Schmale Straße – welches Auto darf zuerst fahren?
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Wohl jeder Autofahrer war schon einmal auf einer Straße unterwegs, die so schmal ist, dass zwei Autos nur schwer aneinander vorbeifahren können. Kommt einem dann an der engsten Stelle der Fahrbahn auch noch ein SUV oder Lkw entgegen, kommt man ganz schön ins Schwitzen. Doch wie muss man sich jetzt verhalten? In Luft auflösen kann man sich schließlich nicht. Und wer haftet, wenn es an der Engstelle zu einem Unfall kommt?
Ausweichmanöver ins Grüne
Ein Traktorfahrer war mit ca. 35 – 40 km/h auf einer schmalen Straße unterwegs, als er ein anderes Fahrzeug bemerkte, das ihm mit ca. 30 km/h entgegenkam. Beide Fahrzeugführer verringerten ihre Geschwindigkeit nicht, sondern fuhren weiterhin aufeinander zu. Erst als sich die Fahrzeuge auf gleicher Höhe befanden, lenkte einer der Verkehrsteilnehmer seinen Traktor nach rechts in eine Grünfläche, um etwas mehr Seitenabstand zum anderen Gefährt aufzubauen. Dabei kippte der Traktor jedoch zur Seite.
Dessen Eigentümer verlangte von seinem Unfallgegner Schadenersatz. Der wies sämtliches Verschulden an dem Vorfall jedoch zurück. Schließlich sei seine Fahrerin mit angepasster Geschwindigkeit, nämlich 30 km/h, gefahren – auch habe sie sich auf der Fahrbahn äußerst rechts gehalten. Dagegen habe der Traktorfahrer wissen müssen, dass sein Fahrmanöver riskant ist und zum Umkippen des Gefährts führen kann. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.
Fahrt mit unangepasster Geschwindigkeit
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm kam zu dem Ergebnis, dass beide Verkehrsteilnehmer gegen § 1 II Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen haben. Daher mussten auch beide Beteiligten zu jeweils 50 Prozent haften.
Keine Berührungspunkte?
Zwar haben sich beide Fahrzeuge auf der schmalen Straße gar nicht berührt, das allerdings lässt die Haftung eines Unfallgegners noch nicht entfallen. Maßgeblich ist nämlich, dass dieser aufgrund seiner Fahrweise bzw. durch sonstige Verkehrsbeeinflussung zum Unfall und damit zur Schadensentstehung beigetragen hat. Das ist – wie vorliegend – etwa der Fall, wenn der Geschädigte allein durch den Betrieb des anderen Fahrzeugs zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird, das letztlich zum Schaden führt, weil er z. B. von der Straße abkommt oder ein am Fahrbahnrand geparktes Kfz streift.
Irrelevant ist dabei unter anderem, ob der Geschädigte den Unfall hätte vermeiden können, wenn er anders reagiert hätte, also z. B. stehen geblieben wäre.
Verständigungspflicht bei Straßenenge
Das Gericht wies darauf hin, dass ein zügiges Befahren einer schmalen Straße nur zulässig ist, wenn zwei Fahrzeuge mit einem Mindestseitenabstand von einem Meter und der Berücksichtigung eines angemessenen Abstands zum rechten Fahrbahnrand aneinander vorbeifahren können. Anderenfalls müssen beide Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit deutlich verringern und das jeweils andere Kfz besonders vorsichtig passieren. Ist die Straße selbst dafür zu schmal, müssen die Fahrzeugführer anhalten und sich darüber verständigen, wer zuerst weiterfahren und das stehende Gefährt passieren darf.
Vorliegend haben beide Fahrzeugführer diese Rücksichtnahmepflicht nach § 1 II StVO verletzt. Schließlich war die Straße zu schmal, als dass ein Seitenabstand von mindestens einem Meter hätte eingehalten werden können. Anstatt ihre Geschwindigkeit zu verringern oder gar anzuhalten, sind beide zügig aufeinander zugefahren, weshalb der Traktorfahrer letztlich das Ausweichmanöver startete. Damit waren sie gleichermaßen für den Unfall und die Schadensentstehung verantwortlich. Der Traktorfahrer konnte daher 50 Prozent seines Schadens ersetzt verlangen.
Fazit: Ist die Straße so schmal, dass zwei Fahrzeuge nicht problemlos und zügig aneinander vorbeifahren können, müssen sie abbremsen – notfalls bis zum Stillstand – und sich mit dem entgegenkommenden Fahrzeugführer über die weitere Vorgehensweise verständigen.
(OLG Hamm, Urteil v. 07.06.2016, Az.: 9 U 59/14)
(VOI)
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