Schienenkartell: Bundesarbeitsgericht verweist Rechtsstreit gegen Manager zurück

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Worum geht es in diesem Fall?

Die Firma ThyssenKrupp verlangt von ehemaligen Managern 100 Millionen EUR Schadensersatz und die Erstattung von Kartell-Bußgeldern für illegale Preisabsprachen bei Eisenbahnschienen.

Hintergrund ist ein Verfahren beim Bundeskartellamt, das festgestellt hatte, dass ThyssenKrupp als Hersteller bzw. Lieferant von Schienen durch Preisabsprachen überhöhte Preise an Abnehmer, z. B. die Deutsche Bahn, gestellt hatten. Für diese kartellrechtlich unzulässigen Absprachen hagelte es ein deftiges Bußgeld von immerhin 191 Millionen EUR. 

Es verwundert auch nicht, dass es laut ThyssenKrupp zudem einige Rechtsstreitigkeiten mit geschädigten Kunden gab, in denen man sich offenbar zu Vergleichszahlungen bereit erklären musste.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 29.06.2017 in einem Urteil festgestellt, dass die sich in diesem Verfahren gegen die ehemaligen Manager des Unternehmens zu klärenden kartellrechtlichen Vorfragen nicht abschließend geklärt werden konnte und daher vom Landesarbeitsgericht noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen. Erst dann könne geklärt werden, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben sei. Denn stellten sich in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren kartellrechtliche Vorfragen im Sinne von § 87 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und könne der Rechtsstreit ohne die Beantwortung dieser Fragen nicht entschieden werden, seien die Arbeitsgerichte nicht mehr zuständig. Die Sache müsse dann vor die entsprechenden Kartellrechtsspruchkörper der ordentlichen Gerichtsbarkeit. 

Bundesarbeitsgericht vom 29.06.2017 – 8 AZR 189/15 – Pressemitteilung Nr. 30/17

Der Fall wird also noch mehrere Monate, wenn nicht Jahre, brauchen, bis eine Entscheidung getroffen werden kann. Denn wenn die Arbeitsgerichte nicht zuständig wären, müsste der Fall ja von den ordentlichen Gerichten nochmals aufgerollt werden. 

Immerhin hat das Unternehmen ThyssenKrupp erreichen können, dass seine Klage im Hinblick auf die Erstattung von Bußgeldern nicht erfolglos bleibt. Denn die Klage des Unternehmens war zuvor vom Arbeitsgericht Essen und vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf zumindest teilweise erfolglos geblieben. Hätte das Bundesarbeitsgericht dies auch so gesehen, wäre das Unternehmen auf seinem Bußgeld sitzen geblieben.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts lässt tief blicken: Aus ihr ergibt sich, dass das Unternehmen sage und schreibe 50 (!) Klageanträge gestellt hat. Ob das Landesarbeitsgericht aber über die Frage der Rechtmäßigkeit der Inregressnahme handelnder Arbeitnehmer bei Kartellbußen entscheiden durfte, wird erst im Rahmen der Zurückweisung Klarheit bestehen. 

Das Landesarbeitsgericht führte unter anderem zur Frage der Kartellrechtsbuße aus:

„… Eine Haftung des Beklagten für diesen Schaden [kommt] unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe berechtigt sind, von vornherein nicht in Betracht. Denn für die nach § 81 GWB gegen sie persönlich verhängten Unternehmenskartellbußen kann die Klägerin den Beklagten nicht im Innenverhältnis in Regress nehmen. … Grundsätzlich muss derjenige die Geldstrafe oder Geldbuße aus seinem eigenen Vermögen aufbringen, der die Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat. … Etwaige Geldbußen sind vom Arbeitnehmer grundsätzlich persönlich aus dem eigenen Vermögen zu tragen. … Nur in Ausnahmefällen kann auch die Geldbuße zu dem nach § 826 BGB zu ersetzenden Schaden gehören, wenn es dem Arbeitnehmer trotz seiner rechtlichen Verpflichtung im Einzelfall nicht zumutbar gewesen wäre, sich den Anordnungen seines Arbeitgebers zu widersetzen (BAG vom 25.01.2001 – 8 AZR 465/00). … Wenn man die Möglichkeit der Weitergabe der Strafe oder Buße im Innenverhältnis verneint, soweit es um gegen natürliche Personen verhängte Sanktionen geht, stellt sich die Frage, warum für die Unternehmensgeldbuße etwas anderes gelten soll. Dies ist nicht wirklich einsichtig. … Auch die Verhängung von Unternehmensbußgeldern basiert auf dem Schuldprinzip. Insbesondere ist auch gegenüber juristischen Personen der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung zu berücksichtigen (EuGH vom 10.04.2014 – C-231 bis 233/11 P). Vor dem Hintergrund ist es konsequent, dass die für natürliche Personen geltenden Grundsätze für die Frage der Möglichkeit der Regressnahme im Innenverhältnis auch für die sanktionierten Unternehmen gelten. Denn auch die Unternehmensgeldbuße hat ausdrücklich den Zweck, das Unternehmen selbst zu treffen (Mitsch in: KarlsruherKomm-OWiG § 17 Rn.11). Der darin enthaltene Vorwurf ist der eines Organisationsverschuldens in Form einer nicht ausreichenden Kontrolle der Organe. Unternehmen und Unternehmensträger sollen durch fühlbare Einbußen zu einer angemessenen Kontrolle angehalten werden. Das Unternehmen soll sich nicht aus der Verantwortung ziehen können. Das wäre aber der Fall, wenn es die Geldbuße an die für sie handelnden Personen im Rahmen der Innenhaftung weiterreichen könnte. Dies gilt auch und gerade für Kartellbußen, die gegen Unternehmen verhängt werden. …“

Landesarbeitsgericht Düsseldorf v. 20.01.2015, 16 Sa 459/14

Es bleibt abzuwarten, ob Arbeitgebern tatsächlich mit dieser Begründung der Rückgriff auf Arbeitnehmer versagt werden kann.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart



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