Schäden durch Bauarbeiten am Nachbargrundstück – nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch
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Neben erheblichen Lärmbelästigungen kann es vorkommen, dass durch Bauarbeiten am Nachbargrundstück Schäden auf Ihrem eigenen Grundstück entstehen. Diese zeigen sich in der Regel nach Tiefbauarbeiten und den dabei entstehenden Erschütterungen in Form von Rissen in Wänden/Decke/Fassade oder durch Feuchtigkeitsschäden.
So werden bei der Erstellung von Baugruben und der Einziehung von Spundwänden oft einzelne Bohlen in den Boden gerammt, welche später wieder gezogen werden. Die Schäden können daher sowohl beim Einrammen und/oder beim Ziehen der Bohlen durch Erschütterungen/Vibrationen entstehen.
Wer haftet?
Wenn Ihr eigenes Haus/Wohnung durch diese oder vergleichbare Vorgänge Schäden davonträgt, stellt sich die Frage der Haftung. Haftet der ausführende Bauunternehmer? Haftet der Nachbar? Die Antwort ist erfreulich, denn in der Regel haften sogar beide als Gesamtschuldner (§ 840 BGB – vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1982 – Az. V ZR 314/81, Rz.31).
Schadensersatzanspruch gegen Nachbarn
Der Nachbar haftet in der Regel verschuldensunabhängig gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Haftung greift sogar dann, wenn Ihr Nachbar einwenden sollte, dass bei der Baumaßnahme die DIN-Normen für Erschütterungen eingehalten worden sind und es sich deshalb bei der Baumaßnahme nur um eine unwesentliche Beeinträchtigung handelte, die zu dulden war (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB). So führt das OLG München mit Endurteil vom 11.09.2019 (Az. 7 U 4531/18) aus:
„Das Hervorrufen massiver Schäden auf einem fremden Grundstück ist immer eine wesentliche Beeinträchtigung dieses Grundstücks, auch wenn dabei gesetzliche oder technische Richtwerte eingehalten werden.“
Schadensersatzanspruch gegen das ausführende Bauunternehmen
Der ausführende Bauunternehmer haftet wegen der Eigentumsverletzung in der Regel aus § 823 Abs. 1 BGB. Auch wenn der Bauunternehmer ausführen sollte, an die Weisungen bzw. den Auftrag der Erstbeklagten (Nachbarn) gebunden gewesen zu sein, rechtfertigt diese Erwägung aus dem Innenverhältnis (Nachbar & Bauunternehmer als Gesamtschuldner) keine Eigentumsverletzung im Verhältnis zu Ihnen (vgl. OLG München, a. a. O.).
Schadensersatz auch bei Vorschäden
Bei älteren Bauten stellt sich auch immer die Frage, inwieweit bereits vorhandene Vorschäden berücksichtigt werden. Idealerweise sollte vor Beginn der Baumaßnahme ein Beweissicherungsgutachten durch einen Bausachverständigen erstellt werden. Dieses dokumentiert etwaige Vorschäden und lässt den Vergleich zum Zustand Ihres Gebäudes nach der Baumaßnahme zu. Aber selbst wenn Vorschäden vorhanden sind, bleibt die Haftung des Nachbarn/des Bauunternehmers bestehen. Denn das Vorhandensein von Vorschäden betrifft nur die Frage der Höhe des Schadens und lässt die Haftung dem Grunde nach unberührt (vgl. OLG München, a. a. O. „Denn auch ein schlecht gebautes Haus darf man nicht beschädigen.“). Zum Vergleich: Das Kammergericht in Berlin reduzierte den Schadensersatz um 15 Prozent bei einem Gebäude, das zuvor bereits Kriegsschäden erlitten hatte (KG Berlin, Urteil vom 16.01.1997- Az. 12 U 5246/95).
Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten möglich?
Trotz der Rechtsprechungsänderung des BGH ist es für Sie weiter möglich, Ihren Schadensersatzanspruch auf Basis der fiktiven Schadensbeseitigungskosten zu berechnen:
„Denn diese Rechtsprechung beruht entscheidend auf Spezifika des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Äquivalenzinteresse von Unternehmer und Besteller. Vorliegend wird jedoch kein werkvertraglicher Gewährleistungsanspruch, sondern ein deliktischer bzw. nachbarrechtlicher Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Im allgemeinen Schadensersatzrecht ist jedoch unbestritten, dass der Geschädigte den Schaden auf der Basis fiktiver Beseitigungskosten berechnen und nach der im zustehenden Dispositionsfreiheit den Schadensersatzbetrag anderweitig verwenden kann (vgl. OLG München, a. a. O. mit Verweis auf Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage, § 249 Rn. 6, 14).
Zusammenfassend bestehen guten Chancen, dass Ihre Ansprüche erfolgreich durchgesetzt werden können. Wir helfen Ihnen dabei gern.
Autor:
Rechtsanwalt Dennis Wiegard
Düsseldorf, den 14.06.2021
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