Schenkung im Wege vorweggenommener Erbfolge – klare Vereinbarungen sichern den späteren Erben

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Häufig wird bereits zu Lebzeiten eine weitgehende Strukturierung des Vermögens nach dem Erbfall geplant. So werden Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte vorgenommen, die einen späteren Anspruch gegen den Erben ausschließen sollen. Macht der verwitwete Vater mit einem Vermögen im Todeszeitpunkt von 100.000 € die ihm nahestehende Tochter durch ein entsprechendes Testament zur Alleinerbin, so soll der Frieden dadurch hergestellt werden, dass der Sohn schon zu Lebzeiten eine Schenkung in Höhe von 25.000€ (dies entspricht rechnerisch dem Pflichtteil) erhält. Die Zuwendung wird „im Wege vorweggenommener Erbfolge" gewährt.

Andreas Keßler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de, weist unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.1.2010 (Az. IV ZR 91/09) darauf hin, dass diese gebräuchliche und in Urkunden immer wieder anzutreffende Formulierung leider nicht von entsprechender Klarheit ist.

  • Mit dieser Formulierung kann seitens des Erblassers eine Ausgleichung (§ 2316 I BGB), eine Anrechnung (§ 2315 I BGB) oder eine kumulative Ausgleichung und Anrechnung (§ 2316 IV BGB) gewollt sein.
  • Liegt eine Anrechnung vor, so entspricht der erhaltene Betrag dem Pflichtteil; weitere Ansprüche gegen die Erbin bestehen nicht.
  • Bei einer Ausgleichung wird zunächst Nachlass und Schenkung zusammengerechnet und auf dieser erhöhten Basis der Pflichtteil ermittelt, sodass der Pflichtteil vorliegend 31.250 € beträgt und nach Abzug der Schenkung noch € 6.250 Pflichtteilsanspruch verbleiben.
  • Bei der kumulativen Lösung entfällt ein Anspruch, da die Schenkung zu Lebzeiten den Pflichtteilsanspruch von 6.250 € übersteigt.
  • Das zutreffende Ergebnis ist im Streitfall im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dies ist daher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Hier zeigt sich, dass die für einen Rechtslaien vielleicht eindeutigen Worte doch sehr stark auslegungsfähig sind. Dies geschah sicher nicht bewusst, vielmehr war wohl die Rechtslage im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht unbekannt.

Es empfiehlt sich daher, bei Abfassung eines Testamentes einen Fachmann um Rat zu fragen, der hilft, den letzten Willen rechtssicher in einem Testament umzusetzen. Wenn schon ein Testament im Hinblick auf Vorschenkungen Anlass zu Zweifeln gibt, um wie viel größer sind dann die Möglichkeiten zu Fehlinterpretationen bei einem komplexen letzten Willen mit Erben, Vermächtnissen, Vor- und Nacherbfolge, Pflichtteilen, Testamentsvollstreckung u. s. w.?

Rechtsanwalt Andreas Keßler

Kasseler Str. 30.

61118 Bad Vilbel

Tel.: 06101-800660

http://www.Kanzlei-Andreas-Kessler.de/de/Rechtsberatung/Erbrecht


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