Paukenschlag des Verfassungsgerichts gegen Blitzer – beste Verteidigungschancen! (Teil 2 von 2)

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Teil 1
Teil 2

Im ersten Teil unseres Beitrags hatten wir dargestellt, dass bislang von Gerichten in der Regel hingenommen wurde, dass bei Geschwindigkeitsmessungen ein Großteil der generierten Messdaten systematisch vonseiten der Gerätehersteller vernichtet wird. 

Der Saarländische Verfassungsgerichtshof urteilte am 05.07.2019, dass diese Rechtspraxis (zumindest nach dortigem Landesrecht) verfassungswidrig ist und betroffene Verkehrsteilnehmer unter anderem in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle des vorgeworfenen Messwerts nicht möglich ist. 

Im nachfolgenden zweiten und zugleich letzten Teil des Beitrags erläutern wir, wie sich die Praxis der Geschwindigkeitsmessungen vor allem im Saarland, mutmaßlich aber auch in einigen anderen Bundesländern Deutschlands nach dem verfassungsgerichtlichen Urteil ändern wird, und geben Empfehlungen, wie sich geblitzte Verkehrsteilnehmer künftig verhalten sollten.

III. Die Auswirkungen der Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 05.07.2019 auf die Praxis der Geschwindigkeitsmessungen in Deutschland

Um es vorwegzunehmen: Rechtlich bindende Wirkung hat die besagte verfassungsgerichtliche Entscheidung nur für die Tatsachen- und Rechtsbeschwerde-Gerichte des Saarlandes.

Die Gerichte anderer Bundesländer sind formell nicht an die Entscheidung vom 05.07.2019 gebunden. Es bleibt abzuwarten, wie die Reaktionen von dort in der näheren Zukunft ausfallen werden.

Wir jedenfalls meinen, dass die Chancen zumindest in einigen Bundesländern sehr gut stehen, dass das Urteil des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs in der häufig betroffenen-feindlichen Rechtsprechung zu einem Umdenken führen wird, sind die dortigen Landesverfassungen doch in den maßgeblichen Bereichen weitestgehend vergleichbar mit der Saarländischen Verfassung, die dem Urteil vom 05.07.2019 zugrunde lag.

Außerdem zog das saarländische Verfassungsgericht den aus unserer Sicht zutreffenden Vergleich zu einer schon reichlich betagten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 123, 39 ff.), in der seinerzeit – mit Wirkung für alle Bundesländer (!) – entschieden wurde, dass die Verwendung von Stimmcomputern bzw. elektronischen Wahlgeräten ungeachtet erfolgter Zulassungsprüfungen nur dann zulässig sein kann, wenn eine bürgerschaftliche nachträgliche Richtigkeitskontrolle gewährleistet ist.

Auch wenn hiernach vordergründig erst einmal vor allem Bußgeldverfahren im Saarland von der positiven Entscheidung des dortigen Verfassungsgerichts betroffen sind und dort geblitzte Betroffene unmittelbar profitieren sollten, lohnt es sich somit, sich als betroffener Verkehrsteilnehmer ab sofort auch in allen anderen Bundesländern in jedem punktebewehrten oder gar mit einem Fahrverbot belasteten Fall einer Geschwindigkeitsüberschreitung zur Wehr zu setzen und mit anwaltlicher Hilfe auf die Einstellung des Verfahrens zu drängen.

Die Chancen hierauf sind ungeachtet sonstiger Verteidigungsansätze so groß wie selten zuvor. Schließlich führte der Saarländische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil eindeutig noch Folgendes aus:

„Sind die Ergebnisse des Messverfahrens mit dem Messgerät TraffiStar S 350 folglich wegen einer verfassungswidrigen Beschränkung des Rechts auf eine wirksame Verteidigung unverwertbar, sind die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben.“

IV. Was sollte man als Betroffener einer angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung nun tun?

Jeder Verkehrsteilnehmer, dem eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgeworfen wird, sollte spätestens jetzt einen auf Bußgeldsachen spezialisierten Fachanwalt für Verkehrsrecht kontaktieren und sich unter anderem mit Blick auf die verfassungsgerichtliche Entscheidung aus dem Saarland zur Wehr setzen. 

Aus den genannten Gründen gilt dieser Rat unabhängig davon, in welchem Bundesland man geblitzt wurde.

Für das Saarland ist aus hiesiger Sicht durch das Verfassungsgericht eindeutig klargestellt, dass derzeit noch laufende Verfahren einzustellen sind.

In allen anderen Bundesländern setzen wir uns mit Nachdruck für unsere Mandanten dafür ein, gleichartige Verfahrensergebnisse zu erzielen.

Die Chancen stehen ausgesprochen gut, nicht zuletzt deswegen, weil die betroffenen Messgeräte den Großteil der Messdaten nicht etwa nur „versteckt halten“, sondern die Daten unwiederbringlich (!) gelöscht wurden, sodass keine „Nachlieferung“ derselben möglich ist.

Betroffen sind insbesondere Laser- und Radar-Messgeräte aller Generationen, aber auch Messstellen mit druckempfindlichen Piezo-Sensoren. Einzig der Einseitensensor ES 3.0 und Messungen mit Zivilfahrzeugen der Polizei mit Video-Anlage dürften wohl mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts in Einklang zu bringen sein.

Eine anwaltliche Überprüfung ist somit insbesondere dann dringend zu empfehlen, wenn im Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid unter der Rubrik „Beweismittel“ ein Gerät oder eine Gerätegruppe nach folgender Beschreibung aufgeführt ist: 

  • Laser TraffiStar S 350 (dies ist das im Urteil genannte Messgerät)
  • Laser Poliscan Speed
  • Laser XV 3
  • „Laser mit / ohne Foto”
  • Radar Traffipax SpeedoPhot
  • Radar VR6F
  • Radar M5 Radar
  • Koaxialkabel / Piezosensor TraffiPhot-S
  • Koaxialkabel / Piezosensor TraffiStar S 330
  • Koaxialkabel / Piezosensor GTC-GS 11
  • Sensormessung (Ausnahme: ES 3.0)

Zu erwähnen ist insofern noch, dass diverse Abwandlungen der genannten Geräte mit abweichenden Namensgebungen im Einsatz sind, u. a. abhängig davon, ob diese als mobiles Kleingerät, als semi-stationäre Anhänger-Version (z. B. Poliscan Speed Enforcement Trailer) oder als stationäre Tower-Version eingesetzt werden. 

Die obigen Ausführungen zu den guten Erfolgsaussichten für Verfahrenseinstellungen gelten aber bei den besagten Messgeräten unabhängig davon, ob diese mobil, in Anhänger-Gestalt oder stationär eingesetzt wurden. 

Geräte der nachfolgend genannten Art weisen sogar die Besonderheit auf, dass diese gar nicht mit Bild- oder Video-Dokumentation arbeiten und keinerlei Messdaten speichern. Diese Geräte dürften aus unserer Sicht zukünftig überhaupt nicht mehr zum Einsatz gebracht werden und auch hier sind aktuelle Verfahren einzustellen. Angesprochen sind damit:

  • Laser FG21-P
  • LaserPatrol

Wer bereits seit längerer Zeit ein Bußgeldverfahren laufen hat und bislang wenig Hoffnung in dieses gesetzt hat, sollte vor der Entscheidung über eine etwaige Einspruchsrücknahme ebenfalls unbedingt Kontakt zu einem spezialisierten Verteidiger für Bußgeldsachen aufnehmen.

Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel ist bundesweit tätig und bearbeitet auf höchstem Spezialisierungs-Niveau nahezu ausschließlich Bußgeldsachen im Verkehrsbereich. In den Jahren 2015 bis 2019 ist er in der „Focus-Liste“ durchgehend als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ gelistet.



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