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Rückflug verpasst – Reiseleitung gab Abflugzeit falsch an

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Jeder, der schon einmal eine Pauschalreise gemacht hat, kennt das Prozedere kurz vor Abreise: Man sucht in den vielen Ordnern der verschiedenen Reiseveranstalter nach der Abholzeit vom Hotel zum Flughafen, um den Heimflug antreten zu können. Oft wird den Urlaubern die Abhol- und Abflugzeit schon direkt bei der Ankunft mitgeteilt. Es kommt aber auch vor, dass sich die Abflugzeit ändert und die Reiseleitung die Urlauber persönlich über die geänderte Abholzeit informiert. Dass dies aber auch Tücken haben kann, zeigt dieser aktuelle Fall.

Reiseleitung gab geänderte Abholzeit an

Ein Mann flog mit seiner Frau, seinem Sohn und dessen Frau nach Jamaika in den Urlaub. Geschuldete Reiseleistungen des Reiseveranstalters waren die Unterbringung im gebuchten Hotel und der Transfer vom Flughafen ins Hotel und umgekehrt. Den Hin- bzw. Rückflug buchte der Mann selbst. Am Vorabend des Rückflugs bat die örtliche Reiseleiterin des Reiseveranstalters die Familie in ihr Büro und teilte ihr mit, dass sich die Abflugzeit geändert hätte. Statt um 11:35 Uhr sollte die Maschine erst um 14:10 Uhr abfliegen. Daher wurde auch die Abholzeit am Hotel auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, nämlich statt 6:20 Uhr auf 10:30 Uhr.

Rückflug verpasst, Ersatzflug gebucht

Der Kläger und seine Familie wurden zum angegebenen Zeitpunkt vom Hotel abgeholt und zum Flughafen gebracht. Dort angekommen wurde ihnen allerdings mitgeteilt, dass das Flugzeug, in dem alle vier Reisenden reservierte Plätze hatten, bereits abgeflogen sei. Außerdem gab es auch keinen Flug um 14:10 Uhr, wie von der Reiseleiterin mitgeteilt. Es gab lediglich einen Flug, der um 14:05 Uhr abfliegen sollte. Die Informationen der Reiseleiterin waren also komplett falsch. Aus diesem Grund buchten der Kläger und seine Frau als Ersatz jeweils zwei Flugtickets für einen Flug über Philadelphia nach Frankfurt/Main, der am selben Tag um 14:00 Uhr startete.

Ersatz der Rückflugkosten

Die Kosten der Rückreise i. H. v. 8799,92 Euro verlangte der Kläger schließlich vom Reiseveranstalter ersetzt. Dies lehnte er mit dem Hinweis ab, dass er lediglich den Transfer und nicht den Rückflug schulde. Daher kam es zum Prozess. Darin gab das Landgericht (LG) Frankfurt am Main dem Kläger recht und verurteilte den Reiseveranstalter zur Zahlung der kompletten Kosten für den Ersatzflug, obwohl er lediglich den Transfer und nicht die Flugbeförderung schuldete.

Reiseleitung ist Erfüllungsgehilfin

Die Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass der Reiseveranstalter dem Kläger Schadensersatz i. H. d. Rückflugkosten zahlen muss, da eine Nebenpflicht aus dem Reisevertrag nach §§ 280 Abs. 1, 651a, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verletzt wurde. Das bedeutet, dass den Reisenden im Rahmen des organisatorischen Ablaufs keine falschen Informationen, wie hier die falsche Abflugzeit und daraus folgend die falsche Abholzeit, erteilt werden dürfen. Dabei muss sich der Reiseveranstalter das Verhalten der durch ihn eingesetzten Reiseleiterin als sog. Erfüllungsgehilfin i. S. d. § 278 BGB zurechnen lassen, da er diese zur Erfüllung der eigenen reisevertraglichen Pflichten eingesetzt hat. Das Verschulden der Reiseleiterin liegt darin, dass sie von sich aus auf die Familie des Klägers zugegangen ist und eine Falschauskunft bezüglich der Rückflugzeit gegeben hat. Wenn es nämlich keine Pflicht zur Auskunft der Abflugzeit gibt, aber trotzdem diesbezüglich eine Auskunft erteilt wird, darf diese Auskunft auf keinen Fall falsch sein.

Kein Mitverschulden der Familie

Die Richter sahen auch kein Mitverschulden beim Kläger, indem er auf die Auskunft der Reiseleiterin vertraut hat und nicht selbst die Abflugzeit des Rückfluges nochmals überprüft hat. Da es im Flugverkehr üblich sei, dass es zu Verschiebungen der Flugzeiten komme, musste der Kläger nicht an der Aussage der Reiseleiterin zweifeln und folglich auch nicht misstrauisch werden. Er durfte sogar davon ausgehen, dass die Informationen, die von der Reiseleitung weitergegeben wurden, vorher überprüft worden sind.

Abhilfeverlangen war entbehrlich

Im vorliegenden Fall musste der Kläger vor Buchung des Ersatzfluges auch kein Abhilfeverlangen an den Reiseveranstalter richten. § 651d Abs. 2 BGB ist hier nicht anwendbar. Da der Reiseveranstalter die Flugbeförderung nicht geschuldet hat, liegt keine mangelhafte Reiseleistung vor. Es wurde lediglich eine reisevertragliche Nebenpflicht verletzt, bei der keine Verpflichtung des Reisenden besteht, dem Reiseveranstalter zunächst die Möglichkeit zu geben, den Schaden anderweitig abzuwenden.

Nur Transfer geschuldet – Rückflugkosten trotzdem zu erstatten

Das Besondere in diesem Fall ist, dass der Reiseveranstalter die Kosten des Ersatzfluges der Familie übernehmen muss, obwohl er aus dem geschlossenen Reisevertrag lediglich den Transfer vom Hotel zum Flughafen schuldete und nicht den Rückflug. Dies musste er aus dem Grund, da seine Reiseleiterin der Familie von sich aus eine falsche Abflugzeit genannt hat, daraufhin die Abholung im Hotel später organisiert hat und der Flug aufgrund dieses verspäteten Transfers verpasst wurde.

(LG Frankfurt am Main, Urteil v. 06.06.2014, Az.: 2-24 O 125/13)

(WEI)

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