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Scheinselbstständigkeit bei Ein-Personen-GmbH

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Das Bundessozialgericht gibt dem Dauerbrenner „Scheinselbstständigkeit“ neuen Zündstoff. In der Sitzung vom 20.07.2023 hat das BSG in mehreren Fällen festgestellt, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn eine Ein-Personen-Unternehmergesellschaft einen Auftrag übernimmt und der Alleingesellschafter und –geschäftsführer diesen Auftrag persönlich ausführt. 


Die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Im Terminsbericht vom 20.07.2023 findet sich u.a. aber folgende bemerkenswerte Feststellung:


„Verpflichtet sich eine Ein-Personen-UG gegenüber einem anderen Unternehmen vertraglich zur Erbringung von Tätigkeiten, die ihrer Art nach eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des anderen Unternehmens und eine Weisungsgebundenheit an dortige Weisungsgeber bedingen, sind ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen zwischen dem die Tätigkeit selbst ausführenden Gesellschafter-Geschäftsführer der UG und dem anderen Unternehmen zur Begründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich. Vergleichbar dem Rechtsinstitut des fingierten Arbeitsverhältnisses nach § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG im Fall einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung bestimmt sich die rechtliche Beurteilung als Beschäftigung vielmehr 

anhand der Vereinbarungen zwischen der UG und dem anderen Unternehmen sowie der praktischen Durchführung dieses Vertrags.“


Ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kann also  auch dann begründet werden, wenn der Alleingesellschafter die von der UG geschuldete Tätigkeit alleine ausführt und dabei in die Betriebsorganisation des Auftraggebers wie ein dortiger Arbeitnehmer eingegliedert ist. Die „Zwischenschaltung“ einer Ein-Personen-GmbH schützt somit nicht vor Scheinselbstständigkeit. Damit wird selbst eine Kernaussage in dem Rundschreiben der Spitzenverbände der gesetzlichen Sozialversicherungsträger  in der Fassung vom 01.04.2022 obsolet. Dort hieß es bislang: Ist der Auftragnehmer eine Gesellschaft in Form einer juristischen Person (z. B. AG, SE, GmbH, UG [haftungsbeschränkt]), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber grundsätzlich aus. Der Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wirkt jedoch nur auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, nicht jedoch auf die Frage, ob die in der Gesellschaft Tätigen Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein können.“


Rundschreiben „Statusfeststellung von Erwerbstätigen“ vom 01.04.2022, dort Seite 17, Ziff. 3.2.10


Die Träger der Sozialversicherung gingen also bislang selbst davon aus, dass jemand jedenfalls solange nicht versicherungspflichtig bei einem Auftraggeber beschäftigt ist, solange nicht er selbst, sondern seine Gesellschaft Auftragnehmerin ist und er nur für sie handelt. Das Rundschreiben differenziert auch nicht, ob es sich um Ein-Personen-Gesellschaften oder größere Gesellschaften handelt.


Die Entscheidungen des BSG werden sicherlich zahlreiche neue Fragen aufwerfen. Leider liegen die vollständigen Entscheidungsgründe noch nicht vor. Auf die Details darf man aber gespannt sein. Interessant wird z.B. sein, ob das BSG die Bedeutung des Entgeltanspruchs für das Versicherungsverhältnis anspricht. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kommt es für das Entstehen der Sozialversicherungspflicht auch auf den Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber an. Einschlägig ist § 2 Abs. 2 SGB IV, wonach Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der Sozialversicherung versichert sind, wobe das Beschäftigungsverhältnis definiert ist als Tätigkeit nach Weisungen und als Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Ein Beschäftigungsverhältnis kann demnach also nur eintreten, wenn die „beschäftigte“ Person auch einen eigenen Entgeltanspruch gegen den Auftraggeber hat. Folgerichtig sind die Beiträge nach dem Entgelt zu bemessen, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schuldet (sog. Entstehungsprinzip). Wenn aber der Arbeitnehmer einen Entgelt- oder Vergütungsanspruch gar nicht gegen den Auftraggeber, sondern nur gegen seine eigene Gesellschaft hat, stellt sich zwangsläufig die Frage, wonach sich die Beiträge richten. Welche Antwort das BSG darauf gibt, ist abzuwarten.


Bundessozialgericht Terminbericht 29/23


Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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