Oberlandesgerichte äußern sich zunehmend zum Dieselskandal

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Immer mehr Oberlandesgerichte äußern sich bundesweit zum Dieselskandal und bejahen eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Volkswagen AG gemäß § 826 BGB.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat am 12.06.2019 entschieden, dass die Volkswagen AG einem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verpflichtet ist (Urteil vom. 12.06.2019, Az. 5 U 1318/18). Der Senat hielt VW vor, den Pkw „unter bewusstem Verschweigen der unzulässigen Softwareprogrammierung in Verkehr gebracht“ zu haben. Mit dieser bestehe „die Gefahr der Betriebsuntersagung und Fahrzeugstilllegung“. Dies begründe einen Schaden. Bei einem Weiterverkauf ergebe sich ein Wertverlust. VW habe sittenwidrig gehandelt. Der Senat betonte, „dass staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profitmaximierung getäuscht“ worden seien. Es sei daher ausgeschlossen, dass der VW-Vorstand oder zumindest der Leiter der Entwicklungsabteilung die Manipulationen nicht gekannt hätten. Das Bestreben des Käufers, durch den Kauf eines möglichst umweltschonenden Produkts einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, sei durch eine gezielte Täuschung unterlaufen worden.

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied in mehreren Fällen gegen die Volkswagen AG. unter anderem ging es im Verfahren, Beschluss vom 05.12.2018, Az.:14 U 60/18, darum dass die Volkswagen AG als Verkäufer und Hersteller handelte. Das Oberlandesgericht bejahte das Vorliegen sowohl von kaufrechtlichen als auch von deliktischen Ansprüchen des Verbrauchers gegen die Volkswagen AG. Das Oberlandesgericht betonte insbesondere, dass es für eine deliktische Haftung unerheblich sei, welche Person aus dem Unternehmen der Beklagten die Entwicklung und den Einbau der Software verantwortet hat, da die Beklagte entweder gem. §831 BGB oder aber gem. §§ 826,31 BGB hafte.

Das Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 03.01.2019, Az.: 18 U 70/18, bestätigt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln und vertieft die Erörterungen zum sittenwidrigen Verhalten der Volkswagen AG. Es bejaht eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung auch gegenüber dem Zweitkäufer eines Pkw, mithin des Käufers eines Gebrauchtwagens. Das OLG Köln führt unter anderem aus:

„Sittenwidrig ist ein Verhalten immer dann, wenn es nach seinem unter zusammenfassender Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermittelnden Gesamtcharakter in dem Sinne dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft, dass es mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 19.11.2013 Az.: VI ZR 336/12.

Ein derartiger, als sittenwidrig zu bewertender Verstoß gegen die Rechts- und Sittenordnung kann rein tatsächlich nicht nur in einer bereits nach § 123 BGB rechtlich missbilligten Täuschung eines Vertragspartners oder eines später hinzutretenden Dritten liegen, sondern schon in der Veräußerung eines z. B. wegen eines Unfallschadens mangelhaften Kfz an einen Zwischenerwerber, wenn nämlich in dem konkreten Fall damit zu rechnen war, dass derselbe es unter Verschweigen des Mangels weiterveräußern würde (vgl. dazu etwa OLG Braunschweig, Urt. v. 13. April 2006 – 8 U 29/05 -, juris Rn. 21 ff. m.w.N. zur diesbezüglichen OLG-Rechtsprechung sowie Sprau, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 826 Rn. 23).

Einerseits liegt der Verstoß gegen die für das Sittenwidrigkeitsurteil maßgebenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung hier nicht bereits in der Veräußerung einer mangelhaften Sache als solcher und ebenso wenig schon in einem diesbezüglichen Gewinnstreben des Erstverkäufers. Vielmehr gehört es durchaus zum gewöhnlichen Rechtsverkehr, auch mangelhafte Sachen entgeltlich zu veräußern. 

Andererseits bedarf es auch nicht der Täuschung des Erstkäufers bzw. Weiterverkäufers durch den Schädiger bzw. Erstverkäufer, sondern es ist ebenso anstößig, wenn dem Zweitverkäufer die Eigenschaften der erworbenen und weiter zu veräußernden Ware genau bekannt sind, der Erstverkäufer und der Zweitverkäufer aber dahingehend kollusiv zusammenwirken, einem Dritten die betreffende Sache zu veräußern, von dem sie annehmen müssen, dass er über keine Kenntnisse hinsichtlich der betreffenden, nachteiligen Eigenschaft verfügt, aber in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nehmen würde. In einem solchen Fall liegt der Tatbeitrag des Erstverkäufers bereits in der Veräußerung der mangelbehafteten Sache. Die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens ergibt sich aber erst aus den weiteren Umständen, also der Kenntnis nicht nur des Mangels, sondern auch der bevorstehenden Weiterveräußerung an einen ahnungslosen Dritten. Darüber hinaus kommt es darauf an, dass der Erstverkäufer auch in der Vorstellung handelt, dass der Dritte in Kenntnis der Umstände von dem Erwerb Abstand nehmen würde.

(...)

Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergibt sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter der Beklagten auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.“

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Hinweisbeschluss vom 21.09.2017, Az. I 4 U 87/17, darauf hingewiesen, dass Erfolgsaussichten für eine auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Schadensersatzklage eines vom VW-Abgasskandals betroffenen Autokäufers gegen die Herstellerin Volkswagen AG bestünden. Damit gibt das OLG Düsseldorf zu erkennen, dass ein Anspruch aus dem Deliktsrecht gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen den Hersteller VW auf Fahrzeugrückgabe Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises, bestehen dürfte.

Das Oberlandesgericht Oldenburg geht bei sog., „Kenntnisfällen“, also bei Käufen eines EA-189 nach Bekanntwerden des Dieselskandals, davon aus, dass auch diese Fälle rückabgewickelt werden können. Maßgeblich sei hier die vollständige und richtige Aufklärung des Klägers über die Betroffenheit seines individuellen Fahrzeugs des Abgasskandales sowie die Aufklärung über Verfügbarkeit und Wirkung eines Softwareupdates, OLG Oldenburg, Az.: 5 U 151/18, mündliche Verhandlung vom 05.05.2019.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab anlehnend an den Beschluss des BGH vom Januar 2019 einer Nachlieferung gleich in mehreren Fällen statt. Das OLG teilt vor allem mit, dass ein bloßer Verweis auf das Aufspielen des Updates nicht greife. Maßgeblich sei für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Nachbesserung zu einer Nachlieferung der Zeitpunkt der des Nacherfüllungsverlangens. Oberlandesgericht Karlsruhe, unter anderem Urteil vom 24.05.2019, Az.: 13 U 144/17, aber auch Hinweisbeschluss vom 06.12.2018 – Az.: 17 U 4/18.

Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Januar 2019 entschieden (Az.: VIII ZR 225/17), dass es sich bei den verwendeten Abschalteinrichtungen um solche handelt, die nach den geltenden EU-Vorschriften illegal sind (sog. defeat devices). 

Ferner hatte der Bundesgerichtshof in diesem Beschluss die Nachlieferung des mangelhaften PKW gegenüber dem Verkäufer bejaht. Bis dato gab es bundesweit kaum dahingehende positive Urteile. Der Bundesgerichtshof bejaht eine Nachlieferung auch in solchen Fällen, in denen der Hersteller einige Veränderungen an den Folgemodellen vorgenommen hat (sog. Facelifting). Beim Facelifting handelt es sich um eine Überarbeitung der Karosserie, der Innenausstattung und der technischen Spezifikationen des Fahrzeugs. Die bewährten Merkmale der Fahrzeuge erfahren eine Auffrischung und die Käufer sollen mit verschiedenen Neuheiten vom Kauf eines aktuellen Modells überzeugt werden. In vielen Fällen profitiert man nach einer Modellpflege von einer verbesserten Ausstattung des Fahrzeugs. Neue Motoren, moderne Scheinwerfer und angesagte Lackfarben sind oftmals Bestandteil einer Modellpflege. Nachteil war bisher jedoch, dass die gesetzliche Gewährleistungszeit zwei Jahre bei Neuwagen beträgt, die Automobilindustrie aber auch binnen 6 Monaten gerne neue Modellveränderungen präsentiert, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Hierdurch scheiterte oft die Durchsetzung des Nachlieferungsanspruchs gerade im Dieselskandal, weil der Verkäufer eine „Unverhältnismäßigkeit“ einwandte. Dem schob der BGH jetzt einen Riegel vor. 

Rechtsanwältin Handan Kes



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