OLG Oldenburg stärkt Rechte von Unfallversicherten

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Eine für Versicherungsnehmer von Unfallversicherungen erfreuliche Änderung seiner Rechtsprechung hat nun das OLG Oldenburg vorgenommen (OLG Oldenburg, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 U 96/16).

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob der Versicherer schon ausbezahltes Geld zurückfordern kann, wenn sich im Rahmen eines vom Versicherungsnehmer angestrebten Prozesses auf eine Mehrleistung herausgibt, dass die Invalidität geringer ist als außergerichtlich angenommen. 

Der Sachverhalt war eigentlich nicht ungewöhnlich: Der Ehemann der klagenden Versicherungsnehmerin hatte einen Unfall erlitten und wegen der bleibenden Schäden vom beklagten Versicherer eine Invaliditätsleistung erhalten. Der Versicherte meinte aber, dass die Invalidität höher sei, als von der Beklagten angenommen, und klagte auf weitere Leistungen. Im Rahmen der Begutachtung stellte der Gutachter fest, dass der Invaliditätsgrad nur 3/20 betrage, statt der 5/20 (oder ¼), die außergerichtlich der Regulierung zugrunde gelegt wurden. Der Versicherer erhob daraufhin Widerklage und forderte die „überbezahlten“ 2/20 (oder 1/10) zurück. 

Es ist allerdings rechtlich umstritten, ob diese Rückforderung möglich ist. Bedenken hiergegen ergeben sich daraus, dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung AUB eine Regelung enthalten ist, dass der Versicherer – nach anfänglicher Regulierung – eine Neubemessung der Invalidität nur verlangen kann, wenn er sich dieses Recht bei der Regulierung vorbehalten hat. 

Diese Regelung dient eigentlich dem Schutz des Versicherungsnehmers. Denn die meisten Unfallversicherungsfälle werden reguliert, indem festgestellt wird, dass ein Unfall eine dauerhafte Schädigung („Invalidität“) hervorgerufen hat und es wird abhängig von der ermittelten Höhe der Einschränkung reguliert. Da gesundheitliche Einschränkungen zu Beginn der Verletzung schwer einzustufen sind, gibt es die Möglichkeit, die Höhe der Invalidität nach 3 Jahren nachprüfen zu lassen. Dies Recht muss sich der Versicherer vorbehalten, dem Versicherungsnehmer steht dies Recht immer zu. 

Im vorliegenden Fall hatte der Versicherer keinen Vorbehalt erklärt. 

Das Problem besteht nun darin, dass der Versicherer zwar selbst kein Nachprüfungsverlangen mehr stellen kann, dass aber im Prozess des Versicherungsnehmers festgestellt wurde, dass die ursprünglich angenommene Invalidität zu hoch war. Kann der Versicherer nun die Überbezahlung zurückverlangen, auch wenn er selbst die Nachprüfung nicht hätte verlangen können? Die bislang wohl herrschende Ansicht in der juristischen Literatur hat dies bejaht (zitiert nach den Urteilsgründen: Jacobs, VersR 2010, 39 f.; Jacobs, Unfallversicherung Nr. 9 Rn. 11; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 28. Aufl., AUB 2008 Nr. 9 Rn. 11; Bruck/Möller/Leverenz, VVG, 9. Aufl., § 188 Rn 34 aE; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl., Nr. 9 AUB Rn. 2). Das OLG Frankfurt/Main hat die Frage in einem Urteil vom 18.9.2008, Az. 3 U 206/06 (VersR 2009, 1653) verneint. 

Das OLG Oldenburg hatte sich in einem älteren Urteil (abgedruckt VersR 1998, 1274) noch der erstgenannten Ansicht angeschlossen. Hiervon ist es jetzt – aus Sicht der Versicherungsnehmer erfreulicherweise – abgerückt. 

Die vorliegende Entscheidung überzeugt meiner Ansicht nach. Denn das OLG Oldenburg dekliniert zur Begründung seiner Entscheidung lediglich lehrbuchhaft die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Auslegungskriterien für Versicherungsbedingungen durch. Bei objektiver Sichtweise schwer angreifbar führt es dabei aus, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Klausel – die ja für den Versicherer gerade verlangt, dass er sich die Nachprüfung vorbehält – nicht so verstehen kann, dass er, wenn er eine Verbesserung im Prozess erreichen will, das Risiko eingeht, das schon ausbezahlte ggf. zu verlieren. Diese Rechtsfolge sei im Hinblick auf den eindeutig verlangen Vorbehalt nicht darstellbar. Jedenfalls wäre es jedoch nach den Urteilsgründen überraschend und wohl auch unangemessen benachteiligend. 

In der Sache ist die Entscheidung auch zu begrüßen. Die ausdrückliche Anforderung an den Versicherer, sich eine Neubemessung bei der Regulierung vorzubehalten, würde unnötigerweise ausgehebelt, wenn man auch ohne den Vorbehalt im Anschluss an die Neubemessung durch den Versicherungsnehmer profitieren könnte. Außerdem ist die praktische Relevanz nicht zu verachten. Angenommen der Versicherungsnehmer hätte wegen einer schweren Folge eine überdurchschnittliche Leistung erhalten, er sei jedoch der Meinung, dass er noch mehr verdiene: Wirtschaftlich betrachtet wäre er schlecht beraten, wenn er den Prozess führen würde, weil es durchaus im Bereich des Möglichen ist, dass ein neuer Sachverständiger zu einer geringeren Invalidität kommt. Dieses Damoklesschwert würde somit über jedem Verfahren schweben und wäre wirtschaftlich betrachtet schwer zu handhaben. 

Es bleibt somit schon aus einem fairen Gleichgewicht der Kräfte zu hoffen, dass sich die Ansicht des OLG Oldenburg nunmehr durchsetzt. 

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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