsprechung des BGH zur Beschränkung der Revision innerhalb der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO steht dem aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung und Zielrichtung der Berufung und Revision nicht entgegen. Bei Einlegung einer Revision, welche zweiaktig ausgestaltet ist, wird erst durch Einlegung der Revisionsbegründung nach § 344 I StPO durch das Gericht bindend festgestellt, in welchem Umfang das Urteil angegriffen wird. Erst durch diese Erklärung, welche gem. § 345 II StPO nur durch den Verteidiger abgegeben werden kann, erlangt der Angeklagte eine Rechtsposition, die durch eine (Teil-)Rücknahme wieder preisgegeben werden kann. Demgegenüber gibt das Rechtsmittel der Berufung dem Angeklagten bereits mit der Einlegungserklärung nach § 314 StPO eine Rechtsposition in Form eines Anspruchs auf eine neue Tatsacheninstanz, in welcher aufgrund einer neuerlichen Beweisaufnahme zu einer neuen Entscheidung gefunden wird.

Aufgrund der unterschiedlichen Tendenzen in der Rechtsprechung scheint eine auseinanderdriftende Praxisanwendung nicht ausgeschlossen. Dem wird am besten dadurch begegnet, indem in jedem Fall neben einer Prozessbevollmächtigung eine Ermächtigung gem. § 302 II StPO beigefügt wird. 


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