OLG Karlsruhe (im Ergebnis abenteuerlich) zum Messgerät "PoliScan Speed" der Firma Vitronic

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Das Messgerät PoliScan Speed wird derzeit nicht nach der zugrunde liegenden Bauartzulassung der PTB betrieben. Das hat nun auch das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.05.2017 – 2 Rb 8 Ss 246/17) eingesehen, leider jedoch sodann einen falschen Schluss gezogen.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 37 km/h zu einer Buße von 120,- Euro verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war bei der Auswertung der Messung ausweislich der „Zusatzdaten“ des Messgerätes erkennbar, dass für das Messergebnis herangezogene Einzelmesswerte in einem Messbereich zwischen 49,82 Meter und 19,95 Meter vor dem Messgerät ermittelt worden seien (Hinweis: der von der PTB zugelassene Messbereich des Gerätes liegt zwischen 20 und 50m).

Das OLG Karlsruhe bezeichnet Messungen mit dem Messgerät PoliScan Speed in seiner Entscheidung zunächst als standardisiertes Messverfahren. Das OLG sodann wörtlich: „Im vorliegenden Fall legen allerdings die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme nahe, dass die in der Bauartzulassung der PTB vorgeschriebenen Bedingungen für den Einsatz des Messgerätes nicht vollständig eingehalten wurden, weil außerhalb des zugelassenen Messbereichs ermittelte (Einzel- oder Roh-) Messwerte in die Messwertbildung eingeflossen sind.“

Daraus zieht das OLG jedoch nicht den eigentlich naheliegenden – und auch einzig zutreffenden – Schluss, dass das Messgerät damit entgegen der Bauartzulassung der PTB misst und damit ein nicht geeichtes Messgerät verwendet wurde. Offenbar hat das OLG aber genau das doch gemeint, wenn es dann ausführt: „Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Nichteinhaltung der in der Bauartzulassung der PTB vorgeschriebenen Einsatzbedingungen nicht ohne Weiteres zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses führt, sondern der Tatrichter dann im Allgemeinen – in der Regel durch Zuziehung eines technischen Sachverständigen – die Auswirkungen auf die Gültigkeit der Messwertbildung zu überprüfen hat und die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Erleichterungen bei der Abfassung der Urteilsgründe nicht greifen.“

Dann nimmt das OLG Bezug auf eine Stellungnahme der PTB, in der die PTB meint, dass es je nach konkret vorliegender Fahrzeugkontur und Verkehrssituation vorkommen könne, dass einzelne Rohmessdaten für die Bildung des geeichten Messwertes berücksichtigt werden, deren Ortskoordinate außerhalb des Messbereichs liegt. Solange sich dabei das Modellobjekt im Messbereich befindet, sei dies zulässig. Die PTB habe im Quellcode der Messsoftware überprüft, dass diese Funktionalität korrekt implementiert sei.

Sodann wird es abenteuerlich: „Davon ausgehend schließt der Senat, der auch insoweit der überzeugenden Darlegung in den Antworten der PTB (folgt, aus physikalischen und mathematischen Gründen aus, dass die Einbeziehung von Rohmessdaten, deren Ortskoordinate nur geringfügig außerhalb des zugelassenen Messbereichs liegt, in die Messwertbildung hierauf einen relevanten Einfluss haben kann (...) und (...) sich nämlich die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs in einem Überschreitungsbereich von wenigen – vorliegend sieben bzw. fünf – Zentimetern aus physikalischen Gründen nicht nennenswert verändert haben kann(...). „

Das OLG Karlsruhe zieht also ernsthaft die – inhaltlich durch nichts belegte – Stellungnahme der PTB (also genau jeder Bundesanstalt, die bei der Zulassung des Gerätes nicht einmal gemerkt hat, dass das Gerät außerhalb des zugelassenen Messbereichs misst) ohne jede Infragestellung heran, um die Messung mit einem nicht geeichten Messgerät als ordnungsgemäß zu bewerten.

Offen lässt das OLG jedoch – inzwischen schon nicht mehr verwunderlich – wo denn die „geringfügige Überschreitung“ aufhört. Bei 10 cm? 20 cm? 50 cm? 70 cm? 1m? Überschreitungen von 20-70cm sind bei dem Gerät keine Seltenheit, wie aus diversen Verfahren bekannt ist.

Angesichts der immer abenteuerlichen Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Messgerät PoliScan Speed, die ganz offensichtlich nur das Ziel haben, den Einsatz des Messgerätes irgendwie noch zu rechtfertigen (immerhin hängen Millioneneinnahmen der Gemeinden daran) wird es dringend Zeit für eine korrigierende Entscheidung des BGH oder jedenfalls des BVerfG zu der Thematik.

Die Tatsache, dass diverse Amtsgerichte diesen Unfug nicht mitmachen zeigt einmal mehr, dass der Dichter doch Recht hatte: „Amtsrichter im stillen Kämmerlein soll nicht selten klüger sein!“

Betroffene sollten Bußgeldbescheide, die auf Messungen mit dem Gerät PoliScan Speed beruhen, nicht akzeptieren und sich Rat eines im Verkehrsrecht versierten Rechtsanwaltes holen.

Hierbei ist zu beachten, dass die Bußgeldbehörden dazu übergegangen sind, nicht mehr die Bezeichnung „PoliScan Speed“ als verwendetes Messgerät anzugeben, sondern bewusst verklausulierte Bezeichnungen wählen, damit die Betroffenen gar nicht merken, dass dieses umstrittene Gerät eingesetzt wurde. Hier einige Beispiele, die hellhörig werden lassen sollten:

Lasermessung Vitronic

Vitronic PS

Vitronic PS 1

Lasermessung

Lasermessung PS

Messung Poliscan

Wenn derartige Hinweise in Ihrem Bußgeldbescheid zu finden sind, sollten Sie nicht zögern und den im Verkehrsrecht erfahrenen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens kontaktieren.



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